I.
Verdutzt sehe ich den Mann an.
Er ist nicht sonderlich groß, sehr schlank und lächelt uns, während auch er sich vom Boden aufrappelt, freundlich zu. Seine Haare sind verwuschelt und er klopft sich den Staub von seiner Jeans.
Ich kenne ihn. Seit meiner Kindheit begleitet mich seine Musik durch all die schweren Lebenslagen. Sie gab mir so oft Kraft und ich hatte immer wieder das Gefühl, als schreibt er sie nur damit ich nicht vom Weg abkomme.
Als ich Kind war, stand er mit seiner Familie auf der Bühne. Der gefeierte Frontmann einer erfolgreichen Band.
Ich konnte alle ihren großen und kleinen Songs mitsingen.
Später löste sich die Formation. Laut Medienberichten zog er sich zurück und ging für 6 Jahre ins Kloster um sich selbst finden. Ich fand diesen Schritt schon immer mutig. Sich von allem irdischen lösen und heraus finden wer man tatsächlich ist. Ich selbst irrte über Jahre hinweg durch die Welt ohne genau zu wissen wo mein Platz ist und was meine Aufgabe ist. Bis zu dem Tag an dem Marvin geboren wurde.
Seit einigen Jahren ist er nun Solo unterwegs und schreibt Songs die seine Geschichte erzählen und irgendwie auch meine.Und nun steht dieser Mann vor mir, staubig und mit einem schiefen Lächeln.
"Oh Gott! Ist bei dir alles in Ordnung? Es tut mir so Leid. Der kleine Wirbelwind ist so aufgeregt weil wir gleich zu seinen Lieblingstieren kommen. Und da ist es dann auch immer egal was Mama sagt. Ich hoffe du hast dir nicht ernsthaft weh getan!"
Innerlich fasse ich es immer noch nicht. Mein Kind rennt einfach mal so im Zoo Michael Patrick Kelly um."It's all good! Die Landung war vielleicht ein bisschen hart aber es gibt Schlimmeres. Ist mit dem Kleinen alles gut? Ich hoffe er hat sich nicht verletzt. Durch seine Geschwindigkeit war der Aufprall nicht ohne. Mir war gar nicht bewusst wie schnell so kleine Kinder sein können". Er lächelt uns immer noch freundlich an.
"Ja, ich glaube er hat sich nur erschreckt. So was passiert halt wenn man keine Ohren hat, nicht wahr mein Schatz?!", sage ich zu Marvin und küsse ihn auf die Stirn.
"Und dabei sind seine Ohren gar nicht soooo klein.", lacht Patrick frech.
"Ja, Ohren wie ein Elefant, aber benutzen will er sie nicht.", stimme ich mit ein.
Und in der Tat, hat Marvin verhältnismäßig große Ohren. Es nicht so, dass sie abstehen oder ihn lächerlich wirken lassen, aber proportional schon größer als die Ohren von anderen Kindern in seinem Alter.Wir lächeln uns zu und seine Art löst in mir eine wohlige Wärme aus, die ich schon lange nicht mehr gespürt habe.
"Wie heißt der kleine Mann denn eigentlich?", fragt er mich.
"Marvin.", antworten ich und füge hinzu: "und Liebling, du kannst dich bitte noch bei dem Mann entschuldigen, den du gerade umgerannt hast."
Marvin schaut mit großen Augen zu mir und dann zu Patrick. "Suldidung. Marvin hat nicht aufdepasst. Mama gehen wir jetzt zu den Elefanten, biiiitte?"
"Na dann Marvin, das nächste hörst du besser auf deine Mama. Weißt du, Mamas wollen immer nur das Beste für ihre Kinder und haben damit fast immer Recht.", zwinkert Marvin zu. Wie kann man nur die ganze Zeit so wundervoll lächeln?
"Hast du gehört was der Mann gesagt hat Schatz? Ab jetzt bleibst du bitte bei mir. Und jetzt ab zu den Elefanten!
Entschuldigung nochmal. Wir wünschen dir noch viel Spaß im Zoo.", sage ich zu Patrick.
"Danke euch auch."
Ich nehme Marvin an die Hand und laufe zum Gehege seiner Wünsche, immer noch fassungslos wen ich hier getroffen habe.

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Elefantenohr
Hayran KurguNie wieder wollte sie jemanden in ihrem Leben. Doch dann kam er, unverhofft, plötzlich...