"Tahil. Wir spielen jetzt seit 6 Tagen verstecken. Meinst du nicht, es wäre Zeit, dass ich auch lerne mit der Klinge zu töten?" "Nein." war die einfache Antwort auf meine Frage und schon war sie wieder verschwunden. Ich stöhne genervt auf und fahre mir durch meine Haare. Ich bin seit 23 Tagen auf Tulum und ich habe noch nicht einmal meine Klingen benutzt oder Wurfpfeile oder ein Blasrohr. Ich durfte auch mit keinem der anderen Assassinen auf der Insel Übungskämpfe absolvieren.
Ich habe noch nicht mit vielen von ihnen gesprochen, die meisten gehen mir aus dem Weg oder sind sehr wortkarg, sobald ich zu ihnen stoße. Tahil sagt mir zwar, ich soll mir nicht den Kopf darüber zerbrechen und dass es nach meiner ersten Mission besser werden würde, aber das macht meine Zeit auf der Insel sehr einsam und lässt mir zu viel Zeit zum Nachdenken.
Trotzdem habe ich Tahil versichert , dass mit mir alles in Ordnung wäre und ich nicht weiter über die Tatsache sprechen möchte, dass mein Vater mir zwei Kinder verheimlicht hat. Danach hat sie begonnen mir Gift zu verabreichen. Ich war die ersten zehn Tage damit beschäftigt nicht zu sterben und meine Immunität gegen das Gift wieder auszubauen. Tahil war gnadenlos und sobald ich keinen Schwindel oder Übelkeit mehr verspürt habe, hat sie mir eine neue Dosis verabreicht.
Mein Körper hat es mir heimgezahlt, indem er sich mir zwei weitere Tage verweigert hatte und ich grade mal meinen Arm heben konnte um die Karaffe an meine Lippen zu führen. Als ich wieder einigermaßen gut zurecht kam und Tahil zufrieden war mit meiner Immunität, hat sie mich quer über die Insel gejagt. "Entkommen in jedem Gelände und in jeder Situation", so hat sie es genannt. Zu meinem Glück sind meine Muskeln das Klettern gewohnt und auch die Höhe macht mir nichts aus, aber dann zeigte sie mir den Sprung.
"Also, Körperspannung und dann mit dem Kopf voran." Die Klippe von der aus wir ins Wasser sprangen war nicht besonders hoch, vielleicht 15 Fuß, aber das sollte nur der Anfang sein. Am Ende sprang ich aus 30 Fuß Höhe mit dem Kopf voran in die Wellen. "Gut, also das klappt ja schonmal. Dann werden wir das ganze mal auf Land verlegen." Ohne meinen heruntergeklappten Kiefer zu beachten, lief sie voran durch den Wald und war bald schon auf einem der Bäumen verschwunden und ich beeilte mich, ihr zu folgen.
"Das hier funktioniert genau so wie der Sprung ins Wasser, nur mit einer halben Drehung, damit du nicht Kopfüber in den Farnen landest. Es ist auch eher ein Ritual, denn ganz ehrlich: wo stehen schon Heukarren herum, in die man gefahrlos von einem Turm hüpfen kann?" und dann sprang Tahil einfach so 25 Fuß in die Tiefe, drehte sich elegant in der Luft und landete mit einem dumpfen Aufprall in den Farnen.
Als sie herausgeklettert war, gab sie mir ein Zeichen. Ich spannte meine Muskeln an, sprach eine letzte Bitte an Calypso und sprang. Die Luft zerrte an mir und Panik stieg in mir auf, als der Boden immer näher kam, aber ich drehte mich rechtzeitig und landete in den Farnen. Der Aufprall fuhr mir durch den Körper, aber es war nicht schmerzhafter als die Gift Tortur und als ich mich aufrappelte und meine Kleidung abgeklopft hatte, strahlte Tahil mich an.
Aber nun, nachdem ich tagelang über die Insel gesprintet war und immer wieder Tahil und ihre oder meine Sachen wiederfinden musste, ist die Euphorie über den gelungenen Todessprung lange verflogen. Missmutig schleiche ich also durch das dichte Grün und bin mit den Gedanken weit weg, als ich plötzlich ein Gewicht auf meinem Rücken spüre und ein Stich in meinen Hals mir verrät, dass Tahil mich schon wieder geschlagen hat. "Du wirst nachlässig. Konzentrier dich und nutze deine Sinne!"
Das Gift pumpt durch meine Adern, aber anstelle der Übelkeit, die mit einer Überdosis einhergeht, fühle ich mich wacher und meine Sinne scheinen alles in meiner Umgebung aufzusaugen. Meine Sicht schärft sich und der Geruch von einem toten Kadavar dringt in meine Nase, ich höre selbst den leisen Herzschlags Tahils, die immer noch auf meinem Rücken hockt.
Mit meiner neu gewonnenen Energie werfe ich sie ab und drehe mich blitzschnell um die eigene Achse, um ihr dann die Beine wegzuziehen und sie auf dem Boden festzunageln und ihr ein imaginäres Messer an die Kehle zu halten. "Ich bin zwar unkonzentriert, aber die Situation habe ich trotzdem unter Kontrolle." sage ich selbstzufrieden, aber meine Mentorin schüttelt nur abfällig den Kopf. "Wäre es ein Messer gewesen und kein Giftpfeil, wärst du längst tot."
Ich stehe schnaubend auf und reiche ihr die Hand um ihr ebenfalls auf die Füße zu helfen. "Na gut, ich mache dir einen Vorschlag: Wenn du mich jetzt findest, ohne das ich dich bemerke, darfst du kämpfen." Ich muss mir ein Grinsen verkneifen als ich nicke und Tahil seufzt ergeben und verschwindet im Farn. Ich zähle in meinem Kopf langsam bis 10 und erklimme dann sofort den nächsten Baum.
Mit dem Gift, das durch meine Adern pumpt wird es viel einfacher sein Tahil zu finden. Ich rieche ihren Schweiß und ich schleiche durch die Bäume wie ein Puma auf der Jagd. Ich lausche einen Moment und schaue mich um, aber noch ist Tahil nirgends zu sehen, also springe ich von der Astgabel auf den nächstgelegenen Ast und setze meinen Weg fort. Ich höre ein leises Knacken und bleibe wieder wie angewurzelt stehen. Mein Blick huscht umher und nimmt jedes Rascheln in den Farnen war.
Plötzlich blitzt etwas braune Haut aus dem Grün und siegessicher setze ich zum Sprung an. Ich lasse mich lautlos fallen und setze mit dem Fuß auf dem Rücken meiner Mentorin auf und drücke sie so zu Boden. Die Luft wird ihr aus den Lungen gepresst und sie gibt ein schmerzerfülltes Stöhnen von sich. Erst da bemerke ich, dass es nicht Tahil ist.
Der Rücken ist zu breit und zu nackt, das Stöhnen zu tief. Blitzschnell dreht sich mein unbekannter Gegner auf den Rücken und will nach meinem Fuß greifen, als ich ihm auch schon das Knie auf die Brust setze und meine Hand auf seinen Kehlkopf drücke. Meine Haare fallen mir ins Gesicht und nehmen mir kurzzeitig die Sicht aber die Worte, die gepresst aus dem Mund meines Opfers kommen, lassen mich sofort erstarren: "Guten Tag junges Fräulein, was verschafft mir die Ehre?"
Als hätte ich mich verbrannt springe ich hoch und lasse von Nastergal ab, stehe nun wie erstarrt neben ihm und beobachte ihn dabei, wie er sich den schmerzenden Kehlkopf reibt. "Joanna, was ist...?" Tahil kommt aus den Farnen gestürzt und greift nach meinem Arm, bevor sie meinem Blick folgt und eben so erstarrt wie ich. "Hallo Tahil, es freut mich dich wiederzusehen."
DU LIEST GERADE
Piratentochter
FanfictionEs ist ihre Bestimmung. Ihr Vater hatte es nie gewollt und sie immer beschützen wollen und doch hat er sie zu dem gemacht was sie nun ist: Captain ihrer eigenen Crew, auf ihrem eigenen Schiff. Captain "Bloody" Joanna ist wie ihr Vater eine Legende...