Das, in dem sie ihn mit heim nimmt

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Als was wirst du mich vorstellen?"

Jules zuckte mit den Schultern. „Du bist ein Freund. Auch wenn sie es nicht glauben werden", gab sie von sich. Es war schwierig, denn bislang hatte sie nur einen Jungen mit nach Hause gebracht und von ihm war niemand überzeugt gewesen. Am Ende hatte sich herausgestellt, dass auf ihn ohnehin kein Verlass. Man sprach nicht mehr darüber und fast erschien es als hätte es ihn nie gegeben. Eigentlich hat es ihn auch nie gegeben. Man hatte ihn einfach vergessen.

„Ein Freund?", wiederholte Liam und Jules nickte. „Ja. Als was sollte ich dich sonst vorstellen?"

Nun war es an Liam mit den Schultern zu zucken. „Na siehst du", kommentierte sie seine Geste.

Jeder Kilometer, der sie näher brachte, ließ ihre Nervosität steigen. Zwar hatte sie ihrer Mutter eine Nachricht geschrieben, dass sie jemanden mitbringen würde, aber um wen es sich handelte hatte sie verschwiegen. Nicht, dass sich irgendjemand dafür interessieren würde, dass Liam ein Popsternchen war. Weitaus interessanter war die Frage, ob er ihr fester Freund war oder nicht. Da sie nicht wollte, dass dies bereits im Vorfeld diskutiert wurde, blieb sie vage bei der Frage, wen sie mitbringen würde.

Schließlich tauchte das Haus ihrer Großmutter auf. Jules setzte den Blinker und parkte den Wagen auf dem weitläufigen Hof ihrer Großeltern. Sie lehnte sich im Sitz zurück und sah zum Wohnhaus. Vielleicht war es doch keine gute Idee Liam mitzubringen, schoss es ihr durch den Kopf. Allerdings konnte sie ihn schlecht im Auto einsperren.

„Auf in den Kampf", murmelte sie leise, schnallte sich ab und öffnete die Tür. Mit einigen Sekunden Verzögerung tat Liam es ihr gleich. Die Türen fielen zu. „Es ist schön hier", stellte Liam fest, während Jules ihre Tasche vom Hintersitz nahm. „Hm-mh."

„Bist du hier aufgewachsen?"

Jules nickte leicht. „Ja", sagte sie leise und schritt auf das Wohnhaus zu. Es standen bereits zahlreiche Autos auf dem Hof und aus dem Garten war Kinderlachen zu hören. „Wir sind wohl die Letzten", murmelte sie und ging im Kopf die einzelnen Autos durch und wer mit welchem angereist war.

„Was?", fragte Liam und sah sie fragend an. „Nichts", kam es von Jules, die ihn ansah. „Na komm! Stellen wir uns dem Verhör." Sie griff nach seinem Arm und zog ihn mit sich hinter das Haus in den großen Garten, wo ein großes Partyzelt errichtet worden war um den Gästen Schutz vor der Sonne zu bieten. Fröhliches Geplauder gepaart mit Kinderlachen wehte zu ihnen herüber.

„Sind die alle mit dir verwandt?", fragte Liam leise, der sich ein wenig im Hintergrund hielt. Sein Blick war aber fest auf die zahlreichen Kinder gerichtet, die sich um einen kleinen aufblasbaren Pool geschart hatten. Jules lachte leise und nickte. „Ja. Die sind alle mit mir verwandt", bemerkte sie schmunzelnd und zog ihn mit sich auf ihre Großmutter zu, die sie zwischen den Gästen entdeckt hatte. „Es wäre schöner gewesen, wenn wir die Ersten gewesen wären. Das hätte es für sie einfacher gemacht", sagte sie leise an Liam gerichtet, der sie nur fragend ansah. Jules schüttelte den Kopf und murmelte ein: „Später." Er nickte und im nächsten Moment umarmte Jules ihre Großmutter, die glücklich lächelte und ihrer Enkelin den Rücken tätschelte.

„Oma, das ist Liam", stellte sie dann ihre Begleitung vor. Liam räusperte sich und brachte sein mühsam innerhalb von Minuten gelerntes „Alles Gute zum Geburtstag" hervor, was Jules leise lachen ließ. Sie erklärte ihrer Großmutter, woher sie Liam kannte und das er für das Wochenende spontan zu Besuch sei.

Ein Lächeln legte sich auf die Züge ihrer Großmutter und sie nickte schwach. Sie würde später der alten Dame noch einmal genau erklären wer Liam war. Bis dahin würde sie nun jeden nach Liam fragen und falsche Informationen verbreiten. Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch betrachtete sie die grauhaarige Frau, die ihre Aufmerksamkeit wieder den Kindern zuwandte und immer wieder mit einer harschen Stimme anmerkte, dass sie vorsichtig sein sollten. Seit einigen Monaten war ihre Großmutter zunehmend verwirrter geworden. Sie verwechselte ihre Kinder und Enkelkinder miteinander. Aber auch einfache Ereignisse brachte sie durcheinander. Vieles musste man mehrfach erzählen, damit sie es verstand. Es war schwierig und anstrengend.

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