Kapitel 3

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Kainan

Der ungewöhnlich helle Halbmond erleuchtete die Nacht. Unter seinen Schritten knackten kleine Ästchen, als er auf einem Waldpfad aus dem schattigen Schutz einer großen Eiche trat, deren Stamm er nicht mit beiden Armen umfassen könnte, wenn er esversuchen würde. Es roch nach Kamille, die in dichten Büschen zwischen den Wurzeln des Baumes wucherte. Eulenschreie drangen tief aus dem Wald an sein Ohr. Ebenso wie die für menschliche Sinne nicht wahrnehmbaren Bewegungen und Atemzüge aus dem Geäst der Eiche über ihm. Im Geiste zählte er drei... zwei... eins. Im selben Moment knallte ein großer, drahtiger Körper neben ihm auf den Weg. Von der Wucht des Aufpralls recht irritiert rollte sich der Körper vom Bauch auf den Rücken und hielt sich den Brustkorb. „Daneben", kommentierte Kainan trocken. Das leise „Schon wieder.", konnte er sich nicht verkneifen und er hörte ein wütendes Aufstöhnen. Der junge Mann neben ihm setzte sich langsam auf und schüttelte den Kopf. Bereits eine Sekunde später stand er wieder auf den Beinen. Seine grünen Augen blitzten in der Dunkelheit. „Musste das sein?! Ich glaub deinetwegen kann ich morgen meinen Bauch nicht mehr spüren Kai!", knurrte er sauer und verzog das das Gesicht. Seine kupferroten Haare lugten unter seiner braunen Umhangkapuze hervor. „Hab dich nicht so, Zach." War ja auch nicht das erste Mal, dass Zach versuchte ihm einen Schrecken einzujagen. Hinter ihnen zerbrach ein Zweig und eine zweite Gestalt kam auf sie zu. „Schön, dass du uns auch mit deiner Anwesenheit beehrst, Seth.", sagte Kainan laut ohne sich überhaupt umdrehen zu müssen. Seth ging an Zach vorbei, wobei er ihm breit grinsend auf den Kopf schlug. Seine blonden, fast schulterlangen Haare hingen ihm wirr ins Gesicht. „Dein wievielter Versuch war das heute Abend schon? Der vierte oder doch schon der fünfte?" provozierte Seth. Man könnte meinen, bereits rauch aus Zachs Ohren schweben zu sehen. Wäre er ein Drache, wäre Seth schätzungsweise nur noch ein qualmendes Aschehäufchen. Kainan bemerkte das Flimmern in Zachs Augen und stellte sich eilig zwischen die Beiden. „Kommt mal wieder runter!". Eindringlich musterte er sie abwechselnd. Wären sie nicht gerade Halbbrüder, hätten sie sich wahrscheinlich schon längst gegenseitig während einer ihrer Streitigkeiten umgebracht. Kaum drehte er sich weg hörte er Steh murmeln: „Ist ja nicht so, dass ich im Nachhinein immer derjenige bin, der den Trottel da wieder zusammenflicken darf, wenn eine seiner dämlichen Aktionennach hinten losgeht!" Verzweifelt versuchte Kainan nicht über Zachs noch grimmigeres Gesicht zu lachen. Er wandte sich von seinen Gefährten ab . Leichter Wind kam auf ließ die Blätter und Büsche rascheln und übertönte das Gezänke hinter ihm kurzzeitig. Er sog tief die Luft ein, genoss den waldigen Geruch... und stockte . Unter der normalen Witterung der waldtiere verbarg sich noch etwas anderes. Seine Gefährten hatten seine Anspannung bemerkt, traten zu ihm und das Aufblitzen ihrer Augen zeigte ihm, dass sie das gleiche wahrnahmen wie er. Sie witterten Blut. frisch, noch nicht abgestanden. Und definitiv menschlich.

Miranda

Sie erwachte an diesem Morgen bereits zum Sonnenaufgang. Der Traum hatte sie in der restlichen Nacht kaum schlafen lassen, sie wachgehalten während ihre Gedanken immer und immer wieder um die aufsteigenden Erinnerungengekreist waren. Sie zitterte noch immer, denn nie hatte sie einer dieser Träume derart heftig überfallen. Energisch schüttelte sie den Kopf. Was geschehen war, war geschehen, das konnte sie nicht ändern. Und das hatte sie schon sehr lange akzeptiert. Wieder etwas beruhigter schlug sie die Decke zurück und stand auf. Ihr Nachtkleid hing ihr zerknittert vom Körper und als sie mit den Fingern durch ihre Haare fuhr, ziepte es unangenehm. Sie fühlte sich übermüdet, zerstreut und schmutzig. Völlig in Gedanken zog sie sich um und verließ mit einem Beutel voller getrockneter Kräuter und einigen leeren Glasfläschchen die Hütte.

Die Sonne hatte ihren Höhepunkt bereits überschritten, als sie im Wald zwischen den dicken, knorrigen Wurzeln einer riesigen Eiche hockte. Mit einem kleinen Dolch aus fein geschliffenem Silber schnitt sie eine Hand voll Kamille aus der flächendeckenden Menge des blühenden Gewächses. Sie verstaute die weis-gelben Blüten in ihrem Stoffbeutel. Die Stängel ließ sie dran, da sie die Pflanzen zum Trocknen aufhängen wollte. Seit sie ihre Hütte verlassen hatte war sie die ganze Zeit über unterwegs gewesen, hatte kleine Besorgungen gemacht und einige Kräutergemische an einen Händler verkauft, der diese für sie in der nächst großen Stadt anbieten würde. Zwar hatte ihre Arbeit sie abgelenkt, doch langsam merkte sie wie es ihr aufgrund des Schlafmangels und der stetig warm scheinenden Sonne schwindelig wurde. Da die Eiche noch relativ nah am Waldrand stand, war ihr zu Hause wohl noch eine gute Stunde zu Fuß entfernt. Sie schob den Dolch in eine metallverstärkte Lederscheide, stand auf und folgte einem breiten Pfad tiefer in den Wald hinein.

