Kapitel 22 - Partynacht

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Da sitzt sie also, unverwundet, an meinem Bettrand und erzählt mir ohne Unterbrechung, was die letzten Tage und Wochen so geschah. Ich sehe ihr in ihre wunderschön funkelnden Augen und höre aufmerksam zu.

Sie beginnt zu erzählen: "Also dann.. vor mittlerweile 23 Tagen waren wir auf einer Geburtstagsparty. Du erinnerst dich doch sicher an deinen besten Freund, Philipp? Er wollte mit noch einmal so richtig 'die Sau raus lassen', wie er es nannte. Jedenfalls luden er und seine Frau uns beide gemeinsam zu einer Hausparty in der Hütte seines Onkels ein.."

23 Tage zuvor.

Die Straße schimmert in glänzendem Gold, als wir den angrenzenden Ort verlassen. Ich öffne das Fenster. Die kühle Luft riecht nach nasser Straße, kombiniert mit dem intensiven Duft des Waldes, in welchen wir mittlerweile einfahren.

Laute Musik dringt stark gedämpft durch die Autotür unseres Wagens, als wir nahe der Hütte parken. Sie steht mitten im Wald, Philipp meint, so würden wir keinen Stress mit Nachbarn bekommen. "Wow.. er meinte es wohl wirklich ernst, als er sagte, er würde die Musik ordentlich aufdrehen." Connor sagt das so überrascht, mir war jedoch im vorhinein schon klar, dass Philipp nicht Spaßen würde. Philipp ist ein sehr impulsiver Mensch, ich kann ihn ganz gut einschätzen, denke ich.

"Gehen wir?", frage ich ungeduldig. Momente später leuchtet eine riesige, rot glühende Fontäne auf der Motorhaube vor uns auf. Ein lautes Heulen geht von der Fontäne aus, während drei Jungs neben unserem Wagen lachen, was das Zeug hält. Selbst durch die dicke Frontscheibe hört man das Pfeifen so laut, dass man sich die Ohren zuhalten muss. "Ihr verdammten Arschgeigen!", brüllt Connor, noch während er sich die Ohren zuhält, weswegen er gleich doppelt so laut schreit. Die Bande, die scheinbar den Feuerwerkskörper auf unsere Haube gestellt hatte, dreht sich kurz zu uns und läuft Momente später davon.

"Was ein Unsinn.. wir sind zu alt für sowas, Ann." Man hört in seinem Tonfall, dass er wirklich keine Lust auf so etwas hat. Ich kann ihn verstehen. Würde ich ihn zu einem romantischen Dinner zum selben Abend einladen, an welchem Philipp spontan zu seinem Geburtstag einlädt, so wäre ich bestimmt weitaus angefressener, als Connor es gerade ist. Ich will ihm einen Ruck geben und nehme seine Hand. "Komm schon", sage ich, "lass uns die Party ansehen."

Momente später betreten wir die Hütte. Bereits beim eintreten fällt ein unglaublich strenger Geruch auf. Ich kann eine Mischung aus Tabak, dem Schweiß anderer Leute und noch etwas Undefinierbarem ausmachen. Diese Mischung riecht so streng, dass mir zunächst gar nicht auffällt, wie diesig es hier ist. Und auch das gesamte Ausmaß der Gäste wir mir erst bewusst, nachdem ich den Eingangsbereich durchquere.

Eine riesige Masse von Menschen, bestimmt 50 an der Zahl, tummeln sich zur lauten Mucke tanzend, singend und herumfallend in diesem einen Zimmer herum, welches augenscheinlich Wohnzimmer gewesen sein muss. Was wir jetzt noch vorfinden sind endlos viele Plastikbecher, ein zertrümmerter Kaffeetisch neben einer zerfetzten und versifften Couch, sowie eine schiere Anzahl an grünen Bierflaschen und bunten Schnipseln. Wahrscheinlich stammen diese von einer Konfettikanone. Es sieht hier wirklich zum kotzen aus. Und genau so übel riecht es hier drin auch!

Connor verzieht die Miene und schaut mir angewiedert ins Gesicht, wahrscheinlich findet er es ähnlich eklig hier wie ich. "Stell dir vor, du müsstest das alles hier aufräumen." Ich verkneife mir das lachen, während Connor mit einem breiten lächeln das Zimmer betritt.

Erinnerungslücke.

Ich liege in einem Haufen aus Bierflaschen und versuche mit größter Mühe, einen Schneeengel darzustellen. Obwohl ich der Überzeugung bin, dass ich überragendes Talent aufweise, äffen Connor und Philipp mich nach. Ich scheine wohl nicht mehr alles gleichzeitig zu bewegen, was ziemlich lustig aussehen muss.

Ich richte mich auf und verliere beinahe das Gleichgewicht. "Oh mein Gott.. das is sooo witzig, versuch's auchmal", lalle ich unwissentlich. Connor schüttelt unkontrolliert und übertrieben den Kopf: "Näääh.. das is albern." Jetzt muss ich lachen. Er sieht einfach nur dämlich aus, wenn er betrunken ist. Aber ich liebe ihn, wenn er so verrückt ist. Er hat dann etwas ganz natürliches an sich.

"Komm Schatz, lassuns noch ein-swei Bier von der Tankstelle an der Hauptstraße kaufn gehn." Mir fällt erst jetzt auf, dass seine Zunge mit Zunahme seines Alkoholpegels taub geworden sein muss, so sehr, wie er lallt. "Also gut. Aber du fährst", antworte ich. Ich vertraue ihm. Er fährt bestimmt sicher.

Benommen treten wir also in die von der Party verdreckten Schuhe und stolpern aus der Haustür in Richtung Auto. Philipp braucht etwas länger, vermutlich hat er nur halbwegs verstanden, warum wir auf einmal zum Auto watscheln. Er tritt aus dem Türrahmen und brüllt hinterher: "Ey! Fahrt langsam! Ihr seid schon ordentlich Hacke."

Gleich beim Ausparken merkt man, dass Connor das mit dem langsamen Ausparken nicht so streng sieht. Kaum hat er den Rückwärtsgang eingelegt, tritt er mit Wucht und ohne Feingefühl auf das Gaspedal, sodass wir ordentlich beschleunigen. Der Feuerwerkskörper von vor ein paar Stunden fällt beim Beschleunigen vom Wagen. Glücklicherweise bemerkt mein angetüdelter Freund im rechten Moment, dass einige Meter hinter uns ein anderes Auto steht.

Natürlich geht er ähnlich unsanft in die Eisen. Mir wird langsam schlecht, weswegen ich beschließe, die Kurbel an meiner Fahrertür zu betätigen. Ahhhhhh.. der frische, kühle Dunst des Regens auf der Straße tut wirklich unheimlich gut. "Fahr Mal etwas weniger ruckig", beschwere ich mich mit jammernden Unterton. "Tut mir leid Baby, ist gar nicht so einfach.. ich geb mir Mühe."

Man.. selbst betrunken ist er immernoch ein Schatz. Verliebt betrachte ich seine Manöver, wie er vollständig ausparkt und das große Lenkrad des Autos hin und her bewegt. "Du machst das toll", laber ich ihn von der Seite an. Zu meiner Überraschung verzieht er das Gesicht und schaut mich länger an, als es mir lieb ist. "Du hast echt fiesen Mundgeruch."

Oh man.. dann möchte man einmal lieb zu seinem Partner sein. Aber ich nehme mir seine Anmerkung zu Herzen und suche mich verzweifelt nach einer Erfrischungsmöglichkeit um. Zum Glück werde ich fündig und finde eine Kaugummipackung. Sie ist rosa gefärbt, dem Logo zufolge schmecken die Kaugummis nach "feinen Himbeeren."

"Besser als nichts", flüstere ich meine Gedanken und nehme die Packung. Ich öffne sie mit einem lauten Klacken und erwarte eine große Auswahl, doch stattdessen finde ich eine magere Anzahl von drei Kaugummis vor. "Hast du die alle gegessen?", frage ich erstaunt. "Ein paar Kumpels wollten auch was", antwortet er mir konzentriert. Sein Blick schweift nicht ein bisschen von der Straße ab. "So sieht ein vorbildlicher Autofahrer aus", denke ich.

Doch schon im Nächsten Moment sollte meine Meinung über ihn ändern. Denn als ich eines der Kaugummis entnehme dreht er sich komplett zu mir. "Kann ich auch eins haben?", bettelt er. "Connor.. die Straße."

Erst als sich seine Miene vor Schreck verzieht, merke ich, dass er eben seinen süßen Hundeblick aufgesetzt haben muss. Das muss Konzentration gekostet haben, denn wir befinden uns nun auf der falschen Spur. Ich blicke nach vorne und sehe in die grell leuchtenden Scheinwerfer eines entgegenkommenden Fahrzeugs.

Mir bleibt die Luft weg, doch ich bringe mit Mühe ein Krächzen mit piepsiger Stimme heraus: "Connor?.."

Dann gibt es einen lautes Hupen, ich sehe ihm ins Gesicht, während er seinen Blick von mir abwendet und ebenfalls in die grell leuchtenden Scheinwerfer blickt. Ich schaue schon gar nicht mehr nach vorne. Sollte ich sterben, so ist das letzte, was ich jemals sehen wollte, Connors Gesicht.

Er reißt seine Augen weit auf. Dann zieht er heftig am Lenkrad, ich werde an die Fahrertür gepresst. Dann gibt es einen lauten Knall, und ein Gefühl, ähnlich wie ein heftiger Stromschlag durchzuckt mich, während ich das Bewusstsein verliere.

Connor BlackWo Geschichten leben. Entdecke jetzt