Das dieser Flint krumme Geschäfte macht, sehe ich auf einen Blick. Die Kleidung die er trägt ist gut gearbeitet, für eine Insel wie diese aber viel zu protzig. Seine Aussprache ist sauber, aber man hört den derben Ton der Seeleute noch heraus. Viele würden ihn vermutlich wirklich für einen Händler halten, aber die Messer verraten ihn. Da ich nun seit Jahren Menschen gegnüberstehe, die nicht sind was sie vorgeben, fällt mir das Messer in seinem Stiefel zuerst auf, dann das unter seinem Hemd im Hosenbund und zu guter letzt trägt er auch noch ein kleines Wurfmesser an seinem Hut.
Er wirkt nicht besonders alt, obwohl sein dunkler Bart schon einige silberne Stellen aufweist, er hat eine kleine, schmächtige Statur und sein Gesicht wirkt scharfkantig, aber gepflegt. Seine blauen Augen sind intelligent, aber habgierig.
"Mr. Flint?" Ich erinnere mich an Harriets Unterricht und senke respektvoll den Kopf und spreche mit einer sanften Stimme. Er betrachtet mich abschätzig und nickt zum Zeichen, dass ich weitersprechen soll. "Mein Herr, ich bin in einer Notlage. Ich muss so schnell wie möglich Cat Island erreichen und wie ich hörte, habt ihr ein Ruderboot?"
Da ich all meiner Waffen beraubt worden war, kein Geld besitze und mir nicht anders zu helfen weiß, erscheint es mir am sinnvollsten, meine Not als Frau auszuspielen und zu hoffen, dass er Gentleman genug ist, mich gegen ein Versprechen dorthin zu rudern.
"Ich hörte bereits von euch. Anscheinend wurdet ihr hier zurückgelassen, nachdem ihr einen Mann angegriffen habt. Ihr scheint mir keine normale Frau zu sein Miss...?" "Joanna, nur Joanna." Ich wollte ihm nicht meinen Nachnamen verraten, denn vermutlich kennt er ihn und würde erkennen, wer vor ihm steht.
"Also Joanna. Ihr tragt Hosen wie ein Mann, schlagt zu wie ein Mann, sprecht aber wie eine Dame. Ihr seht ziemlich verwahrlost aus, eure Haare zersaust, eure Kleidung schmutzig und verzeiht, aber ihr müffelt." Ich werde rot vor Scham, lasse meinen Kopf sinken und meine verfilzten Haare fallen mir ins Gesicht. "Ich habe eine weite Reise hinter mir und bin über Bord gegangen, bevor ich hierher kam."
"Ich würde euch wirklich gerne helfen, aber wie es aussieht, könnt ihr nicht bezahlen." Er zuckt mit den Schultern und will sich grade umdrehen, als ich leise und schüchtern vorschlage: " Wie wäre es, wenn ich versuche eine Überfahrt zu gewinnen?" Als Frau gehört es sich natürlich nicht zu spielen, aber als Pirat schon und ich war eine Meisterin des Bluffs. Liar Dice wurde oft auf den Decks und in den Tavernen gespielt, man konnte sehr schnell sowohl sehr viel Geld gewinnen als auch verlieren.
"Ihr spielt, Miss?" Ich nicke: "Ab und zu hat mir mein Vater erlaubt zuzusehen." Das Glitzern in Flints Augen verrät ihn, aber er hält sich bedeckt: "Aber ihr habt nichts anzubieten Joanna. Ihr habt nichts, was ich mir nehmen könnte..." Er macht eine kurze Pause und ich weiß, was er nun vorschlagen wird und ich bereite mich auf das Laien Theater vor, dass ich ihm nun vorspielen muss.
"Naja, ihr könntet ja um euch spielen." Ich ziehe erschrocken die Luft ein und starre ihn aus großen, tränenverschleierten Augen an. "Es wäre ja nicht für ewig, vielleicht zwei Jahre eures Lebens als Einsatz bei diesem Spiel? Ihr könntet meine Magd sein, mich auf Reisen begleiten und für mein Wohlergehen sorgen." Bei den letzten Worten greift er mein Kinn und ich muss mich ermahnen, ihn nicht wegzustoßen.
Ich nehme meine Schultern nach vorne und täusche ein leises Schluchzen vor. "Wenn ihr erstmal gebadet habt, seht ihr vermutlich sogar ganz annehmlich aus..." Er dreht meinen Kopf von links nach rechts, bevor er mich wieder los lässt. "Also was sagt Ihr Joanna?" Ich versuche nicht zu zu grinsen, als ich nicke.
"Dann ist es abgemacht. Wir spielen Liar Dice nach den Seemann Regeln, kommt heute Abend wieder zu meinem Haus und bitte" er verzieht angeekelt das Gesciht "geht baden." Damit verschwindet er wieder in seinem Haus und ich gehe bedächtig die zwei Stufen herunter und halte dabei den Kopf gesenkt, für den Fall das er mich noch immer beobachtet.
Als ich wieder an der Taverne bin, kann ich mir das Grinsen nicht verkneifen. "Habt ihr Flint gefunden?" Die alte Bardame hat noch immer den schmuddeligen Lappen in der Hand und wischt über den Tresen, sonst ist niemand hier. "Habe ich und ich werde um eine Überfahrt spielen müssen. " Ich lasse mir nichts anmerken, denn diese Insel ist verdammt klein und sollte jemand mitbekommen, dass es mir nichts ausmacht, wird Flint misstrauisch werden.
"Liar Dice? Könnt ihr das denn überhaupt spielen?" Ich zucke unbedarft mit den Schultern "Ein wenig..." "Ich könnte mit euch eine Runde spielen, damit ihr nicht hilflos ausgeliefert seid. Als Einsatz könnte ich euch" Ich unterbrach sie "Ein Bad, wäre das ein möglicher Einsatz?" Die Alte schnaubt "Ein kaltes Bad." Ich nicke "Sollte ich verlieren könnte ich heute Abend nach meinem Spiel für euch arbeiten?" schlage ich vor und die Frau grunzt zustimmend.
Sie kramt unter der Theke zwei Becher hervor, in jedem sind fünf Würfel. "Vermutlich spielt Flint mit euch die Seemann Variante. Das wichtigste ist euch nichts anmerken zu lassen, sobald ihr eure Vermutung abgebt. Also, dann würfelt mal." Ich werfe absichtlich ungeschickt, sodass einer der Würfel auf den Boden fällt und bücke mich beschämt danach.
"Das macht nichts Mädchen. Also nochmal." Ich verliere absichtlich die ersten zwei Runden und spiele nun nur noch mit 3 Würfeln, aber meine Taktik geht auf " Vier dreien." sagt sie und ich hebe meinen Becher. "Ähm... fünf dreien." meine Stimme geht am Ende hoch, wie bei einer Frage und die Alte lacht leise. "Dann heb den Deckel." Genau das mache ich und auf dem Tisch liegen fünf dreien. "Glück gehabt Mädchen." Sie wirft einen Würfel in die Mitte.
So spielen wir weiter, bis ich nur noch einen Würfel und die Barfrau noch zwei Würfel hat. Mir ist das Risiko dieses Glücksspiel bewusst, aber lieber verliere ich, als jetzt haushoch zu gewinnen und meine Überfahrt zu gefährden. Gegen Flint werde ich augenscheinlich durchschaubar bluffen, meine angebliche Unerfahrenheit einsetzen und so schnell wie möglich gewinnen.
"Das gibt's nich. Das war knapp Mädchen, aber du hast tatsächlich gewonnen. Wenn ich dir noch einen Tipp geben darf: Lass dir deine Unsicherheit nicht anmerken, du musst so ausdruckslos wie möglich aussehen." Ich nicke und stehe auf, um mein wohlverdientes Bad zu nehmen.
Obwohl das Wasser nur sonnenwarm ist, ist das Bad herrlich. Ich spüle mir Schmutz, Schweiß und Salz von Haut und Haaren und die Frau, Beth, leiht mir sogar ihre Seife. In ein grobes Handtuch gewickelt, stehe ich nun in dem kleinen Waschraum und bürste meine Haare mit den Fingern. Sie sind viel zu lang geworden, reichen beinahe bis zu meiner schmalen Hüfte und ich beschließe, sie bei der nächsten Gelegenheit zu kürzen.
Ein Klopfen reißt mich aus den Gedanken: "Darf ich reinkommen?" Bevor ich antworte steht Beth schon vor mir und hält mir ein weißes Leinenkleid hin. "Das gehörte meiner Tochter, vielleicht passt es dir ja, dann kannst du es tragen, bis deine eigenen Sachen trocken sind."
Dankbar nehme ich das Kleid entgegen und bin trotzdem stutzig. "Wieso bist du so gut zu mir?" Sie lächelt und schüttelt leicht den Kopf "Ach Joanna, du bist ihm wie aus dem Gesicht geschnitten. Kürz die Haare und lass dir einen Bart wachsen und du siehst aus wie Edward." Ich klappe den Mund auf, ohne etwas zu sagen und Beth lacht nun laut auf.
"Aber was...woher...ich..." stottere ich und starre die alte Frau an. "Ich kenne deinen Vater schon ewig, schon als er noch ein Bursche war, grün hitner den Ohren und Vorlaut wie kein zweiter. Damals haben wir beide auf dem gleichen Schiff gearbeitet, ich als Magd und er als Matrose. Als er dann gemeutert hat, hat er mein Leben verschont und mich mitsegeln lassen. Ich habe lange in seinem Dienst gestanden, bis ich schwanger wurde und mich hier niedergelassen habe."
Es gibt noch viel, was ich gerne wissen würde, aber Beth dreht sich um und geht. Ich bleibe allein in dem kleinen Raum und ziehe mir das Kleid über. Es sitzt ziemlich gut, nur etwas kurz. Ich beschließe, Flint in diesem Kleid zu begegnen und hoffe, Beth macht das nichts aus. Ein Kleid, dazu noch ein reinweißes, unterstreicht meine Unschuld und mein weibliches Auftreten.
Nun bleibt mir nichts anderes übrig, als auf den Abend zu warten und zu hoffen, dass Beth die einzige ist, die meinen Vater und unsere Ähnlichekit erkannt hat.
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Piratentochter
FanfictionEs ist ihre Bestimmung. Ihr Vater hatte es nie gewollt und sie immer beschützen wollen und doch hat er sie zu dem gemacht was sie nun ist: Captain ihrer eigenen Crew, auf ihrem eigenen Schiff. Captain "Bloody" Joanna ist wie ihr Vater eine Legende...