SECHZEHN

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Freitag
02.06.2017

Manchmal ging alles so wahnsinnig schnell. Der Anfang, das was zwischendrin lag und auch das Ende. Es war alles so schnell gekommen und gleich schnell wieder verschwunden. Nur das danach war endlos lang. Die Umarmung meines Bruders, seine Worte, die mitfühlenden Blicke seiner Freundin, die Hände seiner Kinder welche an meiner Kleidung zogen und das auf der Couch sitzen. Ich saß da und betrachtete die leere Schüssel, in der einmal so viele Chips waren. Ich hatte so etwas noch nie erlebt. All das war neu. Ich hatte schon einen Freund, als wir damals auseinander gingen, ging  später allerdings alles normal weiter. Warum es dieses Mal anders war, wollte ich gar nicht erst wissen. Ich wollte keinen Gedanken mehr an ihn verschwenden, nicht auch nur mehr eine Sekunde.

Der Blick in den Spiegel genügte mir mehr als nur aus um diese Entscheidung zu treffen. Meine Haare waren nicht mehr als ein Vogelnest, meine Augen rot geschwollen und meine Lippen aufgerissen. Ich war ein Monster. Ich weinte doch nie. Meine Mom sagte immer ich wäre eine Maschine. Zumindest sagte sie dies, als ich seelenruhig da saß, nachdem mir Ludwig mein Herz heraus gerissen hatte.

Carlo hatte mich menschlicher gemacht.

Julian betrat langsam das Bad, sah mich misstrauisch an und stellte sich hinter mich. Ich schloss meine Augen, stellte mir vor er wäre Carlo, spürte seine Lippen auf meinem Hals, schlug ruckartig meine Augen auf und bemerkte das es alles doch nur Einbildung war. Meine Füße taten vom dem kalten Fliesenboden schon weh. Ich vergrub meine Hände in den Haaren. Julian dachte bereits, dass ich gestört sei. Mit jeder weiteren Tat verschlimmerte ich es nur. 

"Warum bist du gegangen?"

Ich sagte diese Worte und drehte mich zur selben Zeit zu ihm um. Die letzten Stunden hatte ich mir diese Frage gestellt. Wäre er geblieben, dann... dann wäre alles gleich gekommen. Es hätte gar nichts gebracht. Aber ich wollte die Wahrheit aus seinem Mund hören. Hatte er mich schon aufgegeben?

Die Stimmen von Luca und Erik kamen geschwächt durch die dünne Wand zu uns durch. Julian stand in meiner Richtung, drehte sich dennoch mit dem Kopf Richtung Türe. Eine Antwort wollte er mir nicht geben.

"Julian, bitte!"

Flehend sah ich ihn an, trat ihm einen Schritt näher.

"Sag mir ehrlich, kennst du ihn?"

Kannte überhaupt jemand diese Person? Er tat doch alles dafür, dass man es nicht tat. Er war, wie schon die Presse schrieb, ein Mysterium. Aber eines war er ganz sicher nicht. Er war nicht abgehoben. Er war einfühlsam, liebte die Musik und ich liebte ihn. Kennen tat ich ihn trotzdem nicht.

"Nein... auch wenn ich es gerne würde. Ich meine wer würde nicht gerne Cro kennen?"

Ich wollte die Situation ein wenig lustiger machen, deutete sogar schon ein Lachen an. Sein schockierter Blick ließ mich allerdings sofort verstummen. Wusste er nichts davon? Ich meinte er kannte ihn schon Jahre, warum hätte er es nicht bemerken sollen?

"Er hat es dir gesagt?"

Ich nickte, bekam kaum mehr Luft. Was hatte das alles zu bedeuten?

"Ich musste ihn regelrecht dazu zwingen es mir zu sagen und dabei hatte ich alle Beweise bereits schwarz auf weiß."

Meine Augen fingen an zu leuchten. Nun bestand die Möglichkeit, dass er mich doch ein wenig mochte, nur ein kleines bisschen.

"Sag mir nur warum du gegangen bist?"

Aber ich wollte nicht über ihn sprechen. Das einzige was ich wollte, war es ihn zu vergessen und die Wahrheit erfahren. Er wollte doch immer nur gewinnen.

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