6 » "Ganz vielleicht"

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Ich fühlte mich, als hätte ich auf Wolken geschlafen. Noch nie in meinem Leben hatte ich so himmlisch geschlafen. Das Bett war traumhaft. Es ließ mich all die schlechten Nächten auf den harten Matratzen im College vergessen. Wie einem Film konnte ich mich meine Arme ausstrecken, sie aus dem Schlaf rüttelten.

»Autsch!«

Ein Schock durchfuhr meinen Körpe. Ich schoss hoch. Sofort riss ich meine Augen auf und erblickte mit einem Mal Alex, welcher sich verschlafen blinzelnde und sich seine Nase festhielt. Der Schock ließ meinen Körper gefrieren. Ich dachte nicht darüber nach mich bei ihm zu entschuldigen, denn ich war viel zu sehr mit dem Fakt beschäftigt, dass er halbnackt neben mir im Bett lag — wenn er überhaupt noch seine Unterhose trug!

»Was machst du hier?«, stieß ich aus.

»Ich habe hier geschlafen.«

»Das ist aber doch mein—«, ich blieb still, da ich mich an gestern erinnerte. Er hatte deutlich betont, dass dies unser gemeinsames Schlafzimmer war, ebenso wie wir uns das riesige Ankleidezimmer teilten. Das hieß, dass wir uns auch das Bett teilen würden.

Alex hatte seine Nase wieder losgelassen. Es schien nichts Schlimmes passiert zu sein, trotzdem musterte er mich auffällig, als er sich aus seinen Ellbogen abstützte. Er gab sich nicht mal die Mühe, um dies unauffällig zu tun. Es war sowieso zwecklos.

Was war ich froh, dass ich mir das Shirt nicht auch noch ausgezogen hatte.

Mein Schlafnachbar lehnte sich wieder zurück in sein Kissen und fuhr sich mit seinen großen Händen durch sein Gesicht. Als er bemerkte, dass ich ihn anstarrte, schmunzelte er.

»Was ist?«, fragte ich ihn.

»Nichts.«, antwortet er, aber seinen Grinsen wurde breiter. »Du siehst nur so aus, als ob du etwas bestätigt haben möchtest.«

Oh nein.

»Musst du heute arbeiten? Sonst würde ich nämlich meine Schwester besuchen gehen.«, lenkte ich vom Thema ab. Darüber würde ich gewiss nicht mit ihm reden, nicht einmal annähernd.

Alex schob die Bettdecke beiseite — Angst erfüllte mich kurz, bis er glücklicherweise meinen Verdacht bestätigte. »Wir, Zwei, werden heute für dich ein paar Kleider besorgen fahren.«, verkündete er munter und ging hinüber zum Ankleidezimmer.

»Was? Wieso?«

»Mein Bruder hat uns zum Essen eingeladen. Genau genommen mich, aber du wirst mich begleiten.«

Am liebsten hätte ich mich über diese Erinnerungen geärgert, aber stattdessen hakte ich nach: »Du hast einen Bruder?«

»Unglaublich, aber wahr.«, seufzte er.

Erstaunt hob ich die Braue und schob mich ebenfalls aus dem Bett. Alex öffnete seinen Schrank und holte sich bewusst Klamotten für den heutigen Tag heraus, sowie ich nur eben aus den Koffer, welcher nun auf einer niedrigen Bank vor dem Bett lagen. Ich hatte keine Ahnung, was ich getragen sollte und entschied mich einfach für etwas Simples und Schlichtes.

Alex hingegen bewegte sich auf die Tür zu und sagte dann das Unfassbare: »Schicke Unterwäsche, nebenbei.«

Meine Wangen fingen Feuer. In meinem Kopf lieferte ich mir selbst eine hitzige Diskussion, ob ich ihm nachrennen sollte oder nicht. Kurz verfluchte ich mich selbst und sammelte konzentriert meine Klamotten zusammen. Alex wusste, wie man Menschen aus dem Konzept brachte, was wahrscheinlich eine seiner vielen Verhandlungsmethoden war. Den Charm dafür hatte er durchaus so, als wäre er damit geboren.

Wissend, dass er vermutlich im Badezimmer verschwunden war, zog ich mich im Ankleidezimmer um, worauf ich ebenfalls ins Badezimmer huschte. Das stark riechende Aftershave lief einen fast ersticken, da es sich im Raum sammelte, obwohl ich zugeben musste, dass es gut roch. Ich hustet ein paar Mal übertrieben genug, damit er mich bemerkte.

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