der Fremde

279 27 16
                                    

Die ersten 3 Tage sind bereits verstrichen.
Ich habe es geschafft mich nur auf unser Projekt zu konzentrieren und mich Kopf über in die Arbeit gestürzt.
Alle meine Gefühle stecken in der Lyric hinter dem Song.
Ich würde beinah sagen, es ist das beste, das ich jemals geschrieben habe. Liegt wahrscheinlich an der Inspiration, die mir Josh liefert.
Denn in dieser Hinsicht bin ich verzweifelt wie nie.
Einerseits hasse ich ihn, denn nach unserem Moment auf dem Feld, hat er jeden unnötigen Kontakt vermieden.

Nach den Proben verschwindet er sofort in sein Zimmer oder unternimmt alleine etwas mit Sara.
Ich existiere für ihn nicht einmal mehr. Es ist also ganz offensichtlich, dass er versucht mich ein für alle mal, zu vergessen.

Anderseits, kann ich nicht genug von ihm kriegen. Von seinem Anblick, seinem Geruch, seiner Stimme -einfach von ihm.

Deshalb passt es mir auch Gut, dass genau heute Abend, am vierten Tag, eine kleine Party stattfindet.
Ich habe mir vorgenommen, nicht einen Augenblick an Joshua zu denken. Und ich bin überzeugt davon, dass ich es schaffen kann.

-
Ich stehe vor dem Spiegel und betrachte mich aufmerksam, mit den Augen eines fremden. Das weiße Hemd mit den Papierfliegern sieht besonders gut an mir aus. Auch meine Haare liegen heute besser als sonst. Ich lächle, bei dem Gedanken heute endlich mal wieder Spaß ohne einem Freund zu haben.
Denn vor lauter Stress mit Josh und Mason habe ich ganz vergessen, dass ich auch seit einer Ewigkeit wieder Single bin.
Und es fühlt sich garnicht so schlimm an, wie ich erwartet hatte.

Zusammen mit Sara laufe ich die Straße herunter, bis wir auf den Eingang der "Party" stoßen.
Überraschend muss ich feststellen, dass es eine Outdoor-veranstaltung ist.
Aber bevor ich umdrehen kann, hält mich Sara am Arm fest und zieht mich hinterher.
Die Musik wird immer lauter bis sie schließlich in den Ohren schmerzt. Überall tanzen sie. Es gibt fast keinen Platz, an dem man sich flüchten kann, wenn einem alles zu viel wird. Aber bevor mich die Panik einholen kann, gebe ich mich einfach der Musik.
Ich spüre wie der Bass meinen Körper packt und mein Geist sich langsam befreit. Es ist als wäre ich auf Drogen.
Ich spüre zum ersten mal die Energie, die in der Luft liegt, wenn so viele leidenschaftliche Musiker an einem Ort sind. Mit geschlossenen Augen überlasse ich mich der Musik und der Energie.

Erst als ich unsanft gegen einen fremden Körper stoße, öffne ich meine Augen und halte inne in meiner Bewegung.
"Alles in Ordnung?", fragt der Fremde.
Ich blicke in ein junges Gesicht. Für einen Moment hatte ich gehofft, dass es Josh gewesen wäre.
Aber der Mann mir gegenüber ist das komplette Gegenteil von Josh.
Er ist groß, aber schlank. Dafür ist sein Gesicht sehr Markant.
Seine Augen sind blau, und Strahlen sogar noch mehr als das Lächeln, das seine Lippen umspielt.

"Ja. Nichts passiert." Ich drehe mich wieder um, aber ich merke wie er mir auf die Schulter tippt. Also drehe ich mich erneut um.
"Ich könnte dir ein Drink ausgeben." Der fremde lacht mich auffordernd an.
Mein Kopf ist schon dabei sich zu schütteln, aber dann fällt mir wieder ein, was ich mir heute morgen geschworen habe. Und was gibt es bitte für eine bessere Ablenkung, als den Schönling, den man beim Tanzen angerempelt hat.

"Einverstanden!" Schreie Ich, um die Musik zu übertönen.

-
"Ich bin übrigens Calvin." Stellt er sich vor.
"Tyler." Ich nippe an meinem Bier und versuche zu überspielen, dass ich normalerweise keins trinke.

"Gehst du auch zum Workshop?"
"Ich sehe es mehr als einen Wettbewerb, aber ja." Antworte ich gelassen und lehne mich an der Bar an, weil ich bereits merke wie der Alkohol in mir aufsteigt.

"Es kommt ja darauf an, was du daraus machst." Sagt Calvin mit der Absicht, eine Unterhaltung aufzubauen.
Ich lächle einfach nur, weil ich mich nicht weiter darüber unterhalten möchte.
Statt dessen lehne ich mich in seine Richtung.
Während ich ihm in die Augen sehe, wird mir klar wie lange ich niemanden mehr geküsst, geschweige denn berührt habe.
Ich muss an Josh denken, der wahrscheinlich jeden Tag mit seiner Freundin Spaß hat und seine Vorlieben auslebt.
Ich seh im Vergleich dazu wie ein 7. Klässler aus.

Also spiele ich mit meinen Blicken. Versuche Calvin zu verstehen zu geben, worum es mir eigentlich geht und freue mich wie ein kleines Kind, als er meinen Blicken standhält.
Seine blauen Augen sehen direkt in meine, dann fahren sie langsam an meinen Gesicht herunter, bis sie auf meinen Lippen stehen bleiben.
Das ist der Moment, in dem ich all meine Vernunft und Selbstkontrolle zur Seite schiebe und mich ganz auf den Moment einlasse.
Calvin streckt seinen Arm aus und zieht mich an ihn. Die Musik wird lauter.

Langsam lehne ich mich nach vorne, bis unsere Lippen sich ganz leicht berühren. Er ist es, der den ersten Schritt macht und mich küsst.
Es ist ein schöner Kuss, aber irgendwas fehlt, also lasse ich zu dass er mich mit Zunge küsst.
Gerade als ich beginne den Kuss zu genießen, merke ich wie sich jemand neben uns aufbaut und sich so auffällig wie nur möglich räuspert.

Augenblicklich löse ich mich von dem eigentlich immer noch Fremden und Blicke zu meiner Überraschung in das angespannte Gesicht von Joshua Dun.

Joshua Dun | JoshlerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt