2 - Die Porzellanpuppe

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Noch immer komme ich nicht darüber hinweg, was mir gerade passiert ist. Noch nie war jemand so dreist und unverschämt zu mir gewesen, denn ich war meist so unscheinbar, dass niemand sich traute zu mir gemein zu sein, anscheinend wirke ich zu fragil. Wie eine Porzellanpuppe - zum Spielen geschaffen, aber niemand würde es sich jemals trauen, aus Angst sie könnte zerbrechen, so würde die Porzellanpuppe ihr ganzes Leben lang im Regal stehen und hinter ihren traurigen Augen verbirgt sich der unausgesprochene und einzige Wunsch, den sie jemals hatte - Spiel mit mir!

Die High School war wie immer, rauschende Ströme von Schülern füllten die Flure, Cheerleader drängten sich vor den Spinten und beredeten den neuesten Tratsch, die Nerds trafen sich in der Bibliothek oder dem Computerraum, die einzigen Orte wo die Footballspieler niemals hinkommen würden, um sie zu verprügeln. Es gibt noch viele andere Fraktionen, zum Beispiel meine. Ich sehe schon meine beste Freundin wie sie sich mit irgendeinem Typen unterhält und ihn dabei mit tiefen Blicken anschmachtet, während sie sich eine kupferne Locke um den Finger wickelt und auf die Lippe beißt. Sie mochte es Jungen verrückt nach ihr zu machen, sie zu bezirzen und zu flirten. Sie ist eine richtige Sirene, sie flirtete nicht nur wie eine sie war auch noch wunderschön, blonde Naturlocken umrunden ihr schmales Gesicht, sie hat tiefblaue Augen und trägt Kleidung wie sie sonst nur Top Models tragen, ganz zu schweigen von ihrer Figur, bei der selbst Gigi Hadid vor Neid erblassen würde. Jetzt stößt sie ihm mit ihrem Zeigefinger vor die Brust und dreht sich zu mir um "Caily, da bist du ja, hast du schon gehört wir haben einen neuen Schüler in der Stufe, angeblich sind seine Eltern mit ihm hierhergezogen, weil er an der letzten Schule Mist gebaut hat und dann geflogen ist." "Ne, habe ich nicht" ich schaue sie entnervt an, es war klar sie hat einen neuen Crush, das ist fast immer so, wenn jemand neu ist und sie ihn einigermaßen attraktiv findet, Gott sei Dank passierte das so oft, dass sie ständig einen neuen hatte und nie einer lange blieb, letztes Jahr hatte sie sich im Sommer einen braungebrannten Spanier gekrallt, im Herbst ging sie dann mit einem sexy Footballer und im Winter war sie schon mit einem schüchternen Studenten zusammen. Für sie sind Jungs Accesoires je nach Stimmung und Gemüt kann man sie einfach wechseln, wie es einem gerade passt. Manchmal wünsche ich mir, dass ich so selbstbewusst sein könnte wie sie, ich bin mittlerweile 17 und meinem letzten Schwarm habe ich nicht getraut meine Gefühle zu beichten, dann zog er vor einem Jahr weg. Es war nicht so, dass ich es mich nicht getraut hätte weile er in einer anderen Liga spielt, meine Beweggründe waren so viel simpler, im Nachhinein schäme ich mich sogar etwas dafür, dennoch bin ich mir nicht sicher, ob ich es heute nicht wieder genauso tun würde. Auch, wenn ich nicht glaube, dass er auch in mich verliebt war, hätte ich es ihm gerne gesagt gehabt, aber Lia, meine beste Feundin, stand auf ihn. Es war also unmöglich ihm meine Gefühle zu gestehen ohne gleichzeitig unsere Freundschaft auf's Spiel zu setzen. Mittlerweile frage ich mich, ob ich mich noch unglücklicher hätte verlieben können? Die Liebe ist einfach nur ein grausames Spiel, das einzige ohne Gewinner - Zumindest in meinem Fall. Ander mogeln und schummeln sich bis zum Sieg.

Lia schaut mich verwirrt an „Wirklich nicht? Ich will ja nichts sagen, aber" sie wirft mir einen vielsagenden Blick zu „ Guck ihn dir einfach selber an" In meinem Gehirn meldete sich schon lautstark die Zentrale zu Wort, die mir bei jedem neuen Schwarm von Lia befiehlt, Schoko Ben und Jerrys und Taschentücher bereitzustellen, zu Wort. Zwar ist Lia meist die, die damit anfängt zu flirten, doch wenn sie dann auch wirklich etwas mit jemandem anfängt, sind es meist die Jungs die sie sitzen lassen, manchmal wegen einer anderen, manchmal einfach so ohne Grund. So sehr ich Lia auch mag, muss ich doch ernsthaft zugeben, dass sie einen grauenhaften Geschmack in Sachen Jungs hat. Zumindest was den Charakter betrifft. Es ist sogar schon soweit gekommen, dass vielebMädchen die Jungs meiden mit denen Lia zusammen ist, weil er dann automatisch als Arschloch abgestempelt wird.
„Naja, ist doch eigentlich auch egal." sage ich, wohl wissend, dass es Lia auf gar keinen Fall egal ist. Da Lia jetzt anscheinend doch plötzlich wieder Interesse an dem jungen gefunden hat von dem sie sich gerade noch abgewendet hat, wende ich mich auch ab und bewege mich zum Unterricht. Mr. Layer, mein Spanischlehrer, kommt meist schon vor Unterrichtsbeginn in den Raum und wirft einem stets sehr böse Blicke zu, wenn man erst nach ihm auftaucht, ganz zu schweigen von dem was er tut, wenn man zu spät kommt, muy agresivo (Sehr aggresiv) wäre da noch untertrieben. Doch heute war der Sitz hinter dem Lehrerpult noch leer. Ich ließ mich wie immer in der letzten Reihe nieder. Es war für mich entspannte von hinten dem Unterricht zu folgen, da ich dort das nervige Geplapper der Tussis in den mittleren reihen antun muss und auf die Streber in der ersten reihe hatte ich auch nicht unbedingt Lust, zwar schienen sie ganz nett zu sein, doch ist es relativ gruselig neben denen zu sitzen. Sie tun einfach so als wärst du nicht da und starren den ganzen Unterricht lang die Tafel an, als würden jeden Moment Laserstrahlen aus ihren Augen kommen und die Tafel zu Staub zerfallen lassen. „Ey, Caylin" eine Stimme mit der man sämtliche Kriege gewinnen könnte und für die sie eigentlich einen Waffenschein bräuchte, meldet sich zu Wort. Ich blicke auf und sehe, dass Anny, eine Cheerleaderin, sich zu mir von ihrem Sitz umgedreht hat. Ich erwidere