Auf den Zehenspitzen stehend versuchte sie das letzte Kamillebündel an einem Stück Schnur aufzuhängen

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Auf den Zehenspitzen stehend versuchte sie das letzte Kamillebündel an einem Stück Schnur aufzuhängen. Breits ein Dutzend baumelte von den Holzbalken in verschiedenen Ecken ihrer Hütte; eine Hälfte im kleinen Wohnbereich, die andere hing über
ihrem abgetrennten Schlafplatz. Ihre Arme fingen an wehzutun und ihre Finger verhedderten sich mehrmals den Faden. Kaum hing auch dieses Bündel ließ sie die Arme erleichtert sinken und schüttelte ihre Füße. Die übrig gebliebenen Kamilleblumen häufte sie zusammen und zerrieb sie mit einigen Löffeln Honig und getrockneten Heidelbeeren zu einer dickflüssigen Masse gegen Halsbeschwerden. In luftdichten Fläschchen abgefüllt stellte sie das Gemisch in eins ihrer zwei, hauptsächlich bücherbelagerten, fast deckenhohen Regale. Bis auf einige wenige war ein Großteil der Bücher gar nicht ihrer, doch sie fand sie machten den Raum gemütlich und ließen ihn nicht so leer wirken. Sie öffnete das Fenster und frische Abendluft wehte hinein. Unter ihrer tannengrünen Tunika war ihr viel zu warm und ihre Beine waren vom Sitzen auf dem Waldboden schmutzig. Außerdem juckte ihre Haube langsam unangenehm an ihrer Kopfhaut. Kurz dachte sie nach , bevor sie einem Einfall nachgab. Mit einem zusammengeknüllten weißen Leinentuch verließ sie ihre Hütte und ging in die entgegengesetzte Richtung des Dorfes, am Bach entlang in die andere Seite des Waldes. Die Bäume standen hier dichter und der Bach machte eine kleine Kurve. Ihre Schritte waren vorsichtig um nicht über hervor stehende Wurzeln zu stolpern, die überall aus der Erde ragten. Zu ihren Füßen wucherte Heide auf den lichten Flecken im Moos. Ein extrem schmaler, ins Gras gelaufener Pfad schlängelte sich zwischen den Bäumen hindurch, eine Abzweigung des Waldpfades auf dem am Nachmittag von der Rieseneiche aus zu ihrer Hütte zurückgegangen war. Sie hob einen langen Stock vom Boden auf, mit dem sie Büsche und tief hängende Äste aus dem Weg schob. Einige Minuten später lichtete sich das Dickicht, bis sie zwischen zwei dornigen Stachelbeerbüschen hindurch auf eine bereits recht schattige Lichtung trat, die fast komplett von einem wunderschönen klaren See eingenommen wurde. Die untergehende Sonne ließ das Wasser rot-orange funkeln, als würde der See brennen. Seerosen schwammen an der Oberfläche, deren rosa Blüten zu leuchten schienen. Etwas flüchtig sah sie sich um, horchte nach ungewöhnlichen Geräuschen, bevor sie aus ihren flachen Schuhen schlüpfte und die kurzen Träger der Tunika von ihren Schultern schob. Der Stoff fiel mitsamt dem Leinentuch, das sie mitgenommen hatte zu Boden. Unter der Tunika trug sie eine Art Mieder aus dunklem, grob gewebten Leinen, das ihr bis einen Finger breit unter die Brust reichte. Das Oberteil war seitlich mit weinroten Bändern zugeschnürt und innen mit weichem, weißen Baumwollstoff gepolstert, der durch die Lücken im Leinengewebe zu sehen war. Das gleiche Material bedeckte sie untenrum bis knapp unter dem Po, ebenfalls enganliegend und mit Bändern an der Seite zusammengehalten. Sie hatte sich diese Kleidung selbst genäht, da sie sowohl bequem, als auch praktisch war. Lediglich in dieser Unterwäsche bekleidet lief sie ans Ufer, wobei das Gras an ihren Fußsohlen kitzelte. Langsam watete sie ins Wasser, das ihr schon nach wenigen Schritten an den Oberschenkel reichte. Als sie bis zum Bauch im Wasser stand, sah sie sich nochmals um, bevor sie sich die lästige Haube vom Kopf zog und sie zu ihrem Kleiderstapel warf. Beinahe befreit fuhr sie mit den Fingern durch ihre zerzausten Haare und tauchte komplett unter Wasser. Sie genoss die angenehme Kühle, die durch ihre Haut drang und ihre angespannten Muskeln lockerte. Als sie auftauchte schüttelte sie den Kopf, sodass ihre fast bis zum Ansatz ihres Po's reichenden Haare kleine Wassertropfen spritzten. Auf dem Rücken trieb sie auf dem Wasser, streckte ihre Glieder und schloss die Augen.

Endlich ein neues Kapitel😂. Ich hoffe es gefällt euch. Seid gespannt wies weiter geht. Stimmt gern für meine Geschichte ab oder schreibt einen Kommentar 😊😘

Witches Soul *vorübergehend pausiert* #iceSplinters19 #WaveAward2019Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt