Kapitel 11 Späher

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Die Zugfahrt neben Corab war angespannt. Er sah die meiste Zeit auf seine Schuhe. Selbst das Fenster neben ihm schien in keinen Deut zu interessieren. Erst beim näheren Hinsehen, fiel mir auf, dass seine Hände zitterten und er sie leicht aneinander rieb.

„Ist alles in Ordnung?", fragte ich ihn und legte meine Hand auf seine Schulter.

Er hob den Kopf und setzte sich gerade hin. Seine Schultern strafften sich. Ein kleines Lächeln stahl sich auf seine Lippen. „Ich weiß nicht. Das finde ich heute erst heraus."

Da hatte er recht. Heute würden wir erfahren, ob alles in Ordnung war. Wir würden lernen, was unsere neue Aufgabe sein würde. Da konnte ich seine Anspannung gut verstehen. In mir sah es nicht anders aus. Ich stellte mir die ganze Zeit die Frage, was ich wohl von jetzt an tun würde.

Mein Blick fiel auf seine Tasche. Sie war wesentlich kleiner als meine. Schwarz und kompakt stand sie auf dem Sitz neben ihm. Ich fragte mich, warum seine Tasche so klein war. Aber es wäre sicher unhöflich gewesen, ihn zu fragen. Also schwieg ich. Ich wollte auch gar nicht so tief in seine Privatsphäre eindringen. Vielleicht wollte er einfach vollkommen neu anfangen. Mit so wenig Ballast wie möglich.

„Wie war deine Abschiedsfeier?" Corab drehte sich erst nach einer ganzen Weile zu mir.

Ich dachte nach. Es war alles so seltsam gewesen. Irgendwie toll, aber auch schwermütig. Aber ich dachte, man könne ein Fest wie dieses nicht anders aufziehen. Es war ein Abschied, der sich als Party verkleidete. Vielleicht sollte es gar nicht anders sein. „Es war in Ordnung. Irgendwie komisch, aber auch toll."

Corab lächelte. „Ich weiß genau, was du meinst."

Die Bahn hielt vor dem Hauptquartier der Sonnenpatrouille an. Ich stand auf. Corab legte mir eine Hand auf dem Arm, als ich zum Ausgang strebte. „Faye?"

Ich wand mich zu ihm um. „Ja?"

Er räusperte sich mit der Hand vor dem Mund. Als er sie sinken ließ, war mir klar, dass es ernst war. Irgendwas schlich durch seinen Kopf. „Egal, was da heute passiert. Selbst, wenn wir in unterschiedliche Abteilungen kommen sollten. Ich bin für dich da, okay?"

Ich hielt inne. In meinem Kopf wurde es still. Es war, als hätte er ihn ausgestellt. Vor gestern hatten wir noch nie miteinander geredet. Er war erst in mein Leben geplatzt und auf einmal wollte er immer für mich da sein? Das war mehr als seltsam. Also nickte ich nur.

Ich hatte Angst, dass die Bahn gleich mit uns weiterfahren würde. Also drängte ich nach draußen. Corab folgte mir.

Wieder den Gebäudekomplex vor Auge schien mir das gerade geschehene in den Hintergrund zu rücken. Mir wurde übel. Da kribbelte etwas in meiner Magengegend, dass hinauf wollte. Ein Kloß bildete sich in meinem Hals.

Corab blieb neben mir stehen. Er sah zu dem Gebäude und seufzte. Sein Blick huschte zu mir. „Wir sollten gehen, bevor uns doch noch jemand in die Verbrennung wirft."

Sein übliches Lächeln hatte auf seine Lippen zurückgefunden. Das war mir wesentlich lieber als der ernste Ausdruck. Es wirkte leichter. Fühlte sich richtiger an. Zu Corab gehörte einfach ein Lächeln.

Wir beide nahmen all unseren Mut zusammen und ging in das Gebäude. Wir konnten eh nicht weglaufen. Da konnten wir auch gleich hinein gehen und schauen, was passierte. Erneut stach das helle Licht in meinen Augen. Ich war dieses grelle Leuchten nicht gewohnt. Musste mich erst darauf einstellen. Doch, als meine Augen sich beruhigt hatten, wirkte die Welt schärfer. Die Konturen waren klarer. Ich konnte jedes Detail meiner Umgebung sehen.

Im Vorraum von gestern standen bereits einige der anderen. Als ich genau hinsah, wurde mir klar, dass es beinahe alle waren. Nur Mickey und Brutus fehlten. Ansonsten waren sie alle wieder da. Alle mit stolz geschwellter Brust. Sie sahen alle so zufrieden aus. Kein Wunder der Großteil von ihnen hatte genau auf diese Stelle hingearbeitet. Es lag nichts mehr von dieser Melancholie in der Luft, wie noch im Zug. Kurz fragte ich mich, wie es wohl in den anderen Bereichen aussah. Ob die Prüflinge dort auch so zufrieden waren. Immerhin hatte ich nie jemanden sagen hören, wie gerne er in das Transportgeschäft einsteigen wollte. Oder etwas in der Art.

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