„Du wolltest mich küssen. Warum?"
Weil er glaubte sich dadurch besser zu fühlen.
Weil sie einfach so unglaublich süß ausgesehen hatte.
Weil sie sein Herz aus dem Takt brachte.
Weil sie ihn schwach machte.
Weil es unzählige Gründe gab, weshalb er sie küssen wollte und es noch weitaus mehr Gründe gab, weshalb er es nicht tun sollte.
Aber kein Wort drang über seine Lippen. Er zuckte mit den Schultern und sah zu, wie Jules sich von der Couch erhob. Sie fuhr sich mit beiden Händen durch das Haar und drehte sich zu Liam um. „Liam, das geht nicht." Ihre Stimme war leise. Fast nur ein Hauchen. Sie schaffte es nicht ihn anzusehen, stattdessen starrte sie auf ihre Hände, die in ihrem Schoss lagen.
„Warum nicht?" Noch bevor er über die Worte nachgedacht hatte, waren sie ihm entwichen. Ihr Kopf schoss nach oben und Fassungslosigkeit lag auf ihrem Gesicht. „Weil du verdammt nochmal Vater wirst", kam es aufgebracht von ihr. „Da kannst du nicht einfach mit anderen rumknutschen."
Seine Mundwinkel zuckten. Rumknutschen. Nicht Rummachen oder ein anderes abwertendes Wort, sondern Rumknutschen, was fast schon unschuldig klang.
„Ich knutsche nicht einfach mit anderen rum", wehrte er sich gegen ihren Vorwurf. Denn er wollte sie küssen. Sie, die schon immer eine Ausnahme gebildet hatte.
Sie schüttelte ihren Kopf. „Nein. Und was war das eben?"
„Jules, du bist keine andere. Du bist Jules", sagte er als wäre das Erklärung genug. Als würde das zeigen, wie besonders sie war.
Sie schnaubte auf. „Und was macht das bitte für einen Unterschied? Ach, ich kenne ihren Namen also ist das was anderes", imitierte sie seine Stimme. „Das geht nicht."
„Wieso nicht?" Er verstand es nicht, wieso sie ihm nicht einfach den Wunsch erfüllen konnte. Es war doch nur ein Kuss. Einen Moment lang alles vergessen, so wie sie es schon einmal getan hatten.
„Liam, es ist besser, wenn du jetzt gehst."
Fassungslos sah er sie an und konnte nicht glauben, was sie gerade zu ihm gesagt hatte. „Was?"
„Du solltest zu Cheryl zurück. Sie braucht dich jetzt und das Baby braucht dich auch."
„Du wirfst mich raus?"
„Nein. Ich bitte dich zu gehen, bevor du etwas tust, was du bereuen wirst und was ich bereuen werde." Sie stand vor ihm und hatte die Arme um ihren Oberkörper geschlungen, als wolle sie sich selbst vor schlimmeren bewahren. Er betrachtete sie, versuchte etwas in ihrem Blick zu finden, was ihre Worte Lügen strafte. Aber da war nur bittere Entschlossenheit.
Langsam richtete er sich auf und fuhr sich durch das Haar. „Okay", entwich es ihm kraftlos. Er trat an ihr vorbei um seine Sachen aus dem Schlafzimmer zu holen. Viel hatte er nicht dabei gehabt, denn es war eine Kurzschlussreaktion gewesen hierher zu kommen.
„Jules", entwich es ihm als er auf dem Weg zur Wohnungstür am Wohnzimmer stehen blieb. „Es tut mir leid", sagte er leise und senkte den Blick.
„Ich weiß, Liam. Meld dich, wenn du angekommen bist, ja?"
Er sah auf und begegnete ihrem Blick. Ein sanftes Lächeln lag auf ihren Lippen und er nickte schwach. „Mach ich", versprach er leise, ehe er kurzerhand einen Schritt auf sie zumachte und sie in seine Arme zog. Er drückte sie fest an sich und verließ die Wohnung. Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss und er atmete tief durch. Es fühlte sich nicht richtig an zu gehen. Wieder gab es unausgesprochene Dinge zwischen Jules und ihm. Wieder hatte er die Schuld daran. Wieder nahm sie Reißaus, anstatt sich einfach hinzusetzen und darüber zu reden.
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Changing Directions
FanfictionIn Köln. Zurück in ihrem alten Leben muss Jules erkennen, dass sie mehr zurückgelassen hat, als ihr lieb ist und sie diesmal niemanden hat, der ihr den Rücken stärkt. In Los Angeles. Zurück auf der Bühne muss Liam erkennen, dass sein Traum m...