Kapitel 5

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Er sah sie an, sie sah ihn an, sein Blick wanderte über sie, ihrer über ihn. Langsam drehte er sich in die Richtung seiner Gefährten, wobei ihm blonde Haarsträhnen unter seiner Kapuze in die Stirn fielen. Hektisch schüttelte sie den Kopf und blickte ihn verzweifelt an. ,, Ähm Kai, Zach ich glaube, das solltet ihr euch mal ansehen...", sagte er laut. Den Kerl innerlich verfluchend huschte ihr Blick herum, fand aber keinen geeigneten Fluchtweg, auf dem sie unbemerkt hätte weglaufen können. Da musste wohl doch die Flucht nach vorne herhalten. Kaum hörte sie, wie die beiden Männer näher kamen, zog sie ihr Handtuch enger, drückte ihre Sachen an sich und atmete tief durch. Keine Sekunde später trat sie fast geräuschlos hinter dem Baum hervor und nutzte den Moment der Überraschung um auf dem Trampelpfad so schnell wie möglich in den Schatten des nächtlichen Waldes zu verschwinden. Einige Momente danach merkte sie, dass ihr Vorsprung kleiner war, als erhofft. Diese Leute waren ungewöhnlich schnell... schon fast zu schnell für normale Menschen. Hinter einer scharfen Biegung musste sie einer dicken Wurzel ausweichen, die halb aus der Erde wuchs. Doch waren ihre Verfolger wohl weniger vorsichtig, denn einige Momente später knallte es dumpf hinter ihr. Und als sie weiter rannte, hörte sie nur noch ihre eigenen schnellen Schritte.

Kainan

Ächtzend kämpfte er sich unter Seth hervor, dessen komplettes Gewicht auf seine Brustkorb drückte. Unter ihm schnappte Zach nach Luft, der fast reglos dalag. Seth stütze sich beim Aufstehen an einem Baumstamm ab, während Kainan und Zach sich nacheinander aufrichteten. Kainan war versucht Zach gleich wieder umzuschubsen. Was stolperte diese Blindschleiche auch über eine verdammte Wurzel?! Als ob er seine Gedanken lesen könnte, betrachtete Zach eingehend seine Füße. ,, Tut mir leid, dass wir ihn meinetwegen verloren haben...", entschuldigte er sich. Seth stieß sich vom Baum ab und ging auf sie zu. ,, Wahrhaftig eine reife Leistung, Zachary.'', stellte er trocken fest, wobei er von Zach böse angeschaut wurde, der es hasste, wenn man ihn bei seinem vollen Namen nannte. ,, Wohl wahr", stimmte Kainan noch immer etwas wütend zu und fuhr sich durch seine dunklen Haare. Ein weiteres Problem konnten sie wirklich nicht brauchen. Warum musste dieser Junge ausgerechnet in dieser Nacht an dieser Stelle im Wald rumschleichen? Seths Kopf ruckte auf einmal in Zachs Richtung. ,,Warte, was hast du grad gesagt? " Verwirrt wiederholte dieser seine Entschuldigung. ,, Nein, das danach"
,, Dass wir ihn meinetwegen verloren haben?" ,, Ihn?", fragte Seth jetzt belustigt. ,, Ja ihn", entgegnete Zach deutlich irritiert. Auch Kainan verstand nicht, worauf Seth hinauswollte. ,, Was ist daran so lustig, Seth?". Der machte eine wegwerfende Handbewegung. ,, Nichts nichts. Ich bin scheinbar der einzige, der das bemerkt hat, was ihr zwei Dorftrottel wohl übersehen habt." Und diese Tatsache schien ihm sehr zu gefallen. ,, Jetz rück schon raus mit der Sprache!", forderte Kainan. Was sollten er und Zach denn jetzt übersehen haben? ,, Ach naja, es überrascht mich nur etwas, dass ihr ein hübsches Mädchen nicht erkennt, wenn es vor eurer Nase steht." ,,Seth ich glaub du hast dir einmal zu viel den Kopf angeschlagen, nachdem du vorhin durch die Büsche gefallen bist.", stellte Zach fest und sah seinen Halbbruder an, als hätte der versucht ihm weiszumachen, er wäre der König von England. Doch Seth blieb bei seiner Meinung. ,, Als ich durch den Farn gestolpert bin, konnte ich schräg zu ihr hochsehen. Sie hat mich angeschaut und panisch den Koof geschüttelt, als ich euch gerufen habe. Und sie hatte nichts an, außer einem lockeren Leinentuch und ihre Haare waren nass. Als hätte sie im See gebadet, bevor sie uns entdeckt hat." Das klang allerdings einleuchtend. Obwohl es Kainan schon sehr wunderte, dass er das nicht mitbekommen hat. Aber Seth wirkte so überzeugt, das auch Zach ihm zu glauben schien. ,, Naja, es war schon etwas komisch, wie schmal und klein der Körper des Jungen war, der vor uns wegrannte. Und die leisen Schritte...", dachte Zach laut. ,, Ich war nur irgendwie davon überzeugt, dass keine Frau dermaßen schnell rennen kann und sich im Wald so vertraut bewegt, als wüsste sie genau wo sie wann hinrennen muss, ohne nachzudenken." Da musste Kainan ihm rechtgeben. Er hätte das ebenso wenig erwartet. ,, Kannst du sie beschreiben, Seth?", fragte Kainan. ,, So halb, die Schatten haben sie größtenteils verdeckt. Vom Alter her denke ich sie ist vielleicht so 16-17. Sie hatte interessante Haare. Fast hüftlang und sie haben im Mondlicht irgendwie leicht bläulich geschimmert. Sie müssen irgendwie weißblond oder so sein. Die Augenfarbe konnte ich nich sehen. Sie war klein und zierlich, aber recht sportlich." Mehr konnte er auch nicht sagen. Aber immerhin etwas. Nur wie sollten sie sie finden? Sie durften nicht zulassen, dass jemand von dem erfuhr, was sie im Wald gesehen hatte. ,,Verdammt!", fluchte er laut. ,, Was machen wir mit dem anderen Mädchen? Seth, kriegst du sie wieder hin?" An das verletzte Mädchen, auf das sie gestoßen waren, hatte er während der kleinen 'Verfolgung' nicht mehr gedacht . Seth zuckte mit den Schultern. ,, Ganz ehrlich, keine Ahnung. Mein Wissen ist begrenzt. Ich glaube, wir brauchen einen richtigen Heiler. Wenn möglich einer, der keine Fragen stellt und schnell hilft." Das könnte schwierig werden. Hier in der Gegend gab es nur winzige Dörfer, wenige Menschen und noch weniger Heilkundige. So wie es aussah mussten sie auf gut Glück im nächsten Dorf nach einem Ausschau halten. Eine andere Möglichkeit hatten sie nicht. ,, Was denkst du, wie lange sie noch durchhält?", fragte Zach. ,, Wenn wir Pech haben, ist sie morgen tot. Wenn nicht vielleicht noch zwei bis drei Tage. Solange sich die Wunden bis dahin nicht infizieren." Und zum wiederholten Mal fluchte Kainan lautstark, während die drei zurück zu der Verletzten gingen.

Witches Soul *vorübergehend pausiert* #iceSplinters19 #WaveAward2019Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt