»Ich kann es immer noch nicht fassen, dass du das für mich machst, Julie.«
Die Stimme meiner Schwester kam nur gedämpft bei mir an. Ich konzentrierte mich die ganze Zeit darauf, dass ich vermutlich in wenigen Minuten mein Apartment verlassen musste und von Alex Crawford abgeholt werden würde.
Es war vier Tage her, seitdem ich mich in die Höhle des Löwen — wie er es beschrieben hatte — gewagt und ich diesen absolut lächerlichen Pakt geschlossen hatte. Danach hatten wir uns nicht mehr in Person gesehen, sondern nur genau zweimal telefoniert und ein paar Nachrichten ausgetauscht, um verschiedenste Sachen abzuklären.
Er hatte mir versprochen, dass er die, in seinen Augen, niedrige Miete für meine Wohnung übernehmen würde, damit Charly sie beziehen kann, während ich bei ihm leben würde. Egal, wie großzügig dies von ihm war, machte es mir gleichzeitig Angst. Ich kannte diesen Mann nicht und stürzte mich geradewegs in etwas hinein, wovon ich keine Ahnung hatte, was mich überhaupt erwarten würde.
Vor zwei Tagen wurde meine wichtigsten Sachen, die ich unbedingt mit zu ihm mitnehmen wollte, in einen kleinen Bus verlegt und zu seinem Anwesen gebracht.
Heute war der Tag, an dem ich offiziell zu ihm ziehen würde, und das für ein ganzes Jahr.
»Julie? Hörst du mir überhaupt zu?«
Mein Blick hing noch in der Ferne, trotzdem nickte ich. Ich hörte sie, dennoch fühlte ich mich wie gelähmt. Ich hatte Mutter nichts von allem erzählt und auch Charly gebeten für so lange wie möglich, ihr nichts davon zu erzählen, ansonsten würde sie mich wahrscheinlich suchen gehen und an meinen Ohren wieder aus seinem Anwesen rausziehen, nachdem sie ein riesiges Theater veranstaltet hatte.
»Ich liebe dich dafür, dass du das für mich tust.«, auf einmal klang meine Schwester genauso verzweifelt wie fünf Tage zuvor, als sie auf meinen Küchenstuhl sich niedersinken lassen hat. Ich schaffte es mich zu ihr umzudrehen und sie anzusehen. Meine Muskeln entspannten sich, als ich ihre bekannten Konturen sah. Ich zog Charly in eine innige Umarmung und flüsterte ihr zu: »Alles wird wieder gut. Es ist okay so.«
Ich wurde durch ein schrilles Klingeln unterbrochen, dass mein Herz kurz aussetzen ließ.
»Das ist er wahrscheinlich.«
Ich presste meine Lippen zusammen, als ich vor Charly zur Tür schritt. Meine Hände ballten sich kurz zu Fäusten und entspannten sich wieder, bevor ich die Tür öffnete und in ein überraschend, fröhliches Gesicht von Alex Crawford sah. Dieses Mal trug er keinen schicken Anzug, sondern eine normale Blue Jeans mit einem weißen Hemd, an welchem eine schicke, vermutlich schweineteuere Sonnenbrille hing.
Erwartungsvoll blickte er mich an.
Ich schluckte und drehte mich zurück zu meiner Schwester. »Denk daran; ich bin nicht tot. Du kannst mich jederzeit erreichen.«, sagte ich ihr und nahm meine Handtasche von der Kommode neben mir.
Charly nickte nur stumm. Sie traute sich keinen Schritt näher zu mir. Sie traute sich nicht einmal Alex einen Blick zu zuwerfen. Sie hatte offensichtlich Angst, dass er über sie urteilen würde. Ich überwand die Entfernung zwischen uns und schloss nochmals fest in meine Arme, redete mir dabei ein, dass ich jederzeit hierher zurückkehren konnte. Dies würde immer mein Fluchtort bleiben.
Es war schwer, sie alleine zu lassen, denn obwohl sie mir versprochen hatte, dass sie sich in kein Casinos begeben würde und stattdessen nach einem Job suchen würde, hatte ich Angst, dass sie es trotzdem tun würde. Was sie im Gegenteil zu mir noch nicht einsah, war, dass sie ein ernsthaftes Suchtproblem hatte. Jedoch war mir klar, dass sie es vermutlich wusste, aber niemals offen zugeben würde.
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Winning Chances
Romantik[ZURZEIT UNTER BEARBEITUNG] Charly Jensen ist spielsüchtig. Ihre Schuld in einem Casino sind so hoch, dass sie ihre Schwester um Hilfe bitten muss. Sie soll sich mit Alex Crawford, dem Besitzer, treffen und eine Lösung vereinbaren. Doch für Julie k...