Königin der Piraten

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Wir stehen noch einige Zeit an der Klippe, bevor er sich verabschiedet. „Ich muss jetzt zur Queen Anne's Revenge. Blackbeard hat einen Plan, um mehr Piraten davon zu überzeugen Nassau zu schützen." Er drückt mir einen liebevollen Kuss auf die Stirn und wendet sich zum Gehen. „Vater? Vertraust du Mary Read?" Er bleibt stehen und dreht sich zu mir. „Sie spielt Spielchen, die ich gar nicht hinterfragen will, aber ich würde ihr mein Leben in die Hände legen." Ich nicke und er verschwindet in dem Grün.

Obwohl er mir alle meine Fragen beantwortet hat, nagt etwas in mir. Für mich steht es außer Frage, Nassau zu unterstützen und auszubauen, aber meine Crew muss ebenfalls hinter diesem Vorhaben stehen. Ich schaue auf die Schiffe in der Bucht und überlege, wie wir diese Männer davon überzeugen können, für etwas anderes zu leben, als sich selbst.

Meine Gedanken werden unterbrochen, als ich ein Rascheln hinter mir höre. Ich Wirbel herum und ziehe in der Bewegung meinen Säbel. Kidd kommt auf die Lichtung geschlendert und bleibt überrascht stehen, als er mich erblickt.

Meine Gedanken geraten kurz außer Kontrolle und ich verliere mich in seinem Anblick. Er trägt kein Hemd und es wirft mich kurzzeitig aus der Bahn. Selbst für einen Matrosen ist er ungewöhnlich muskulös. Die schwarzen Haare stehen ihm wirr vom Kopf ab und die blauen Augen stechen aus dem sonnengebräunten Gesicht.

"Joanna. Mit dir hätte ich eigentlich nicht gerechnet." Seine Worte reißen mich von seinem Anblick los. "Kennway ist doch schon längst wieder unten in der Taverne." Unruhig tritt er von einem Fuß auf den anderen "Hast du etwa Geheimnisse vor mir, Steuermann? Ruf die Männer zusammen, ich muss mit ihnen etwas besprechen."
Unschlüssig steht er vor mir, fährt sich mit der Hand durch die Haare und schaut auf den Boden. "Kidd, was ist los?" Schweigen. "Los rede mit mir. Was ist passiert?"

Als er immer noch nicht spricht, gehe ich auf ihn zu und greife an sein Kinn und zwinge ihn so mich anzusehen. "Was ist los?" Meine stimme ist bedrohlich leise.

Mit einem tiefen Knurren reißt er sich los und bringt etwas Abstand zwischen uns. "Joanna es ist.. argh. Ich... also.." ich verliere die Geduld "hör auf zu stottern wie ein kleines Mädchen und sag, was du zu sagen hast!" "Mary Read bittet mich, mit ihr zu segeln."

Das sitzt. Für einen kurzen Moment starre ich ihn einfach nur an, bis ich meine Stimem wiederfinde.

"Was?!" Empört laufe ich auf und ab, bis ich mich ihm wieder wutentbrannt zuwende. "Das kann nicht ihr Ernst sein!" Ich gehe an den Rand der Klippe und schließe meine Augen für einen Moment. Ruhig Joanna, jetzt darfst du nicht die Fassung verlieren. Ich atme noch einmal tief durch "hast du dich schon entschieden?" Ich stehe immer noch mit dem Rücken zu ihm und wage es nicht, mich umzudrehen.

Lange Zeit höre ich nur den Wind und glaube schon, dass er sich aus dem Staub gemacht hat, als ich ihn nah hinter mir spüre "ich weis nicht was ich tun soll. Sie bietet mir eine Menge, damit ich auf ihr Schiff komme." Ich schnaube verächtlich, dass kann ich mir vorstellen. "Aber du... du und ich, wir haben zusammen schon so viel erreicht und erlebt. Mein Herz hängt an der Nero Aquila und wir könnten noch so viel mehr schaffen."

