Mit dem neuen gefüllten Grappaglas marschierte Becca zu Alessandro herüber, um sich das Bild selbst anzusehen. Wie sie jedoch feststellte lag es verkehrtherum auf dem Tisch, so dass sie es nicht sehen konnte.
Sie wollte danach greifen, doch Diego entzog es ihr mit einem spöttischen Grinsen.
„Na, na!", grinste er süffisant. „Was soll das denn werden?" Seine schmierigen Blicke wanderten an Becca herab und sie warf ihm einen ekelerregenden Blick zu.
Sie passte eine Sekunde lang nicht auf, da ergriff sie Alessandro an ihren Hüften und zog sie auf seinen Schoß. Kerzengerade blieb Becca sitzen, als er ihre Haare aus ihrem Gesicht wischte und sein Blick über ihr Profil ging.
„Lass sie, Diego. Sie will bestimmt nur schauen, wer diese dreckigen Schweine sind, welche meinen armen Bruder erschossen haben." Er winkte mit seinen Fingern das Foto herbei und Diego rückte es heraus. Alessandro reichte es Becca und ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. Langsam, beinahe wie in Zeitlupe, drehte sie das Bild in ihren Händen um.
Es war schlimmer als Becca erwartet hatte. Als ihr Blick auf das Bild fiel stockte ihr der Atem und alles in ihr verkrampfte sich schlagartig. Becca widerstand dem Drang ruckartig zu Liv herüberzuschauen, die wie angewurzelt an der Theke stand. Ihre Blicke trafen sich und nun wusste sie, dass sie Recht hatte. Es war tatsächlich Murphy MacManus auf dem Bild – wenn auch nur Schemenhaft. Man konnte ihn jedoch gut anhand seines Leberflecks über der Lippe erkennen. Und auch Connor, der direkt hinter ihm war, konnte man identifizieren, wenn man wusste wer er war.
Becca's Herz machte einen kleinen Satz, als sie noch einmal auf das Foto herabsah. Er sah genauso aus wie damals, als sie ihn zum letzten Mal gesehen hatte. Er sah genauso aus wie auf dem Foto von Liv, welches sie in ihrer Zigarettendose versteckt hatte.
„Und, Becky, kennst du ihn?", riss Alessandros Frage sie aus ihren Gedanken. Blinzelnd sah Becca zu ihm auf, doch schüttelte nur stumm den Kopf. Sie wies sich selber an die Fassung zu bewahren und keine unüberlegten Bewegungen zu machen.
Deshalb warf sie das Foto desinteressiert zurück auf den Tisch und zuckte gleichgültig mit den Schultern.
„Nö. Noch nie gesehen." Becca wollte aufstehen und zu Liv herübergehen, doch Alessandros Arm schlang sich fester um sie und drückte sich zu sich.
„Bleib doch noch ein bisschen, Becky", flüsterte er ihr ins Ohr und sie spürte seinen heißen Atem im Genick. „Tröste mich etwas."
Sie hasste es, wenn er sie Becky nannte. Nur ein einziger Mensch auf der Welt hatte sie so genannt und er würde der einzige bleiben, der sie je so nennen durfte.
„Ich heiße Rebecca", erklärte sie und schlug seine Hand augenblicklich von ihrem Oberschenkel.
Hastig stand sie auf und marschierte zu Liv herüber, die sie noch immer mit geschockt geweiteten Augen anstarrte.
„Es war Murphy, oder? Und auch Conner, hab ich Recht?"
Becca schwieg, denn sie musste überlegen, was das für sie bedeutete. Mit aufeinandergepressten Lippen wischte sie mit schnellen und ruppigen Bewegungen mit einem Lappen über die Theke.
„Becca", flüsterte Liv und schaute sie aus freudestrahlenden Augen an. Das dunkle Braun ihrer Iris funkelte förmlich, so glücklich war sie. „Sie leben. Und sie sind in Boston."
Sie griff nach Becca's Händen und umschloss sie fest. Sie begann breit zu lächeln. Das letzte Mal, als Becca sie so hat lächeln sehen, saßen sie gemeinsam mit den MacManus Brüdern in einer Bar.

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Brothers
Science FictionVor ihrer Zeit als die Heiligen verbrachten Connor und Murphy ihre Zeit mit den Schwestern Becca und Liv. Aufgrund ihrer neuen Karriere mussten die MacManus ihr altes Leben schweren Herzens und zum Schutz der Schwestern hinter sich lassen. Nun führt...