Ich wache auf und öffne meine Augen. Noch überwältigt von allen Glücksgefühlen und verwirrt von meiner surrealen Erfahrung versuche ich, mich zu orientieren. Ich starre die Decke an und fühle statt des unangenehm kühl gewordenen Sandes ein warmes, kuscheliges Krankenbett unter mir.
Ich spüre nichts, ich kann auch nichts bewegen, ich kann lediglich dumm aus der Wäsche schauen und den Moment des Nichtstuns genießen. Ein Frischegefühl befällt mich, ähnlich, wie bei meinen Träumen damals. Und die wohlige Wärme des Bettes fühlt sich unglaublich an.. diesen Moment des Nichtstuns brauchte ich scheinbar ganz dringend, zumindest ist es unfassbar angenehm, ihn endlich erreicht zu haben.
Doch schon bald beginne ich mich nach wenigen Momenten zu langweilen, also versuche ich, das Wirrwarr in meinem Kopf zu lösen. Wie geht es Ann? Wo bin ich überhaupt? Ist sie in Sicherheit? Fragen über Fragen, auf die ich keine Antwort weiß. Und fällt mir eine neue ein, so weiß ich daraufhin immer nur weitere Fragen.
Es scheint unmöglich, aus dem Stegreif eine plausible Erklärung für alles zu finden, die einzige Lösung wird wohl die altbewährte Kommunikation sein. Noch während ich darüber nachdenke fällt es mir schon deutlich leichter, meine Augen zu bewegen. Ich blicke um mich herum und schnell wird mir bewusst, dass dies dasselbe Zimmer ist, in welchem ich dem fiesen Krankenpfleger in meinen Träumen begegnete. Schrank, genau.. so nannte ich ihn damals.
Ich bekomme schon leichte Panik, am liebsten würde ich jetzt sofort wegrennen. Ich versuche, etwas an mir zu rühren. Also versuche ich es zunächst mit meinem Arm, um mich abzustützen. Doch ich habe keine Chance. "Verdammt", denke ich. Ich nehme mentalen Anlauf und versuche es ein zweites Mal mit maximaler Willenskraft. Immernoch Fehlanzeige, mein Arm jedoch beginnt heftig zu kribbeln. Gerade so, als wäre er eingeschlafen und würde nun endlich doch aufwachen. "Ironisch, oder?", kommentiere ich gedanklich, um das wirklich unangenehme Gefühl zu übertrumpfen.
Erst jetzt bemerke ich, dass auch mein rechtes Bein kribbelt. Nur sticht es an einer bestimmten Stelle, nicht am ganzen Bein. Es ist im Bereich meines Oberschenkels, das kommt mir höchst merkwürdig vor. Also will ich nachsehen, was es ist. Tatsächlich kann ich mit größter Anstrengung den Kopf heben und entdecke auf meinem Schoß einen zart rosa gefärbten Pulli mit herausragendem, blonden Dutt aus der Vorderseite. Da liegt jemand auf mir, denke ich, während ich mich mit einem leisen stöhnen auf mein Kissen fallen lasse.
"Connor?" Ganz leise nehme ich diese unverwechselbare, liebliche Stimme wahr, nach der ich mich so sehne. Es ist die zarte, verschlafene Stimme von Ann, welche ihren Kopf mit dick geschwollenen Augenlidern über meinen streckt. Ich schaue in ihre galaktisch schönen Augen, es kommt mir beinahe wie eine Ewigkeit vor. "Bist du wirklich wach?", fragt sie mich ungläubig, fast schon übervorsichtig.
Ich blinzle mühevoll und versuche "ja" zu antworten, wobei mein kläglicher Versuch in einem merkwürdigen Stöhnen endet. Ich sehe, wie ihre Augen glasig werden und sich Tropfen an ihren Augenrändern bilden. Ihre Stimme zittert, nein, ihr ganzer Körper bebt, als sie die Worte "Oh Gott" und "Du Idiot" ausspricht. Tränen von Glück rinnen ihr die Wange hinab.
"Tschuldige", murmele ich schwach und erwarte einfach, dass meine Erkenntnisse von eben wahr sind. Zumindest habe ich ein gutes Bauchgefühl bei dieser Annahme. Ein kurzes "Ich liebe dich.." werfe ich noch hinterher, bevor sie mir um den Hals fällt. "Ich liebe dich auch! Oh mein Gott", dröhnt es im Kopfkissen neben meinem Ohr.
Meine Arme fühlen sich schon besser an, das Kribbeln lässt nach und ich kann ihn anheben. Etwas grobmotorisch lege ich meinen Arm um sie. Jetzt kommen mir auch die Tränen. Gerührt und von Glückshormonen überwältigt liegen wir noch sicher minutenlang da, nur wir zwei, glücklich und erleichtert.
Zumindest ein Weile, bis sich schließlich jemand mit laut klackenden Schritten nähert. Ann dreht sich behutsam und findet einen Mann im Arztkittel vor. Mir wird mulmig, denn das letzte Mal, als ich jemanden in seinem Aufzug sah, war dieser mehr als nur unfreundlich. Doch wie sich herausstellt, ist er mit Ann besser bekannt, als ich es erwartet hatte:
"Hey Ann, alles klar bei dir?", spricht er in einem angenehmen Ton und umarmt sie mit Selbstverständlichkeit. Wer ist dieser Mann? Er ist sicher 20 Jahre älter als wir beide, doch für meine Begriffe spricht sein Verhalten gegen sein Alter. Mein mulmiges Gefühl vergeht nicht, als Ann seine Umarmung erwidert und mit aufgesetzter Freude antwortet.
"Dr. May! Ja mir geht es gut." Dabei drückt sie sich eng an seine Brust. Es macht mich unglaublich eifersüchtig, die beiden so zu sehen, immerhin wirft sie sich förmlich an ihn. Doch noch während ich die beiden betrachte, fällt mir auf, dass mir sein Name bekannt vorkommt. Mir liegt die Antwort auf die Frage, wann und wo ich diesen Namen schon einmal gehört habe, beinahe schon auf der Zunge. Nur kann ich mich beim besten Willen nicht erinnern.
"Nach allem, was passiert ist, kannst du mich langsam gern beim Vornamen nennen. Nenn mich Arthur", führt er das Gespräch weiter. Er lächelt sie mit einem klassischen Zahnpastalächeln an, während er spricht. Vielleicht bin ich etwas zu skeptisch, immerhin vertraut Ann ihm.
"Ist gut", fügt sie dem Vorschlag hinzu. Jetzt wendet sich dieser Dr. May meiner Wenigkeit zu. "Hallo Connor, schön, dass Sie endlich wach sind. Sie haben eine lange Zeit hinter sich, und wir sind wirklich froh, sie zu sehen."
Mein Kopf brummt seitdem er eingetreten ist. Irgendwie kommt mir dieser Arzt bekannt vor, besonders seine beruhigende Stimme ist unverkennbar. Woher kenne ich ihn zum Teufel?
"Ich bin Dr. May, ihr leitender Arzt und Neurologe in diesem Krankenhaus. Ich würde gerne eine Reihe neurologischer Checks durchführen, damit wir uns keine Sorgen machen müssen. Wissen Sie, wo sie sich befinden?", leitet er mich ein.
"Ich bin doch nicht blöd", beginne ich meine Antwort. Während ich sie ausformuliere, leuchtet er mir mit einer Lampe mitten in die Augen. Ich merke schnell, dass ich gar nicht weiß, wo ich bin und was wirklich geschehen ist. Deshalb versuche ich die Kurve zu kratzen: "..aber ich weiß tatsächlich nicht, wo ich bin. Was ist passiert?"
Da wirft sich Ann dazwischen. "Du bist auf dem Frühlingsberg, du wurdest verlegt." Die kurze Redepause nutzt May mit einer nächsten Übung. "Folgen Sie dem Stift."
Während ich den flüssigen Bewegungen Folge und den Stift betrachte, überlege ich kurz und entscheide mich schließlich dazu, zu Fragen.
"Ich wurde verlegt? Wo war ich vorher?" Bevor die beiden antworten können, laufen mir schon weitere, wichtigere Fragen über die Lippen.
"Wie hast du es aus der Wüste geschafft? Kam endlich ein Helikopter?"
Da starren mich die beiden plötzlich blöd an. Sorgenfalten zieren sich auf Dr. May's Stirn, während Ann mich anschaut, als wäre ich behindert.
"Wüste? Ich..", versucht Ann zu erklären, doch Arthur fährt ihr über die Lippen.
"Ist gut.. wir machen eine Reihe von Tests, mach dir keine Sorgen, so etwas ist nach dem Erwachen häufig der Fall." Er scheint sie zu beruhigen, ganz im Gegensatz zu mir. "Habe ich was falsch gemacht?", ist die letzte unbeantwortete Frage, die ich ihm stellen kann, bevor er wortlos aus meinem Krankenzimmer verschwindet.
Sie bleibt jedoch. Ann setzt sich vorsichtig an meine Seite und streift sich durch die Haare. Sie nimmt tief Luft und schluckt kurz, bevor sie anfängt, zu sprechen. "Es ist einiges passiert, seitdem wir den Unfall hatten.. ich werd es dir erzählen, aber du musst versprechen, nicht auszuflippen."
Mein Herz schlägt schneller. Wie kann eine Aussage eine so große Auswirkung auf einen haben? "Klar", verspreche ich selbstverständlich. Das ständige, leise Piepen das Patientenmonitors unterbricht die kurze Pause, bevor Ann loslegt.
"Also dann.."
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Connor Black
Mystery / ThrillerConnor Black, ein heranwachsender, ehemaliger Student der Defuse High, steigt die Karriereleiter der amerikanischen Armee unerwartet auf, obwohl er versucht, an Freiheit zu gewinnen. Ein Balanceakt zwischen dem Bestreben nach Pazifismus mit Aussicht...