Regengeister

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Es regnet diese Nacht.
Wir wurden überrascht.
Suchten eine Abkürzung.
Durch unsere alte Schule.
Das Tor ist offen.

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"Sollen wir nicht lieber außenherum gehen?",

nuschle ich etwas unsicher, während du die recht schwere Tüte mit dem Schnaps und den Mischgetränken aus meinen leicht nassen, kalten Händen nimmst und diese stattdessen jetzt trägst.

Viel mehr als Nuscheln kann ich auch nicht mehr, denn wir haben gut getrunken. Der Regen und die Luft klärt etwas meinen Kopf, dennoch ist mein Gang etwas unsicher, meine Kleidung und Haare werden langsam nass. Auch dich hat Frau Holle nicht verschont.
Deine langen, blondierten Haare hängen nun teilweise als feuchte Strähnen über deinen Schultern, und deine markanten Brauen sind aufgrund der Wassertropfen etwas nach unten gerichtet.

Meine Sorgen sind komplett unbegründet.
Du bist schließlich bei mir.

"Komm.", sagst du leise und gehst durch das offene Schultor, ich folge dir.

Ich nicke.

Eine Mischung aus zig Erinnerungen und einem alten Gefühl sammeln sich in meinem Herzen, die Luft ist feucht und klar und gerade mag ich den Geruch des Regens sehr.
Es ist mir sogar egal, dass ich den Schirm vergessen habe.

Für einige Minuten sind wir vor dem Wetter geschützt, da die Schulgänge überdacht sind. Dir fällt eine Schaukel links auf der Wiese auf. Die musste neu sein. Im Stummen beschließe ich, bald hierher zurückzukehren, um auf ihr zu schaukeln.

Ich zücke schließlich an einer Ecke mein Handy, um die Taschenlampe anzuschalten, als es bedrohlich gewittert. Du weißt, dass ich Angst habe, deswegen hakst du dich stumm bei mir ein, weil du weißt, dass das am Schnellsten hilft.
Dennoch habe ich noch immer Angst.
Die Tüte stellst du auf den Boden, wir gehen nur wenige Meter weiter.

Es grummelt erneut.
Ich zittere.

"Keine Sorge. Es ist weiter weg.
Ich bin da. Dir passiert nichts.",
hauchst du ganz leise und beruhigend, ehe du deine Arme fest und beschützend um mich legst,
und ich spüre ganz leicht dein Herz gegen die Brust schlagen, dein Pullover ist auch schon etwas nass und abgekühlt, aber dein Herz, das ist ganz warm und ich kann sogar einen winzigen Hauch deines Eigengeruches wahrnehmen,
und das beruhigt mich.

"Hey.", murmelst du plötzlich, ganz leise, löst dich aus der Umarmung, und drehst mich nach links, aber ich sehe kaum etwas, ich sollte mehr diese Brille tragen, das leuchtet mir wie so oft wieder ein, als du leise mit kindlicher Spielfreude hinzufügst "Schau mal, Jenny. Die Tür da. Ich glaub, die ist nicht ganz zu."

Ich brauche etwas, um zu ahnen, was du vor hast, als du bereits die wenigen Meter zur schweren, alten Holztür unserer ehemaligen Schule gehst, die Tüte wieder in der Hand, beherzt den klumpigen Türknauf ergreifst und nach einem überrascht-freudigem Aufkeuchen schnellst du zu mir herum, während du bemerkt hast, dass keine Alarmanlage oder dergleichen losgeht, einfach, weil das Gebäude schon uralt ist und Wer kommt denn auch auf die Idee, am Wochenende in eine Schule einzusteigen?, begeistert mich zu dich winkst und hinterher setzt 'Komm schon, es regnet, und wir bleiben auch wirklich nicht so lange', und ich habe doch keine andere Wahl, oder?

Bei dir bin ich sicher.

Ich beäuge kurz noch mit letztem Zweifel die elektronische Wetter- und Datumsanzeige, dessen rote Ziffern sonst immer hell geleuchtet haben.
Stromausfall, überlege ich.
Bei dem Unwetter auch kein Wunder.
"Warte auf mich.", nuschle ich ergeben und folge dir schnell, und dann schließt du aufgeregt kichernd hinter mir die dunkle Tür, drehst nach rechts, wo sich der Theaterraum befindet, und gehst mit mir durch die Tür.

One shots (Youtube)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt