Platsch. Kalt klatscht mir die stämmig gebaute Frau hinter dem Tresen den Kartoffelpüree auf meinen Teller, direkt neben die Erbsen und den Leberkäse. Nur ein schäbiges, leichtes Grinsen entgleitet ihren Mundwinkeln, als sie bemerkt, dass sie mir ein wenig Püree auf meine Uniform spritzte. Mürrisch nehme ich das Tablett, die Frau noch warnend anblickend, und gehe mit meinem Tablett zu dem Tisch, an dem Philipp und Aurel schon geduldig warten.
Beide sitzen trostlos da, mit ihrer Gabel in der fad geratenen Crème rührend. „Fette Augenringe“, entgegnet mir Aurel. „Hast du nicht gut geschlafen?“
„Boah, nee du..“, antworte ich verknatscht. „Ich hatte einen richtig miesen Traum.. ich wurde in meiner Zelle überwältigt, ich war wie gelähmt, alle haben nur zugeschaut.“ Ich versuche meinen unangenehmen Traum zu schildern, aber ich bringe die Geschehnisse nur wage zusammen.
Aber dann geschieht schon wieder etwas merkwürdiges: für einen Moment sind beide ganz still. So, als würden sie ihre Gedanken verschweigen. „Mensch.. das hab ich doch nur geträumt, richtig?“, scherze ich am Tisch. Einen Moment lang ist alles ganz ruhig. „Du hast heute Nacht ganz schön laut gebrüllt“, löst Philipp nun vorsichtig die schweigsame Ruhe auf, „und wir glauben, dass du nicht wie gewöhnlich brüllst.“ Jetzt schweige ich für einen Moment. „Vielleicht hilft es dir, mit jemandem zu reden, der sich mit sowas auskennt.“
Ich überlege kurz und versuche, mir nicht anmerken zu lassen, wie sehr mich diese Worte verletzen. Ein paar Sekunden vergehen, schließlich fasse ich mir ein Herz. „Ach was, kommt schon.. das war doch sicher gar nicht so schlimm..“, spiele ich seine Worte herunter. Insgeheim mache ich mir Sorgen, scheinbar zeige ich meine Furcht nachts noch stärker, als ich sie selbst erlebe. Mir wird das Ganze unangenehm, und die Blicke der beiden Kameraden schärfen sich schon vorwurfsvoll. Daher halte ich es für das Beste, der Situation auszuweichen und den Fokus auf das Wesentliche zu lenken: „Hey, kommt schon. Konzentrieren wir uns lieber auf unseren Plan“, schlage ich vor. Kaum sind diese Worte gesprochen, schon gerät etwas Bewegung in die Gruppe. Plötzlich schauen sich die beiden knapp und hektisch um, als würden wir gleich einen illegalen Handel angehen. Ich setze mich, ebenfalls suchende Blicke durch den Raum werfend, etwas dichter zu meinen Kameraden. Sobald das Gefühl der Sicherheit überwiegt, ziehe ich die Papierunterlage von meinem Tablett und beginne, Erbsen darauf zu legen und mit meiner Gabel Pfade ins Papier zu ritzen. Die Jungs starren verwirrt auf meine schemenhaft gelegten Markierungen, bis sie endlich darauf schließen, dass ich ihnen gerade meinen Plan präsentiere. Mit einem energischen Flüstern beginne ich den Vortrag.
„11:05. Das ist der Zeitpunkt, an dem wir die Halle verlassen und uns in der Umkleidekabine treffen.“ Aufgrund der hohen Lautstärke stecken wir unsere Köpfe näher aneinander. Ich empfange einen aufdringlichen Blick der Aushilfe in der Cafeteria, und binnen weniger Sekunden beschleicht mich das äußerst unangenehme Gefühl, besonders aufzufallen. Ich erläutere kurz unser Problem, weise die Jungs auf die unfreundlich blickende Aushilfe hin, und schließlich richten wir uns unauffälliger ein.
Wir denken unser Vorhaben zuende, studieren jeden Fluchtweg und bedenken jedes Hindernis, welches möglicherweise ungewollte Aufmerksamkeit erregen könnte. Unser Plan ist ein Balanceakt, welches durch Timing und Feingefühl bestimmt wird. Teamwork ist gefragt.
„Bloß, dass das große Tor am Ende noch im Weg ist“, wirft Philipp ein. Ich schaue mich hastig um. Die ganze Cafeteria klirrt und redet, zum Glück tarnen uns die Geräusche. Ich bringe Vorschläge ein, wie wir es umgehen könnten, und zunächst scheinen die Jungs noch interessiert, doch die euphorische Atmosphäre der Cafeteria übernimmt uns schon bald, und wenige Momente später schweifen wir vom Thema ab und erzählen von unseren Träumen, was wir tun würden, wenn wir entkämen und wen wir als erstes besuchen würden.
Die Blicke der Rekruten vom Tisch nebenan werden auch immer dringlicher. Ob sie wohl etwas bemerkt haben? Nachdem die letzten Einzelheiten besprochen wurden, nehme ich mein Tablett in die Hand, stehe nickend auf und beende meine Mittagspause.
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Connor Black
Mystery / ThrillerConnor Black, ein heranwachsender, ehemaliger Student der Defuse High, steigt die Karriereleiter der amerikanischen Armee unerwartet auf, obwohl er versucht, an Freiheit zu gewinnen. Ein Balanceakt zwischen dem Bestreben nach Pazifismus mit Aussicht...