Mittwoch
31.05.2017Ich saß gegenüber von ihm, während er mir alle Details erklärte. Mit seinen Worten beschrieb er mich als seine Entdeckung. Seine Augen glänzten. Vielleicht war es kein Geschenk an mich, sondern er wollte nur Profit mit mir machen. Auch wenn ich daran zweifelte, mit mir Geld verdienen zu können. Wer war ich denn schon? Jedenfalls niemand den man nicht ersetzen konnte. Da gab es viele andere Mädchen, die genauso waren wie ich. Dazu musste man auch nicht besonders viel haben, braune Haare und grüne Augen reichten aus. Carlo würde meine Augenfarbe wohl nie wissen, während ich ihn ohne Probleme aus dem Gedächtnis heraus hätte zeichnen können. Das war aber nicht schlimm. Wie Benno gesagt hatte, ich war nur eine Übergangsmuse egal wie sehr er dies überspielte.
Die dritte Tasse Kaffee fand Platz auf dem Tisch vor mir. Seine Erzählungen waren recht interessant, doch selbst mein Verstand streikte um 4 Uhr morgens. Voller Aufregung hatte er mich aus dem Bett geholt, meinte es könne nicht bis morgen warten. Mit kleinen Augen hatte ich ihn gemustert. Bat ihn in ein paar Stunden zu kommen, da hatte er meine Hand schon gepackt, mich ganz nah an sich heran gezogen und sich neben mich gelegt. Mir wurde plötzlich heiß. Ich wusste was kommen würde, bevor er seine Lippen auf meine legte und ich machtlos wurde. Seine Hand, welche er an meine Taille gelegt hatte, zog mich immer noch näher an den Menschen vor mir, bis wir nach endlosen Minuten auseinander gingen. Seine Augen mich entsetzt anstarrten und er aus dem Bett aufsprang. Später saßen wir einfach nur da. Er sprach und ich hörte ihm zu."Und was ist nach all dem hier?"
Seine Augen wurden großer. Kurz schnappte er nach Luft, fing sich wieder und fuhr sich trotzdem unsicher durch die Haare.
"Wie meinst du das? Nach was?"
Er wusste was ich meinte. Er hatte nur keine Lust es zu verstehen. Und in manchem Momenten verstand ich ihn noch weniger, als ich es eh schon tat.
Oft kam er mir nah, nur um später noch mehr Abstand zu gewinnen. Er erzählte mir Geheimnisse, um sich später noch mehr in sich selbst zu verstecken. Er küsste mich, um Stunden nicht mehr mit mir zu reden.
"Was wäre, wenn ich dir sagen würde, dass du bereits gewonnen hast?"
War er geschockt oder warum sah er mich mit diesem nichtssagenden Ausdruck an? Seine Coolness verschwand mit jedem weiterem Atemzug mehr. Dann holte er Luft, lief um den Tisch herum und blieb hinter mir stehen, dort kniete er sich hinunter und schlang seine Hände um meinen Bauch. Bitte, lüg mich an.
"Naja, dann wäre wohl das Spiel vorbei. Du würdest bei VioVio beginnen. Ich würde mit Cro weitermachen und wir würden uns nur durch Zufall sehen. Hab ich denn schon gewonnen?"
Mit jeder Silbe wurde sein Tonfall leiser, unsicherer. Sein Atem kitzelte meinen Nacken. Meine Nackenhaare stellten sich auf. Wir hätten noch mehr als 18 Tage zusammen verbringen können. Ein wenig mehr als 18 Tage, in denen ich weiterhin seine Nähe hatte genießen hättr dürfen. Aber wenn es wirklich so offensichich war, dass ich ihn mehr als nur mochte, warum machte ich ihm denn etwas vor? Wahrscheinlich war es die Angst, welche mich betäubte, warum ich meine Antwort umschrieb.
"Was denkst du?"
Sein vertrauter Geruch schoss mir in die Nase. Meine Hand fasste nach seinem Arm. Er sollte nicht gehen. Wir hatten noch zu wenig Zeit miteinander verbracht. Ich wusste es war seine Unendlichkeit, aber konnte ich davon nicht ein winziger Teil
sein? Er musste mich ja nicht unbedingt lieben. Ich kam mit nur Freundschaft blendend aus. Es sollte nur so bleiben, wie es momentan war. Von mir aus hätten wir uns auch ein wenig entfernen können. Er hätte nur bleiben sollen."Wenn du mich fragst, dann hab ich schon lange gewonnen."
Ich schloss meine Augen und bemerkte wie er seine Hände von mir nahm. Ich würde ihn vermissen. Jede seiner kleinen Lügen, jede seiner Berührungen, jedes seiner Wörter.
"Dann sollte ich wohl gehen."
Langsam richtete ich mich auf, verließ den Barhocker, auf dem ich gesessen hatte und drehte mich zu Carlo um. Er war um so vieles größer als ich. Wir sahen uns in die Augen und plötzlich wurde mir alles zu viel. Ich fasste ihm am Kragen, zog ihn näher an mich und drückte ihm einen Kuss auf den Mund. Tränen füllten meine Augen, anstatt mich von sich wegzustoßen, legte er seine Hände an meine Wangen. Jetzt war das ganze Spiel vorbei, ich um 100€ ärmer und er hatte das was er wollte. Er hatte Recht gehabt. Genauso wie mein Bruder, den ich später anflehen musste mich bei ihm wohnen zu lassen. Ich war ein grauenhafter Lügner.
Verständnislos hielt mich Carlo in seinen Armen. Sah mich nach dem Kuss völlig schockiert an. Ließ mich langsam los. Seine Gedanken verschwanden.
"Es ist wohl wirklich besser, wenn wir ab heute verschiedene Wege gehen. Wir tun uns nicht gut."
Er sagte nicht, dass nun die Wette vorbei war und ich deshalb gehen sollte. Er sagte, dass wir uns nicht gut taten. Wir hatten uns besser kennengelernt und an einigen Tagen, hatte ich wirklich das Gefühl, dass wir uns perfekt ergänzten. Liebe macht wirklich blind. Wahrscheinlich lag er mit allem immer richtig. Immerhin war er da Star, ganz oben angelangt.
"Du hast recht. Am besten geh ich jetzt gleich."
Er nickte mir zu und verschwand in Richtung Wohnzimmer, während ich meine Sachen aus dem obersten Stockwerk holte, die Landschaft ein letztes Mal ansah und unsere Bilder betrachtete. Ich liebte jedes einzelne von ihnen. Bei einer Sache hatte ich allerdings gewonnen. Ich durfte mehr als eine Nacht neben ihm verbringen. Nicht mit ihm nur neben ihn, wir lagen lediglich nebeneinander und sprachen zusammen.
Der schwarze Benz von Carlo fuhr vor der Tür ab. Er meinte noch er müsse irgendwo hin, allerdings erst in drei Stunden.
Meine Füße trugen mich gesamt Gepäck nach unten. Ich ging all die Räume ein letztes Mal ab und bemerkte in der Küche ein einzelnes Nutellabrötchen und seine letzte Notiz an mich.
Ich hoffe es schmeckt.
Das hätte es sicher. Momentan ließ der Hunger allerdings auf sich warten. Denn er war weg und ich immer noch hier. Und eigentlich hätte ich noch 18 Tage mit ihm verbringen können.
Ich hätte lügen sollen.
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wunderschöne Lügengeschichten (Cro Ff)
FanfictionIn manchen Augen kann man sich verlieren. In seinen jedoch ertrank ich. Je länger man sie sich ansah, je mehr bemerkte man die Ehrlichkeit in ihnen, aber noch mehr erkannte man all seine Lügen. Jede einzelne Lüge stand für eine Besonderheit in seine...