„Ja"

„Mr. Layer kommt nicht oder so. Der hatte einen Unfall oder sowas. Ich hoffe wir kriegen nicht wieder so einen alten Knacki"
Jetzt lehnt sie sich zu mir vor und flüstert mir mit ihrer erschreckend hohen Stimme zu
„ Ich glaube der hat mir immer auf die Brüste geguckt." ihr Blick senkt sich langsam auf ihr in eine Polyester Uniform verpacktes Dekolletee, bevor sie wieder vorsichtig zu mir aufblickt. Ich weiß nicht ganz ob ich mehr von ihrer seltsamen Geste verwirrt sein soll oder mich freuen soll, dass Mr. Layer mir nicht so schnell wieder einen bösen Blick zuwerfen wird. Mit ihren großen Augen starrt mich Anny Kaugummi-kauend an. Anscheinend erwartet sie eine Antwort. Zwar habe ich echt nichts gegen Anny, obwohl sie ein bisschen dumm ist, dennoch weiß ich nicht was ich auf ihre seltsame Aussage antworten soll ohne mich komplett zu blamieren. „Anny.." hole ich aus.
„Ruhe bitte" eine junge Stimme mit leichtem spanischen Akzent hallt durch den Raum. Augenblicklich drehen sich alle um und blicken zum Pult. Froh, dass ich Anny jetzt anscheinend keine Antwort mehr schuldig bin, richte auch ich meinenBlick nach vorne. Dort steht ein mittelgroßer junger Mann mit dunkelbraunen Haaren, die unverschämt gut aussehen, dafür dass er sie sich einfach nur etwas verzottelt über die Stirn hängen lässt, so als wäre er gerade erst aufgestanden, damit meine ich nicht das echte Aufstehen, sondern eher dieses Film aufstehen, wo alle Leute einfach nur gut aussehen. Er hat tiefblaue Augen und ist sehr einfachgekleidet mit T-Shirt und kurzen Shorts. Er lässt seine blauen Augen über die Menge gleiten und dreht uns seinen Rücken und die breiten Schultern zu um etwas an die tafel zu schreiben. Alles an ihm ist irgendwie perfekt, angefangen bei seinen strammen Waden bis hin zu den Grübchen, die ich erkennen kann als er sich umdreht und die Sicht auf die Tafel freigibt. Mr. de Leon, steht in einer ausgesprochen klein-kindlichen Schrift an der Tafel, da er aber höchstens ein paar Jahre älter als wir zu sein scheint, wundert mich das nicht vielleicht schreiben ja alle Lehrer am Anfang so. „Hallo" gibt er zögerlich mit seinem leichten Akzent von sich, wobei er das H nur haucht. „ Ich bin Mr de Leon euren neuer Spanisch Lehrer."

„Es heißt euer neuer Spanischlehrer." gibt einer der nervtötenden radikalen Streber aus der ersten Reihe von sich, natürlich ohne sich vorher zumelden. Mr. de Leon lächelt charmant und fast schon etwas schüchtern, so dass seine Grübchen gut zur Geltung kommen, seineAugen leuchten dabei. „Es tut mir leid, falls ich ab und zu noch Probleme mir eure Sprache habe, aber ich bin erst vor ein Jahr hierher gezogen und habe mein Studium hier beendet, ich hoffe ihrkönnt mir verzeihen, wenn ich Fehler mache" trotz des unverschämten Reinrufers, der bei Mr. Layer oft böse Blicke zugeworfen bekam, lächelt Mr. de Leon es einfach weg. „Soo, als euer neuer Lehrer,", fährt er fort „Habe ich gleich die Ehre euch ein neuen Mitschüler vorzustellen, er ist hier neu an der Schule und wird hier an Spanischunterricht teilnehmen" Mr de Leon winkt eifrig Richtung Türrahmen. Er ist es, der junge der mich heute morgen fast überfahren hätte lächelt jetzt düster und überheblich. Seinen Rucksack hat er locker über seine rechte Schulter gehangen. „Ethan setz dich doch"Mr de Leon weißt auf die vielen freien Plätze im Raum, fast überall ist etwas frei, da Spanisch doch ein eher unbeliebtes Fach ist, worüber ich sehr froh bin, so muss ich ihn nicht ertragen, er bewegt sich zu Anny, hätte mir eigentlich klar sein müssen, dass Jungen wie er auf so dumme blonde Tussis stehen, obwohl ich Anny eigentlich mag. Er bleibt neben Annys Pult stehen und guckt sich noch einmal um, sein Blick schweift durch den Raum, über die leeren Plätze und die angespannten Gesichter, dann setzt er sich. Aber nicht neben Anny.

Dark Desire - Wer ihm verfälltWo Geschichten leben. Entdecke jetzt