Kapitel 2

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PoV Rewi

Das war nicht gut. Es konnte gar nicht gut sein. Diese inneren Zweifel zerrissen mich fast. Es sollte nicht so sein. Es DURFTE nicht so sein. Ich hatte es gerade geschafft, mir bewusst zu machen, dass ich niemals schwul war, geschweige denn in meinen besten Freund verliebt. Und jetzt das. Nachdem ich ihn gerettet hatte, war Felix noch anhänglicher geworden, als er es vorher schon war und ich wurde in seiner Gegenwart zunehmend nervöser. Obwohl er sich normal benahm, warf er mir ständig diese bewundernden Seitenblicke zu, wenn er dachte, ich könnte ihn nicht sehen und es gefiel mir irgendwie. Und das war das Problem; eigentlich sollte ich mich einfach freuen, ihm so geholfen zu haben, aber seine Anwesenheit machte mich nervös und ich wusste, dass ich das nicht länger aushalten konnte. Er machte mich fertig, seine Art beruhigte mich einerseits, verwirrte mich aber andererseits auch wieder und diese Mischung war unerträglich. 

Ich hatte gedacht, ich wäre endlich über diese Phase hinweg, in der ich Felix... anziehend gefunden hatte. Aber nichts da, nach diesem Vorfall traf mich seine Nähe mehr denn je und rief mir alles wieder in Erinnerung. Warum konnte ich mich nicht einfach akzeptieren, wie ich war? Nein, das musste ich nicht, denn ich WAR ja gar nicht so. Das war nicht möglich, bei den Erziehungsmethoden meines Vaters. Obwohl? Vielleicht war er ja auch daran schuld? Immerhin hatte ich aus Trotz immer das Gegenteil von dem getan, was er gewollt hatte.

Flashback

Zusammengekauert saß ich in einer Ecke der Küche und hielt mir die Ohren zu. Krampfhaft versuchte ich den Streit zwischen meinen Eltern, die nebenan im Wohnzimmer waren, auszublenden und achtete dabei darauf, keine Geräusche zu machen, damit mein Vater nicht auf die Idee kam, mich auch noch zu schlagen, wie er es leider bei meiner Mutter in letzter Zeit öfter tat. Genau genommen, seit sie ihm erzählt hatte, dass ihr bester Freund, der manchmal bei uns zu Besuch war, schwul war. 

Niemand von uns hatte damit gerechnet, dass er auf diese Neuigkeit derartig reagieren würde. Es war beim Abendessen gewesen und meine Mutter hatte es ganz beiläufig erwähnt aber an diesem Abend war mein ganzes Weltbild zusammengebrochen. Meinem Vater waren die Gesichtszüge entgleist und er hatte meine Mutter entgeistert angestarrt. Dann war seine Hand ohne Vorwarnung auf ihre Wange nieder gesaust und der Schlag hatte sie fast vom Stuhl gestoßen. Geschockt hatten sich die Beiden angesehen, wobei sich in den Blick meines Vaters immer mehr Wut und in den meiner Mutter zunehmend Angst mischte. Schließlich war mein Vater mit einem Ruck aufgestanden und in seiner Raserei hatte er die Tischdecke mitsamt den Tellern und allem Anderen einfach rücksichtslos vom Esstisch gerissen. Dann hatte er angefangen zu brüllen. Ich hatte mein Zeitgefühl verloren und konnte nur noch wie paralysiert auf meinen Vater starren. 

Der Mann, dem ich immer alles anvertraut hatte, der immer für mich da gewesen war und der sowohl mich als auch meine Mutter immer in Schutz genommen hatte, stand hier in unserer Küche und schrie sich die Seele aus dem Leib, was sich meine Mutter einbilde, sich mit solchem Abschaum, wie er ihn nannte, abzugeben. Meine Mutter war immer mehr auf ihrem Stuhl zusammengesunken und hatte ihn panisch angesehen. Diese Reaktion hatte sie ihrem Ehemann wohl nicht zugetraut, da sie genauso überrumpelt wirkte, wie ich mich fühlte. 

An diesem Abend waren mir zwei Dinge klar geworden: Ich durfte nie, niemals schwul werden und ich hatte meinen Vater verloren. Und das waren definitiv keine angemessenen Gedanken für einen sechsjährigen. 

Seitdem hatte ich mich immer versucht, mich so weit wie möglich von diesem Thema zu distanzieren. Und jetzt hatte ich deswegen Selbstzweifel. Ich hasste meinen Vater dafür abgrundtief aber ich konnte auch nicht vom einen auf den anderen Moment komplett vergessen, womit ich aufgewachsen war; seit ich sechs Jahre alt war, hatte die erste Regel bei uns gelautet: Homosexualität wird mit Gewalt bestraft. Er hatte meiner Mutter den Arm gebrochen, als er erfahren hatte, dass sie weiterhin Kontakt zu ihrem Freund hatte. 

Wegen ihm hatte ich mir meine komplette Jugend selbst versaut; die Schranken in meinem Kopf machten es mir unmöglich, mich frei zu entfalten. Ich hatte mir alles Mögliche eingeredet und damit vermutlich selbst bewirkt, dass es kam, wie es kommen musste; ich hatte mich in Felix verliebt. Als ich diesen Satz so formuliert dachte, brach etwas in mir und mir wurde klar, dass jetzt der Punkt gekommen war, an dem ich mich zwischen meinem Vater und meinem Herz entscheiden musste. Der Punkt, vor dem ich mich mein ganzes Leben lang gefürchtet hatte.

Bissle längeres Kapi heute ^^

Und nur, damit das klar ist: Meine Meinung entspricht nicht der des Vaters! Ok hätte wahrscheinlich eh niemand gedacht, wenn ich solche Storys schreibe aber gut...

Bye


Rewilz - Herz über KopfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt