Kapitel 25

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Kainan

Gespannt verfolgte er mit, wie sich ihre faszinierenden, taublauen Augen zu Schlitzen verengten. Zwischen ihren hellen Augenbrauen bildete sich eine kleine Wutfalte. Dickköpfig schwieg sie und weigerte sich stur, ihm zu antworten. Wenn sie wüsste, dass sie ihn damit mehr als amüsierte, würde ihr dies sicherlich wie eine Laus über die Leber laufen. Sie wandte ihren Blick, um ihn auf einen Punkt hinter ihm zu richten. Störrisch schaute sie geradeaus, doch die aufgestellten, hauchfeinen Härchen auf ihren Armen verrieten ihm, dass seine kratzige Stimme und seine Lippen auf ihrem Gesicht, sie nicht halb so kalt ließen, wie sie es ihm Glauben machen wollte. Gerade dies steigerte seinen Spaß an dieser Situation und er lächelte an der weichen Haut ihrer Wange. ,,Ich warte.", sprach er provozierend, worauf sich ihre Mimik noch mehr verdunkelte. Erst presste sie ihre Lippen zusammen, doch anscheinend hatte sie keinerlei Interesse an einer weiteren Diskussion mit ihm, denn sie knickte ein. ,,Ich werde Euch beim Vornamen nennen, Kainan.", fauchte sie sie ihn an, was er als seinen ersten Erfolg deklarierte. Nur leider hatte er die wage Vorahnung, dass es nicht immer so leicht vonstatten gehen würde, sollten sie wieder aneinander geraten, wovon er stark ausging. Seit sie ihm die heftige Ohrfeige verpasst hatte, hatte er einen winzigen Blick hinter die Fassade der stillen, verunsicherten Heilerin werfen können und es war, als hätte sie ihm damit unbeabsichtigt auf eine subtile Art eine neue Facette ihrer Persönlichkeit gezeigt. Denn seitdem vermutete er, dass tief in ihr eine feurige Kämpfernatur schlummerte, welche nur selten zum Vorschein kam. Damit hätte er nicht gerechnet, aber es missfiel ihm keineswegs. Es machte sie in seinen Augen sogar zu einer noch einzigartigeren Frau, als er anfangs gedacht hatte.

Seine übernatürlich scharfen Sinne nahmen den blumig-beerigen Duft, welcher wie ein Aphrodisiakum von ihr ausging, intensiv wahr und er zwang sich, seine Gedanken etwas in den Hintergrund rücken zu lassen und zurückzutreten. Er durfte nun keinesfalls übermütig werden oder den vorübergehenden Waffenstillstand aufs Spiel setzen, wenn er an dem Versuch ihr Vertrauen für sich zu gewinnen, nicht scheitern wollte.

Es war nicht schwer zu erkennen, dass sie anders war, als alle Frauen, welchen er bisher begegnet war. Das weibliche, grazile Geschöpf vor ihm besaß eine fesselnde, ungemein anziehende Ausstrahlung und trotz ihrer unleugbaren Stärke erschien sie ihm zerbrechlicher als Glas. Einerseits war sie ihm gegenüber verängstigt und doch stellte sie sich ihm mit einer Unerschrockenheit entgegen, welche er nicht annährend mit den richtigen Worten beschreiben konnte.

Als sie und die Rothaarige, welche wie er nun wusste den Namen Dawn trug, einander in den Armen gelegen hatten, ging von ihr die pure Glückseligkeit aus. Es war, als leuchtete sie von Innen heraus. Ihm gegenüber aber standen ihr das Misstrauen und unsichere Wut auf die Stirn gemalt. Sie war wie Feuer und Eis, hitzig und eisig und damit zog sie ihn in einen obskuren Bann, dem er sich nicht entziehen konnte, ohne dass er eine Erklärung dafür hatte. Was er aber mit Sicherheit wusste war, dass er herausfinden musste, was es mit seiner Reaktion und seinem Interesse an ihr auf sich hatte. Etwas derartig vergleichbares war ihm noch nie wiederfahren. In dem Moment, als sie zu strahlen schien, sah er nicht etwa länger ein Problem in ihr, sondern ein fast magisch wirkendes Wesen, welches ihn gegen seinen Willen fesselte. Etwas in seinem Inneren, ein ungekannter Drang, schien sich danach zu verzehren, diese junge Frau bei sich zu haben, sie in seiner Nähe zu wissen. Dabei ging es ihm nicht einmal um intime Zweisamkeit, sondern viel mehr um eine Verbundenheit, welche er nicht nachvollziehen konnte und die ihm mehr Respekt einflößte, als er sich erklären konnte. Die wohlmöglich äußerst abwegige Abmachung sollte ihm die nötige Zeit verschaffen, um zu erfahren, was es mit ihrer Anziehungskraft auf ihn auf sich hatte und ob auch sie etwas vergleichbares in seiner Gegenwart verspürte. Vielleicht sogar ohne sich dessen bewusst zu sein. So seltsam es auch war, aber er verzehrte sich nicht nur körperlich nach ihr. Wie er sich zu seiner eigenen Verwunderung eingestehen musste, wollte er sie kennenlernen. Es war, als würde sie eine Maske tragen, die sie wie ein unsichtbares Schutzschild umgab, doch er wollte sehen, was sich darunter verbarg. Er wollte wissen, woher die Verängstigung, die Trauer und der gehetzte Ausdruck in ihren Augen kamen und warum sie so panisch und verschreckt war.

Witches Soul *vorübergehend pausiert* #iceSplinters19 #WaveAward2019Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt