Unsere Gruppe machte sich auf dem Weg zu de Zaun. Aus der Nähe betrachtet, wirkte da Ding geradezu übermächtig. Wie etwas, dass man auf keinen Fall überwinden konnte.
Das Gebiet war in Form eines U's eingezäunt und wir passierten die beiden größeren Arme. Der Beton um uns wollte uns verschlucken und nie wieder freigeben. Es war, als könnten sie dieses Gebiet nie wieder verlassen.
Sie marschierten auf ein großes Tor zu. Der Beton Schloss es ein. Es war hochpolierte und strahlte uns an, wie das Tor in eine neue Welt. Was es für mich auch irgendwie war. Wenn ich dieses Tor erst einmal passiert hatte, würde es nie wieder sein, wie es vorher war. Es würde sich alles ändern. So starrte ich auf seine kupferfarbenen Nieten, die in einer Kreuzform an jedem Torflügel angebracht waren.
Mit einem metallenen Geräusch glitten die Flügel langsam nach innen auf. Sie gaben Stück für Stück den Weg zu dem Gebäude frei.
Zwischen Tor und Zaun sah es noch größer auf. Es war noch furchteinflößender. Ich fühlte mich so fehl am Platz wie in meinem ganzen Leben nicht. Was sollte ausgerechnet ich in so einem Koloss von Gebäude?
Doch es half nichts. Wir durchschritten als Gruppe das Tor. Corab blieb an meiner Seite. Er drückte sich etwas näher zu mir, als er den Hals reckte, um besser zu sehen. Ich nahm mir an ihm ein Beispiel und beschloss mich nicht weiter einschüchtern zu lassen. Wenn ich in dieser Gruppe war, hatte das seinen Grund. Den würde ich nicht mehr in Frage stellen.
Ich recke meinen Hals in die Höhe. Das erste was mir ins Auge fiel, waren die Fenster des Gebäudes. Sie waren mit dicken Stahlstreben vergittert. Kein Einziges konnte einen freien Blick nach draußen geben. Der Putz der Wände war alt und bröckelte an kleinen Stellen bereits. Die Maschinen vor dem Gebäude waren hauptsächlich Wagen. Autos ohne Dächer und mit auffallend breiten Rädern. Gerade so als müssten sie in schweren Gelände fahren.
Die dicken Profile der Wagen ließen mich erneut stutzen. Doch bevor sich ein Folgegedanke bilden konnte, wischte ich ihn beiseite. Wie sollte ich die Prüfung überstehen, wenn ich jetzt schon so abgelenkt war?
Alles worauf ich mich noch konzentrierte war unser Weg. Ich musste da jetzt durch und ich würde versuchen, es so gut wie möglich zu schaffen.
Wir passierten die schwere Tür, die in den Bau führte. Gleißendes Licht umfing mich. Es war, als würde man in ein Bad aus hellem Weiß steigen. Einen Moment war es auch alles, was ich wahrnehmen konnte, bevor ich meine Augen zukneifen musste. Es war so hell, dass es sich in meinen Schläfen bohrte.
Unsere Gruppenleiterin hielt an. Wir taten es ihr gleich und bildete eine Runde um sie herum. Sie sah in unsere verkniffenen Gesichter. Ein Grinsen spielte um ihre Lippen und ließ sie etwas schelmisch wirken. „Daran gewöhnt ihr euch schneller, als ihr denkt. Wir brauchen es hier einfach heller als der Rest."
Ihr Grinsen verschwand von ihren Zügen. Corab stellte sich neben mich. „Wow. Einfach wow", stieß er aus.
Ich nahm mir die Zeit, mich einmal umzusehen. Er hatte recht. Das alles hier haute mich von den Socken. Wir befanden uns in einem Flur. Er war hoch. Die Decke onnte ich nur sehen, wenn ich mein Kopf in den Nacken legte. Rechts und links von uns befanden sich Säulen. Goldene Säulen. Sie verbreiterten sich oben und unten, warn sonst aber glatt und ohne Ornamente. Sie hatten etwas Erhabenes an sich.
Der Boden unter meinen Füßen zeigte ein kreisförmiges Mosaik aus gedämpften Gelbtönen. Es war, als würde ich über einen Boden gehen, der aus Licht gemalt war.
Unsere Gruppenleiterin beobachtete uns dabei, wie keiner von uns mehr still stehen konnte. Die Luft war voll von dem Duft nach Stahl und Schweiß. Es roch ein wenig wie in der Turnhalle nach einer Doppelstunde Sport und die Erkenntnis traf mich wie eine Ladung Steine.
„Willkommen bei der Sonnenpatrouille! Das hier wird euer neues zu Hause", rief unsere Leiterin aus, „Jedenfalls, wenn ihr nicht durch die Prüfung fallt. Habt ihr irgendwelche Fragen?"
Ein riesiger Kerl, an den ich mich nur am Rande erinnern konnte, erhob seine donnernde Stimme. „Wie die Kleine vorhin schon fragte, wie kommen sie auf uns?"
Während er redete, zeigte er mit dem Daumen auf mich. Trotzdem konnte ich gerade einmal seinen Rücken erkennen, der so breit, wie ich hoch war.
Die Gruppenleiterin machte einen Schritt auf uns zu und ließ die Arme sinken. Das Gold von Säulen und Boden, ließ sie beinahe wie aus Bronze gegossen aussehen. „Anhand der Daten von euerer Schule werdet ihr in vorgefertigte Gruppen gesteckt. Lasst euch nicht täuschen die Prüfung beginnt schon mit der Einschulung. Das hier ist die Gruppierung Sicherheit. Seit stolz drauf!"
Ich schluckte schwer. Die Sonnenpatrouille. Und ich hatte keine Wahl. Das würde mein neues Leben werden. Dennoch hob ich meine Hand und wartete nicht einmal darauf, ob sie mich herannahm oder nicht. Ich stand da mit erhobener Hand und stellte einfach meine Frage. „Wenn die Prüfung schon unsere ganze Kindheit ging, wozu dann noch die Prüfung?"
Die Gruppenleiterin drehte sich zu mir. Sie nahm mich ins Visier und mir wich sämtliche Farbe aus dem Gesicht. Meine Hand senkte sich von ganz allein. Das Herz schlug mir bis zum Hals.
„Die Schule sendet eure Daten an ein System, dass auch in die einzelnen Bereiche einteilt. Sicherheit, Handel, Transport und so weiter. Das bedeutet, wir bekommen nur eure Daten. Für welchen Beruf genau ihr euch eignet müssen wir immer noch herausfinden. Auch hier gibt es nicht nur eine Möglichkeit."
Ich nickte stumm und sah zu Corab. Seine Augen leuchteten nicht mehr, als nun auch seine Hand in die Höhe schnellte. „Sie sagten, wenn wir bestehen. Was bedeutet das?"
„Ganz einfach: Ihr schafft nicht, was von euch gefordert wird. Dann habt ihr noch einen Weg offen. Den will aber wirklich keiner."
Erneut musste ich an dem großen Kloß in meinem Hals vorbeischlucken. Wer sich bei der Prüfung für keinen Job eignete, musste in die Verbrennungsanlage. Dort wurden gewisse Dinge ... nun ja, verbrannt. Der Gestank soll höllisch sein und die Arbeit hart, bei einem absoluten Hungerlohn. Nein, das wollte ich auf gar keinen Fall. Lieber würde ich hier mein Glück versuchen. Meine Daten konnten doch nicht so sehr daneben liegen oder?
An diesem Punkt musste ich einfach hoffen. Auch, wenn ich nichts für die Patrouille mitzubringen schien, wollte ich wenigstens mein Bestes geben. Es sollte keiner behaupten, ich hätte es nicht einmal versucht.
Als sich keiner in unserer Gruppe mehr rührte, drehte sich unserer Gruppenleiterin wieder um. Sie blickte in Richtung des Flures, der noch vor uns lag. „Als erstes kommt die Befragung. Einer nach dem anderen wird sich einigen Fragen stellen müssen, die sich anhand eurer Daten auftun. Dann geht es weiter zu dem physischen Test. Wenn ihr beides erfolgreich hinter euch gebracht habt, kommt die Einteilung. Ihr kommt in euren Ausbildungstrupp. Dort lernt ihr alles, was ihr braucht. Danach folgt eure Ernennung und schon seit ihr dabei. Hört sich doch gar nicht so schwer an, oder?" Sie winkte über ihre Schulter, als wäre das alles ein Klacks.
Vielleicht war es wirklich einfach. Vielleicht machte ich mir wirklich umsonst einen Kopf. Das konnte gut sein.
Corab stupste mich in die Seite. Als ich in seine Augen sah, wurde ich etwas ruhiger. Er lächelte mich aufmunternd an. „Das packen wir doch mit links, Faye. Die Sonnenpatrouille kannst du es glauben?"
Nein, das konnte ich nicht. Aber ich war hier. Also musste ihnen ja irgendwas gesagt haben, dass ich hier her gehöre. Also nickte ich ihm zu. Je mehr ich mich hier umsah, ums mehr konnte ich auch glauben, dass ich hier war. Es rückte immer weiter in meinen Fokus, als wir durch schlanke Gänge schritten und in einen großen Raum gebracht wurden. Er war quadratisch mit strahlend weißen Wänden, die von einem ebenso grellen Licht angestrahlt wurden.
In der Mitte stand ein Tisch, wie in der Schule. Ein Stuhl stand davor und einer dahinter. An unserer Seite des Raumes reihte sich Stuhl an Stuhl. Sie waren alle auf den Tisch in der Mitte ausgerichtet.
Die Befragung würde also keine Privatsache sein. Wollten sie damit prüfen, wie wir unter Druck agierten?
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Ins Licht
AcciónFaye ist 19 Jahre alt. Sie sieht sich einem Umbruch in ihrem Leben gegenüber. Die Prüfung steht bevor und sie wird in ihre Berufsgruppe einsortiert. Doch was ihr neues Leben ihr bereit hält, hätte sie niemals gedacht. Aber was wird aus ihrer Familie...