Ich parke mein Auto in der Tiefgarage und nehme meine Damenhandtasche. Ich halte noch einen Moment inne. Mein Gesicht ist verheult, meine Maskara verlaufen. Mir geht der Moment, in dem Connor aufwachte, nicht aus dem Kopf. Hat er mich wahrgenommen? Er wirkte so unglaublich abwesend.. es tat weh, ihn so zu sehen. Ich nehme tief Luft und steige aus meinem Auto, welches ich sofort abschließe.
Kurze Zeit später setze ich schon den nächsten Schlüssel an und öffne die Tür zu unserer Wohnung. Ich lege meine Stiefel ab, unter die Kommode, so wie immer. Ich betrachte sie genauer, denn auf ihr steht unser wunderschönes Foto von der Hochzeit. Nein, es war nicht unsere, die gefeiert wurde. Die würde hoffentlich bald kommen, dachte ich an jenem schönen Sommerabend, an welchem Connor mich im Garten meiner Schwester umarmt. Lächelnd legte er genau dann seine Arme um meine Taille, als Phillip, der Mann meiner Schwester und seines Erachtens nach bester Kumpel Connors, ein Foto von uns schoss. Es ist wundervoll, dachte ich schon damals, denn es sieht unglaublich malerisch aus, so sehr, sodass es unwirklich, beinahe schon traumhaft wirkt.
Ich nehme das Foto mit ins Bett und betrachte das Bild noch ein wenig länger. Dabei schaue ich mir immer wieder sein Gesicht an. Seine wunderschönen Augen, seine markanten Gesichtszüge. Beim seinem Anblick werde ich immer ganz ruhig, so sehr, dass mein Körper es mir erlaubt, zu entspannen und von allem Stress loszulassen. Ich dimme das Licht und decke mich zu. Der Tag war furchtbar anstrengend und mein Körper fühlt sich matt und schwer an.
Das ist so ziemlich mein letzter klarer Gedanke, bevor ich in einen gemütlichen Halbschlaf sinke.
Als das Schweregefühl in meinen Gliedmaßen plötzlich heftiger wird. Es wandelt sich in einen stechenden Schmerz, welcher sich kaum in Worte fassen lässt. Mir wird unglaublich heiß, ich versuche, meine Augen zu öffnen. Aber es geht nicht, sie fühlen sich an wie zugeklebt.
Ich versuche zu hören, was los ist, aber ich höre bloß ein monotones Piepen. Ich spüre eine Berührung an meinem Arm. Ein kleines Stechen folgt. Momente später öffne ich meine Augen. Mein Schmerz lässt sofort nach, als ich ihn vor mir sehe. Er hat eine tief klaffende Wunde in seiner Schulter, eine Platzwunde ziert seine Stirn. Seiner nackten, verwundeten Brust laufen klare Schweißperlen hinab. Er sieht unglaublich heiß aus.
"Connor..", flüstere ich. Mir ist schwindlig, will ich sagen, aber es ist furchtbar anstrengend, auch nur meinen Blick auf ihn zu richten. Als ich ihm ins Gesicht schaue, sehe ich, wie sein Mund sich bewegt. Sein Blick bohrt sich in meinen Verstand. Ich will ihn verstehen, aber ich kann nicht. Dieses Piepen stört mich noch immer, und er redet so leise und undeutlich.
Ich betrachte seinen Arm er scheint immernoch etwas mit meinem zu machen. Mit größter Mühe hebe ich meinen Kopf an und betrachte seine Hand, wie sie eine erschreckend riesige Nadel aus meinem Arm zieht. Blut spritzt aus dem entstandenen Loch, und noch während er meine Blutung stillt wird mir unglaublich schlecht.
Doch er lächelt mich an, mit einer Wärme, wie ich sie schon lange nicht mehr von ihm sehen konnte. Er hört auf, an meinem Arm zu zupfen, stattdessen hält er meine Hand und gibt kurze Sätze von sich, die ich leider immernoch nicht verstehen kann. So, als wäre er erleichtert. Obwohl mir alles wehtut lächle ich mit Mühe und Not zurück.
Genau in diesen Moment fängt mein Bauch an zu brennen. So ähnlich wie Sodbrennen fühlt es sich an, nur noch viel stärker. Ich will aufschreien, aber ich kann nicht. Stattdessen kneife ich meine Augen zusammen und zerquetsche Connors Hand. Einen Moment später suche ich Verzweifelt seinen Blick, doch er blickt schockiert, beinahe verzweifelter als ich. Statt in meine Augen starrt er in Richtung meines Bauches, aus welchem eine große Menge Blut auszutreten scheint.
Noch während er mir Tücher an meinen Bauch presst, die ich schon deutlicher spüren kann, als ich es noch eben getan hätte, knacken meine Ohren entsetzlich laut. Mir wird schwindlig, vielleicht vom Blut, vielleicht von diesem Knacken. Mir fällt jedoch sofort auf, dass ich die Welt um mich herum nun hören kann.
Auch das sprechen fällt mir schon leichter. "Connor..?", stöhne ich, doch schon hält er mir seinen blutigen Finger knapp unter meine Nase und zischt ein unvernehmliches: "Psst! Du darfst jetzt nicht reden, du musst stark bleiben." Er drückt mir ein Gebäck und ein bauchiges Gefäß in die Hand. Ich merke, wie trocken mein Mund ist, und beginne, aus der Flasche zu trinken. Auch er fängt an zu essen. Kurze Zeit später erfüllt der Geschmack von frischem Brot meinen Mundraum. Connor beschwichtigt mich, fortzufahren, und lächelt dabei verkniffen.
Seine Stimme klingt so unglaublich beruhigend. Ich fühle mich, als hätte ich sie schon eine halbe Ewigkeit nicht mehr gehört, und getrieben von meiner Nostalgie packe ich seine Hand. Wir blicken uns für einen Moment in die Augen, während ich so vor mich hinblute.
Er nimmt mir das Brot aus der Hand, auch die Flasche legt er beiseite und blickt mir tief in die Augen. "Du musst jetzt still halten, du verlierst zu viel Blut." Ich befolge seinen Rat und lasse ihn arbeiten.
Nach wiederholtem Auswechseln der sich vollsaugenden Tücher flüstert er: "Das ist zu viel Blut, ich muss da was tun."
In diesem Moment wird alles schwammig und scheint so weit entfernt. Die Geräusche dämpfen sich von allein und auch die Berührungen an meinem Körper verblassen. "Ich liebe dich", gebe ich von mir, kurz bevor ich in einen tiefen Schacht falle.
Mit einem tiefen Atemzug schrecke ich hoch. Ich wache schweißgebadet in meinem Bett auf. Mein Gehirn verlangt eine Antwort auf all die Fragen, die nun aufkommen, aber zunächst bin ich einfach nur froh, nicht im Sterben zu liegen.
DU LIEST GERADE
Connor Black
Mystery / ThrillerConnor Black, ein heranwachsender, ehemaliger Student der Defuse High, steigt die Karriereleiter der amerikanischen Armee unerwartet auf, obwohl er versucht, an Freiheit zu gewinnen. Ein Balanceakt zwischen dem Bestreben nach Pazifismus mit Aussicht...