Boy out of the woods /Part 2

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Langsam drückte Florian die neutrale, weiße Tür auf, betrat das kompakte, einfach eingerichtete Zimmer, die weißen Vorhänge waren an den Seiten der Wände mittels Klemmen lose befestigt, damit Tageslicht durch das hohe, natürlich gesicherte Fenster in den Raum gelangen konnte.
Das einzige Mobiliar waren ein Stuhl, ein runder, kleiner Tisch sowie das Patientenbett rechts an der Wand.
Da es genügend hell war, musste das Deckenlicht noch nicht eingeschaltet werden. Florian rief sich den krakelig notierten Namen in Erinnerung, welcher auf dem Klemmbrett der Krankenschwester stand.

Jakob Joiko.

Jakob.

Die Schrift war fast schon kindlich, aber mit deutlicher Ernsthaftigkeit und einer gewissen Sorgfalt, doch Florian wollte sich nun gerade eher mit der Person vor ihm beschäftigen, die diesen Namen offenbar notiert hatte. Er blinzelte die aufkommenden Tränen weg und machte sich ein 'erstes'  Bild des Mannes.

Dieser war etwa Mitte Zwanzig(natürlich wusste er,
wie alt Jakob war, nämlich 25),
lange, dunkelbraune Haare, komplett zerzaust, fettig und verklettet, offenbar noch nicht nach der ersten Visite gewaschen worden. Und mit dunklen, starren Augen, fahler Gesichtsfarbe, als hätte er irgendwas gesehen, erlebt oder getan, was nachhaltig Schaden angerichtet haben kann. Der Mann starrte unentwegt einen Punkt im Raum an, kaute an den Fingernägeln und schien Florian gar nicht wahrzunehmen.
Seine Knie waren eng an ihn gezogen, er hatte sich an die Ecke des Bettes an die Wand gedrückt und einen Arm halb um seine Beine geschlungen.
Florian trat einen winzigen Schritt näher an ihn heran, ehe er leise 'Herr Joiko?' an diesen gewandt sprach, so sanft es ihm möglich war.

Florian bemühte sich, vor seinen Kollegen die Fassung zu wahren, da kaum jemand wusste, dass das vor ihm ein langjähriger, guter Freund war.
Und er lebte, verdammt!

Was auch immer ihm im Wald zugestoßen war, dachte er, muss vorsichtig angegangen werden.

Das Kauen stoppte.
Der Blick wanderte in Richtung des Arztes, jedoch stoppten die dunklen Augen an den Schuhen.
Das reichte ihm, um die Aufmerksamkeit zu haben, die er benötigte, um das Gespräch zu beginnen.

"Herr Joiko, können Sie mir sagen, warum Sie in dem Wald waren?"

Der junge Mann auf dem Bett befeuchtete seine schmalen, vermutlich eingerissenen Lippen und presste anschließend diese aufeinander, atmete durch die Nase ein. Der Blick blieb hart.

"Waren Sie allein im Wald, oder wurden Sie von jemandem begleitet?"

Wurde Felix nicht auch vermisst?
Florian wusste es nicht mehr genau, er hatte sich zu sehr abgekapselt, und jetzt war er zu feige, deshalb sprach er nicht den Namen der zweiten möglichen Person, Felix, aus.

Der Mann bewegte die Füße unruhig hin und her, der Blick huschte durch den Raum, offensichtlich hatte er sowohl psychische, als vermutlich auch physische Schmerzen und Unbehagen, er spannte den Kiefer merklich an und wurde nach einigen Augenblicken wieder etwas ruhiger, ehe sein von Trauer und Schmerz triefender Blick den von Florian schlussendlich traf.

"Nicht allein."

Jakob schien ihn zu erkennen, er hoffte das zumindest. Und bekam zeitgleich eine mögliche Bestätigung seiner Ahnung, selbst wenn er absolut nicht wusste, was passiert war.
Noch immer musste Florian sich zurücknehmen, die letzten Meter zu Jako gehen und ihn in seine Arme zu nehmen. Er konnte es nicht ertragen, ihn so verstört und gebrochen zu sehen..

Florian nickte langsam,
ehe er im offen neugierigen Ton nachhakte.

"Wo ist dieser Mensch?"

Die Antwort kam mit leiser, gepresster Stimme, kurz davor, zu brechen.

"Er ist tot. Ich hab ihn umgebracht."





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