12 - Die Dornen der Stille

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Ich habe echt alles versaut. Zumindest ist das das Resultat von stundenlangem Eis in mich reinlöffeln und Gossip Girl schauen, während ich darüber nachdachte, was mir heute morgen mit Ethan wiederfahren war, mein Verhalten war einfach extrem scheiße und ich schäme mich dafür. Es war sehr unsensibel.

Ich weiß nicht genau warum sein Vater ihn so sehr schlägt und auch nicht warum er nichts dagegen tut, aber ich weiß, dass ich womöglich die Erste bin, der er es gezeigt hat, wenn auch aus den völlig falschen Gründen. Ich sollte damit nicht leichtfertig umgehen, ich muss etwas tun, mich irgendwie wieder mit Ethan vertragen oder es zumindest versuchen. Auch wenn Ethan einen Wiedergutmachungsversuch wohl kaum zu schätzen wissen wird, aber meine Oma hatte mir damals schon immer gesagt, nicht alles Gute wird gut honoriert.

Ich stehe vom Sofa auf, schnappe mir ein paar Sachen und mache mich auf den Weg zu Ethan.
Ich parke meinen Wagen eine Straße weiter, damit er nicht so auffällt, doch schnell stelle ich fest, dass die Idee wohl doch nicht optimal war. Auch in dieser Straße, parken nur teure Edelkarrosserien in deren Motorhauben sich der dunkle Wolkenhimmel spiegelt, mein Wagen der gerade so noch fahren kann, hätte kaum mehr fehl am Platze sein können, außer vielleicht in einer Monstertruck Show.

Ich spähe vorsichtig in die große Einfahrt und seufze erleichtert auf.
Es steht kein weiterer Wagen in der Einfahrt, wie als ich das letzte mal hier war und durch den Regen zurück gelaufen bin oder zurücklaufen musste. Schnell schüttle ich den Gedanken wieder ab, ich will nicht an Mr. De Leon denken, auch wenn nichts zwischen uns war, hat es mich doch etwas gekränkt. Ich habe halt ein empfindliches Ego.

Ein großes mit goldenen Lettern verziertes Klingelschild hängt neben der schwarzen Tür. Wenn ich jetzt klingel, gibt es kein zurück mehr für mich. Tausend Gedanken schießen mir durch den Kopf, wird er ausrasten? Er wird definitiv ausrasten? Aber dann muss ich wenigstens kein schlechtes Gewissen mehr haben und bin ihm nichts mehr schuldig. Ein panischer Fluchtreflex schüttelt meinen Körper als ich die Klingel drücke und das brummende Geräusch an meine Ohren vordringt.

"Miss Cailyn," gibt Maria erstaunt von sich, als sie mich im Türrahmen erblickt. Die füllige Frau trägt heute eine Schürze mit lauter bunten Blumen und ihre Haube. Sie strahlt mich mit einem ehrlichen Lächeln an, ob sie sich wohl wundert mich wiederzusehen, nachdem sie mir den Tipp gegeben hat hier nie wieder aufzuschlagen. Zumindest lässt sie sich nichts anmerken.

"Ich will zu Ethan, ist er da?" frage ich bedacht freundlich.

"Ethan ist da, er sitzt seit heute Mittag im seinem Zimmer, ich habe keine Ahnung, was da los ist."
Antwortet sie im spanischen Akzent.

"Vielleicht können sie ja helfen, aber sein sie vorsichtig. Er manchmal sehr sauer."

Ich höre kaum noch wie sie mich warnt, da husche ich schon den Flur entlang, bevor ich es mir noch anders überlege und doch die Flucht ergreife. In meiner Brust fahren meine Gefühle Achterbahn, denn eines weiß ich ganz genau, es ist eine verdammt miese Idee von mir, was ich gerade vorhabe.

Ich bleibe in dem langen weißen Flur stehen auf dem letztes mal mein Zimmer lag, als mir einfällt, dass ich nicht den geringsten Schimmer habe, wo ich Ethan denn überhaupt finden könnte.

Der Gang besitzt eine stattliche Länge und eine mattweiße Tür reiht sich an die nächste wie in einem Hotelflur. Vielleicht sollte ich einfach alle Türen einmal kurz öffnen und einen Blick riskieren.
Auch, wenn ich wirklich nicht wissen will, welche Leichen Ethans Vater noch dahinter versteckt hat. Dennoch bin ich irgendwie erstaunt, wie sie mit nur drei Leuten so viele Zimmer brauchen können.

Jetzt überlege ich einfach laut durch den Flur zu schreien, ich meine was kann schon Schlimmes passieren, Ethans Bruder, Aiden ist ja nett und Maria wäre da auch die Letzte, die mich anmeckern würde, außer vielleicht Ethan, der würde wahrscheinlich total ausrasten. OK zugegeben, es ist vielleicht doch nicht so eine brillante Idee, wie ich anfangs dachte. Ich muss also wohl Plan A umsetzen.

Dark Desire - Wer ihm verfälltWo Geschichten leben. Entdecke jetzt