Nun ist es an mir, zu schweigen. Diese Entscheidung darf ich ihm nicht abnehmen. Ich will, dass er aus freien Stücken weiterhin mein Steuermann bleibt. "Joanna, sag mir, was ich tun soll."
"Nein. Die Entscheidung liegt bei dir."

Ich drehe mich um und meine Nasenspitze berührt beinahe seine Brust. Ich will schon einen Schritt zurück weichen, als mir auffällt, dass ich direkt am Rand der Klippe stehe. Ich bin gefangen zwischen ihm und dem Abgrund.

Er macht keine Anstalten zurückzuweichen und so stehen wir nur da, direkt am Abgrund. Seine Brust hebt und senkt sich, ich wage es nicht aufzuschauen. Ich kann keinen klaren Gedanken fassen, sein Geruch vernebelt mir den Geist. Er riecht nach Meer, Salz und... ihr.

Plötzlich angewidert, lege ich meine Hände auf seine Brust und stoße ihn von mir. Er strauchelt und ist so überrumpelt, dass er beinahe das Gleichgewicht verliert. "Komm auf mein Schiff, wenn du dich entschieden hast." Ich sage es mit unterdrückter Wut und gehe eilig an ihm vorbei. Ich kämpfe mich durch das Gebüsch und mit den Tränen, die in meinen Augen brennen.

Blind stolpere ich den Pfad entlang und Richtung Strand, als mich eine Hand am Arm packt. Mein Herz macht einen hoffnungsvollen Satz, aber es sind nicht seine blauen Augen, die mich durchbohren.

In Reads braunen Augen sehe ich gehässige Freude, als sie mich in Richtung des Herrenhauses zieht. Ich wehre mich nicht, sondern versuche den letzten Rest meiner Würde zusammen zu sammeln und mich zu beruhigen.

Wir gehen die Treppe zur Veranda hinauf und durch die schwere Eichentür den Flur entlang. Sie schiebt mich in eines der prunkvoll dekorierten Zimmer und schließt die Tür.

"Was wollt Ihr von mir Read?" kraftlos lehne ich mich an die Wand und schließe die Augen. "Captain. Ich habe dich gesucht. Kidd hat schon mit dir gesprochen?"

Ihre Stimme trieft vor Hohn. "Ich denke wir beide wissen, wie er sich entscheiden wird. Ich meine, was kannst du ihm bieten?" Sie lacht auf.

Ich massiere meine Schläfen und lehne provokant einen Fuß an die Wand. "Eines vergisst du: wir haben uns zusammen einen Ruf gemacht, wir haben gemeinsam bei Nichts angefangen. Du überschätzt deine Fähigkeiten als Frau und als Captain."

Dann ist sie mir ganz nah, ihre Fingernägel drücken sich in meine Wange. "Es gibt nur eine Königin unter den Piraten, Mädchen! Und die bist nicht du. Niemals wirst du das erreichen, was ich erreicht habe und mir stärkt ein ganzer Rat von Piraten den Rücken. Und dir?" Ich halte meinen Blick stur auf ihre Augen gerichtet, auch als ich spüre, wie mir das Blut über meine Wange rinnt.

"Verschwinde aus Nassau und suche dir einen Mann und tue das, was brave Mädchen wie du tun." Sie drückt ihre Finger noch einmal in meine Wangen und katapultiert meinem Kopf gegen die Wand.

Kurzer Schwindel packt mich und mir wird übel. Ich höre sie lachen und das stachelt mich an. Ich greife in meinen Stiefel und fühle den Griff des Messers. Ich hole aus und grade als Mary an der Tür ist, lasse ich es durch die Luft schneiden und es bleibt wackelnd im Rahmen der Tür stecken. Nur wenige Fingerbreit von ihrem Gesicht entfernt.

"Königliche Hoheit" ich lege all meinen Hohn und Hass in diese Worte "ihr Thron ist in Gefahr. Ich würde die Augen offen halten."

Sie bleibt noch einen Moment stehen, bevor sie mit leicht zitternden Händen den Raum verlässt.

Die Anspannung verlässt meinen Körper und ich sacke in mich zusammen, mit einem tödlichen Lächeln auf den Lippen.

PiratentochterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt