Ich liebe dich

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Es ist so still, wie sagt man so schön, man könnte eine Stecknadel fallen hören.
Denn heute ist der letzte Tag des Workshops und das bedeutet, alle Teilnehmer tragen heute vor der Jury ihren selbstgeschriebenen und komponierten Song vor.
Wenn ich ehrlich bin, interessiert es mich beinah überhaupt nicht mehr, ob wir den Plattenvertrag gewinnen oder nicht. Ich will einfach nur noch weg von hier.
Allein in den 5 Tagen hier ist mehr scheiße passiert als in den letzten 11 Monaten zusammen.

Sara sitzt über ihren Notizen und liest sie sich ein letztes mal durch, Josh trommelt Stil auf seinen Beinen und ich, ich sitze auf dem Boden und starre an die Decke.
Gerade geht die große Tür zum Theatersaal auf und die erste Band tritt heraus. Angeheizt und ermuntert reden sie mit einander und klatschen sich gegenseitig lobend auf die Schulter. Ich spüre Saras zweifelnden Blick, ich drehe mich also in ihre Richtung und schenke ihr das berühigenste Lächeln, das ich gerade hervorbringen kann.

Nur wenige Minuten später geht die Tür erneut auf, die Frau, die wir bereits von Beginn der Woche kennen, tritt vor uns, ruft unsere Namen und unseren Bandnamen auf und winkt uns dann freundlich herein.
Spätestens jetzt ist die Aufregung bei uns allen zurückgekehrt.
Ich höre, wie sich Joshua und Sara leise unterhalten, wie Sara die Seiten ihrer Gitarre überprüft und erneut stimmt.
Ich merke auch, wie ihre beiden Blicke auf mir ruhen, als ich zum Mikrophon trete. Sie haben Angst, dass ich es nicht schaffe, weil ich bei der letzten Probe so versagt habe.
Und um ehrlich zu sein, ich habe auch Angst.

Wenn ich so in die Reihen blicke, sehe ich zu meinem überraschen mehr Menschen als gedacht.
Die ersten 3 Reihen sind komplett leer. Dann kommt eine Reihe mit fröhlich aussehenden und bunt gekleideten Frauen und vereinzelt auch Männern. Da sie alle einen Notizblock in der Hand halten, schätze ich das es sich um die Juroren handelt.
Die Reihen darüber sind teilweise von Menschen von Jung bis alt besetzt und ich kann mir nicht erklären was ihre Aufgabe ist. Ich nehme es also einfach so hin.

Nachdem wir ein bisschen Smaltalk mit der Jury geführt haben, geben Sie uns das Zeichen, das uns darauf hinweisen Soll, dass wir beginnen können.

Ich setze mich als Klavier, warte auf Saras Einsatz und erhebe dann langsam meine Stimme. Obwohl ich nicht mehr aufgeregt bin, kann ich die Noten nicht genau so singen wie geplant. Es ist mehr eine Art Sprechgesang, aber glücklicherweise können sich Sara und Joshua meinem Tempo so anpassen dass es kaum auffällt.

I ponder of something great
My lungs will fill and then deflate
They fill with fire, exhale desire
I know it's dire my time today

I have these thoughts, so often I ought
To replace that slot with what I once bought
'Cause somebody stole my car radio
And now I just sit in silence

Sometimes quiet is violent...

Ich schließe meine Lippen nach den letzten Worten und nehme meine Hände von den Tasten. Jetzt ist Saras Part.
Ich nutze die Zeit um die Gesichter der Jury zu studieren um zu sehen, wie es auf sie wirkt. Leider muss ich sagen, dass es im Moment nicht gut für uns steht. Ich kann sehen, dass sie von der Melodie angetan sind und auch dass die Lyric sie überzeugt, aber ihre Gesichter sehen nicht so aus, als ob sie die Verzweiflung, die in dem Song angesprochen wird, auch fühlen.
Eine junge Frau mit kurzen braunen Haaren sieht sogar heimlich auf ihr Handy.

Eigentlich hätte allein dass an Verzweiflung gereicht, doch ich blicke zu Sara und ich weiß wie wichtig ihr das hier ist.
Ich beginne wieder zu singen. Ich gebe mir so sehr Mühe, die Jury meine Verzweiflung spüren zu lassen, aber es ist als würde eine Stimme sagen: "Es reicht nicht Tyler! Es wird sie nicht überzeugen."

Joshua Dun | JoshlerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt