Kapitel 22 - Fortschritt

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Ich werfe einen kurzen Blick zurück und sehe unser brennendes Quartier in der Ferne, das von fremden Personen umstellt ist. Levi hat Recht behalten, dass wir sofort aufbrechen mussten. Bei dem Anblick steigt in mir die Angst, dass unser Plan scheitern könnte und wir ehe wir mehr über Erens Kraft herausfinden konnten, sinnlos von den fremden Angreifern ausgelöscht werden könnten. Eins steht jedenfalls fest, der Aufklärungstrupp hat sehr hohe Verluste, für die geringen Informationen, in Kauf genommen. Ebenfalls wissen wir noch viel zu wenig, um gegen die erste Zentralbrigade und die Mauersekte antreten zu können. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis alle Mitglieder von uns ausgelöscht sind, wenn wir nicht bald einen Weg finden, Erens Kräfte gezielt einzusetzen.

,,Serena, sieh nach vorne. Sonst reitest du noch gegen ein anderes Pferd oder wirst zu langsam!", durchdringen Jeans Worte meine Gedanken, während er neben mir reitet. ,,Danke...Ich war wohl zu sehr in meinen Gedanken vertieft!", sage ich, während ich das Tempo wieder erhöhe. ,,Was ist denn überhaupt passiert?", fragt Sasha. ,,Wir wurden im Quartier von einem Fremden überrascht. Er hielt mich fest und bedrohte mich im Gang mit einer Waffe, als Serena gerade das Zimmer verlassen wollte. Er zwang sie ins Zimmer zurückzugehen und schlug mich mit seiner Waffe bewusstlos. Danach weiß ich leider nichts mehr. Aber den Rest erzählen wir euch später. Wichtig ist es erst einmal den Bezirk Trost, wie von Kommandant Erwin befohlen, zu erreichen.", erzählt Armin und versucht die Neugier von Sasha und Jean zu stillen. ,,Ach komm schon, Serena. Wir haben gerade nichts Besseres zu tun! Wir wollen vorbereitet sein, falls sie es noch einmal wagen, sich uns zu nähern!", erklärt Hanji, die nun ebenfalls Interesse zeigt. Einen Moment spiele ich mit dem Gedanken darüber zu reden, diesen verwerfe ich wieder, sobald die Erinnerungen an den unbekannten Angreifer und seiner Leiche, auf dem Boden des Duschraums, wieder hochkommen. Zu gerne würde ich diese Erinnerungen löschen, leider bleibt mir dieses Glück verwehrt. Ich schüttele nur leicht den Kopf und reite vor zu Eren und Mikasa.

,,Seit wann trägst du denn Schlabber-Pullover?", fragt Eren. ,,Das...ist nicht meiner.", gebe ich zu. ,,Also Armin kann es nicht sein. Wem gehö-", beginnt Eren seinen Satz. ,,Eren!", unterbricht ihn Mikasa und rammt ihm sanft ihren Ellbogen in die Seite. ,,Au! Was sollte das denn?", fragt er überrascht und ich lache leicht über das Szenario. ,,Ist schon gut. Ich werde es nur unter einer Bedingung erzählen. Du musst die Person, die du am meisten liebst küssen. Richtig küssen und nicht flüchtig!", sage ich und lächele die beiden an. ,,W-Was?! Das kann nicht dein Ernst sein!", sagt Eren aufgebracht, während Mikasa leicht rot im Gesicht wird. ,,Wusste ich es doch, dass du kneifen würdest. Wie immer, wenn es Ernst wird. Dabei hättest du es einfach im neuen Quartier erledigen können!", füge ich hinzu und merke deutlich, wie Eren mit sich ringt. ,,Ich kneife niemals! Ich werde es tun. Sobald wir zurück sind!", sagt Eren entschlossen.

,,Was wirst du tun, Eren?", fragt Levi plötzlich und wirft einen Blick über die Schulter. ,,Er wird duschen gehen. Weil er glaubt, dass er stinkt!", versuche ich seine Neugier zu stillen. ,,Das ist doch nichts Neues. Willst du etwa mit Serena duschen, oder warum erzählst du es ihr?", fragt Levi monoton. ,,Nein, Hauptgefreiter! So meinte ich das nicht!", versucht Eren die Situation zu entschärfen. ,,Es ist mir egal, was ihr miteinander treibt. Nur behaltet den Scheiß für euch!", beendet er das Gespräch und richtet seinen Blick wieder nach vorne. Eren atmet erleichtert auf. Mich beruhigt Levis Antwort keineswegs. Wer weiß, was er nun über mich und Eren denkt. Die Wahrheit wäre ebenfalls nicht gut gewesen, da er sonst glauben würde, dass ich hoffe von Eren geküsst zu werden. Wir haben schon genügend Probleme, deshalb sollte er sich nicht zusätzlich darum sorgen.

Im Bezirk Trost steigen wir von unseren Pferden und werden nicht gerade herzlich empfangen. Die verzweifelten Bürger umzingeln uns und werfen uns, aus Frust, die üblichen Vorwürfe an den Kopf. Sie reden vor allem Levi ins Gewissen. Als er von einem wütenden Bürger am Kragen gepackt wird, schreit er plötzlich zu uns: ,,Hey! Passt auf!" In dem Moment wird der Tyrann übermütig und Levi befreit sich aus der misslichen Lage mit einem gezielten Tritt und Hieb. Ehe wir verstehen, warum er so aufgebracht ist, zerstreut ein Pferdewagen die Masse und die Insassen entführen Christa und Eren. Oder wohl eher Armin und Jean, die als Christa und Eren verkleidet sind. Die Entführer sind blauäugig in unsere Falle getappt. Wir folgen ihnen mit den 3D-Manöver-Geräten und enden auf einem Lagerhaus, in das wir uns heimlich reinschleichen, ehe es drei fremde Männer betreten. Sie planen gerade zu überprüfen, ob Armin und Jean wirklich Christa und Eren sind. Genau in diesem Augenblick stürtzt sich Mikasa auf den großen, braunhaarigen Mann, während sich Levi den großen Mann mit dem Schnurrbart packt und zu Boden wirft. In Windeseile sind Armin und Jean befreit und die Entführer gefesselt. Bis auf den Anführer, einen kleinen, dicken Mann mit Halbglatze, der nun von Mikasa auf den Boden gedrückt wird. Connie hält in der Zwischenzeit mit mir vom Dach aus Ausschau. Als sie das Gebäude verlassen folgen wir ihnen. Levi führt den Glatzkopf zum ehemaligen Eigang von Trost. Genau über den Punkt, an dem Eren damals als Titan das Loch stopfte.

Die anderen Truppenmitglieder, bis auf Eren und Christa, lauschen dem Gespräch. Es stellt sich heraus, dass der Glatzkopf Dimo Reeves, der einflussreichste Mann in Trost ist, aufgrund seiner Firma. Um seine Angstellten und deren Angehörigen zu retten, schlägt Levi einen gewagten Deal vor. ,,Ganz genau. Ich gebe euch Eren und Christa.", ertönt Levis Stimme und schockiert mit seinen Worten besonders Mikasa, Connie und Sasha. Ich bin nicht überzeugt von seinen Worten und warte ab, ob er noch etwas hinzufügen möchte. ,,Aber nur unter drei Bedingungen! Erstens. Die Firma Reeves stellt sich ab jetzt auf die Seite des Aufklärungstrupps und gegen die Zentralbrigade, die königliche Regierung und das Gesetz. Zweitens. Die Firma Reeves hat ab jetzt uneingeschränktes Vertrauen zum Aufklärungstrupp. Drittens. Ab sofort beliefert die Firma Reeves bevorzugt den Aufklärungstrupp mit den seltenen Lebensmitteln und Luxusartikeln. Zum Beispiel mit Tee. Dimo druckst ein Wenig bis Sasha ihm zuspricht, den Deal anzunehmen. Ihm scheint Levis direkte Art zu gefallen und willigt letztendlich ein. Ob man seinem Wort glauben schenken kann wird sich herausstellen. Jedenfalls haben wir nun keine Wahl mehr. Levi hat den Deal mit Dimo besiegelt.

Die erste Vertrauensprobe erfolgt noch an diesem Abend. Dimo und einige seiner Gefolgsleute führen Djel Sanes von der ersten Zentralbrigade, derjenige der an dem Mord von Pastor Nick beteiligt war, in eine Falle. Er lässt die Kutsche mit ihm die Klippe runterstürzen. Genau in dem Moment schlagen wir zu und nehmen ihn und ein weiteres Mitglied der Zentralbrigade gefangen. In unserem neuen Versteck angekommen, wo Eren und Christa bereits auf unsere Rückkehr gewartet haben, folge ich Hanji und Levi, die den bewusstlosen Sanes an einen Stuhl fesseln. Er stellt sich vor mich, ehe ich den Raum betreten kann. Ich bleibe im Türrahmen stehen und sehe über seine Schulter hinweg zu den Folterinstrumenten. Es war mir von vorneherein klar, dass sie in diesem Raum nicht bloß plaudern würden. Trotzdem wird mir schlecht bei dem Gedanken daran, was in den nächsten Stunden hier in diesem Raum passieren wird. Levi entgeht mein entsetzter Blick nicht und sein Blick verdunkelt sich. ,,Verschwinde von hier, Serena! Du hast bereits mehr als genug gesehen!", sagt Levi bestimmend und knallt die Tür zu. ,,Warte!", rufe ich und greife nach der Türklinke. Zu spät! Die Tür ist bereits verschlossen.

Einige Minuten bleibe ich regungslos dort stehen, bevor ich zu Armin gehe und ihn herzlich umarme. ,,Tut mir leid, dass du heute fast vergewaltigt wurdest!", sage ich direkt, woraufhin er knallrot wird. ,,D-Das ist nicht witzig!", erwidert er eingeschnappt.
,,Wenigstens teilen wir etwas!", füge ich hinzu, weshalb er mir solidarisch ein Lächeln schenkt. ,,Serena?", höre ich Erens Stimme und drehe mich zu ihm um. Daraufhin packt er mich am Handgelenk und geht mit mir nach draußen. ,,Was ist los?", frage ich und sehe Mikasa auf einer Holzplattform sitzen. Eren lässt mich los, während er auf Mikasa zugeht. ,,Nein?", sage ich erstaunt und leise zu mir selbst. Im nächsten Moment passiert das Unglaubliche. Eren küsst Mikasa, während er sie an dem Schal zu sich zieht. Mikasa scheint genauso überrascht, wie ich zu sein. Doch keine Minute später enden die beiden eng umschlungen in einem Zungenkuss. Das ist der Zeitpunkt, zu dem ich mich umdrehe und einen Spaziergang mache. Nichtsahnend, was mich in dieser Nacht, nach diesem ereignisreichen Tag, noch erwarten würde.

Harte Schale, weicher Kern! - Levi Ackermann FF :3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt