Das, in dem sie sich damit abfindet

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Sie lauschte den regelmäßigen Atemzügen des Mannes, der ihr gegenüber saß und konzentriert ihren ersten Monatsbericht las. Anspannung ließ sie nur schwer ruhig sitzen und sie musste sich zusammenreißen um nicht ständig mit den Fingern auf der Lehne ihres Stuhles herumzutippen. Seit fast vier Wochen befand sie sich nun schon der Firma von Peter Ostermann. Wie sich herausstellte suchte er nicht nur jemanden für die Büroarbeit, sondern bot auch einen nicht besetzten Ausbildungsplatz an, den Jules - gedrängt von ihren Eltern - annahm. Nun verbrachte sie den Tag damit Termine mit Landwirten zu vereinbaren, die das Lohnunternehmen in Anspruch nahmen. Zwar war es in den Wintermonaten eher ruhig. Die große Zeit der Ernte lag längst hinter ihnen und inzwischen ging es nur noch darum die Felder für den Winter zu bestellen, aber auch dies ließ langsam nach. Der erste Frost war bereits eingetreten und nun lagen die Felder brach.

Die Büroarbeit aber lag alles andere als brach. Die vergangene Saison wurde analysiert. Maschinen wurden auf Schäden überprüft und in Werkstätten repariert. Jeden Tag trudelten neue Rechnungen ein, die bearbeitet werden mussten und Jules versank in einem Berg aus Papier. Es war keine sonderlich anstrengende Arbeit Rechnungen zu sortieren oder in Umschläge zu stecken um sie zu frankieren. Ihr blieb genug Zeit um sich wegzuträumen. Mal befand sie sich in einer fantastischen Welt, die ihr eines ihrer Bücher eröffnete oder sie kehrte zurück nach Mittelerde, wo sie bereits als junges Mädchen zahlreiche Abenteuer erlebt hatte. Tagträume, die sie zurück nach London führten oder ihr eine andere Zukunft aufzeigten, mied sie und verdrängte sie schnell wieder. Sie musste anfangen mit beiden Füßen im Leben zu stehen. Dies hatte auch ihr Vater immer wieder gepredigt und letztendlich hatte sie sich seinem Willen gebeugt.

„Das klingt gut." Herr Ostermann ließ das Blatt Papier sinken, griff nach einem Stift und unterzeichnete den Monatsbericht, den Jules angefertigt hatte. Er schob es Jules zu, die es entgegennahm. „Danke. Es hat Spaß gemacht ihn zu schreiben", gab sie von sich und war im Begriff sich zu erheben, aber mit einer Handbewegung hielt Her Ostermann sie zurück.

„Warte doch noch kurz", sagte er und Jules ließ sich wieder auf den Stuhl sinken. „Für das nächste Jahr würde ich gerne eine Werbekampagne initiieren", begann der Mann mittleren Alters. Er verschränkte die Arme auf dem Schreibtisch und musterte Jules. „Bei unserem Vorstellungsgespräch hatte ich bereits erwähnt, dass unsere Auszubildenden relativ schnell Verantwortung übernehmen. Deshalb hätte ich gerne, dass du das Projekt überwachst und dich darum kümmerst."

Jules schluckte und musterte ihren Vorgesetzten aus großen Augen. „Sie meinen, dass ich mich um die Werbekampagne kümmern soll?"

Langsam nickte Herr Ostermann. „Ja. Natürlich nicht alleine. Frau Withut wird dir zur Seite stehen und dir helfen, wenn du Fragen hast. Aber die Hauptverantwortung liegt bei dir."

„Wow. Das ist... ist das nicht etwas früh?", sprach Jules ihre Bedenken aus. Immerhin war sie erst seit knapp vier Wochen im Unternehmen. Zwar hatte sie von der Werbekampagne gehört. Diese war ein offenes Geheimnis, welches unter den Mitarbeitern herumgetratscht wurde, aber dass sie nun damit betraut werden sollte, damit hatte sie nicht gerechnet. Schließlich war sie noch neu und kannte bislang nur grob die Abläufe. Auf der anderen Seite empfand sie es als große Ehre bereits jetzt damit betraut zu werden.

„Nein. Ich bin überzeugt, dass du in der Lage bist das Projekt zu stemmen. Du hast bereits Erfahrungen in der Werbung und wirst sicherlich nach einer kurzen Einarbeitung alles meistern können."

Jules nickte schwach und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. „Ich bin ein wenig überrumpelt", gestand sie, woraufhin Herr Ostermann schwach lächelte. „Du kannst dir bei Frau Withut alle nötigen Informationen holen. Sie weiß bereits Bescheid." Er erhob sich aus seinem Stuhl und Jules tat es ihm gleich. „Viel Erfolg, Jules, und wenn du Fragen hast... fragen!"

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