Entglitten

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Ich möchte nicht nach Hause gehen.
Wenn ich im Auto nach Hause sitze, fahre ich langsam, Umwege und halte in den kleinen Lücken am Straßenrand an.
Nur damit ich nicht mit euch reden muss.

Du hast gestern gesagt, ich würde dir entgleiten.
Du hast recht.
Ich bin dir in so vielen Momenten entglitten.
Ich entglitt dir, als du mir unbedingt Röcke und Kleider kaufen wolltest.
Ich entgleite dir jedesmal, wenn ich sage, dass ich mich nicht so Mädchenhaft kleiden will.
Ich bin dir entglitten, als du mir verboten hast die Haare kurz zu schneiden.
Ich bin dir entglitten, als du sehen wolltest, was ich die ganze Zeit auf meinem Handy mache.
Ich bin dir entglitten, als du sagtest, dass ich es dir nie antun soll, lesbisch zu sein.
Ich bin dir schon lange entglitten, Mama.
Wenn du sagst, dass die Mütze die ich mir gekauft habe nur was für Jungen ist, entgleite ich dir.

Wenn du sagst, dass ich mich mal Frauenhafter anziehen soll, entgleite ich dir.

Ich entgleite dir, weil ich nie die Tochter war,
die du dir vorgestellt hast.
Hör bitte auf etwas ändern zu wollen.
Ich weiß du liebst mich trotzdem.
Ich sitze gerade im Wald,
weil ich nicht nach Hause kommen will.
Du sagtest gestern du willst alles wissen.
Aber ich kann dir nichts sagen.
Ich habe dich lieb, Mama..
Ich will dir entgleiten,
weil deine Vorstellungen mich festbinden.
Jedes mal wenn ich in den Spiegel schaue,
sehe ich nur einen Kompromiss
aus deiner Wunschtochter und mir.
Ich bin nicht wie du.
Ich will ich sein und trotzdem deine Tochter.
Ich weiß du verstehst mich nicht.
Ich weiß du hast Angst mich zu verlieren,
aber versuche nicht mich festzuhalten,
sonst werde ich gehen.

Krieg der Wörter.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt