Kapitel 11 - Klartraum

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Diese Sitzecke, das ist ein versiffter, kleiner Tisch mit einer rund gewölbten Bank, verziert in abgetragem, dunkelblauen Leder. Als ich mich im Café umschaue, sehe ich nichts als Nebel. Ich bin ganz allein.

Plötzlich erinnere ich mich, hier schon gesessen zu haben. Da war diese schöne Frau, das weiß ich noch. Sie war blond, rufe ich mir immer wieder ins Gedächtnis. Ich denke so langsam. Es ist schwer, zu denken, denke ich. Ich schließe meine Augen und konzentriere mich auf das Gesicht dieser schönen Frau. Wer ist sie?

Als ich meine Augen öffne, sitzt sie da. Direkt neben mir, in meine Augen starrend, fesselnd. Ich versuche zu verstehen. Wieso ist sie hier? Mein Kopf brummt, drückt an den Schläfen. Ich will nicht in diesem Café sitzen, ich will nicht denken. Der Schmerz drängt immer weiter, ich kneife meine Augen zusammen und drücke meinen Kopf so stark ich kann.

Und plötzlich erinnere ich mich. Dieser Gesellschaftsabend, das war ein schöner Abend. Da war ich an diesem Tisch mit Ann, die sich als sympathisch entpuppte. Und so bald mir diese Erkenntnis erscheint, so rasch verzieht sich schon bald mein Kopfweh, und eine Frische macht sich in mir breit. Diese Frische fühlt sich unglaublich an. Es ist, als wäre ich beinahe ausgeschlafen, irgendwie gänzlich munter. Ich bewundere das Gefühl für einen Moment, bis es mir dann schlagartig bewusst wird. Ich träume.

Plötzlich geht alles ganz schnell. Mein Instinkt sagt mir, das die Erkenntnis, dass ich gerade in meiner Fantasie bewege, den Traum instabil machen würde. Mir wird ganz komisch, meine Beine werden weich wie Wackelpudding. Ich habe nicht viel Zeit, und ihr Gesicht beginnt schon zu verzerren. Verzweifelt versuche ich, für Stabilität in meinem Traum zu sorgen. Schließlich möchte ich nicht, dass mein Traum kollabiert. Dieser Traum, das ist diese schöne Dame in diesem herrlichen Lokal, mit den blauen Ledersitzen und der diesig grauen Luft. Dieser schönen Dame starre ich in die Augen und versuche, diese willkürlichen Zuckungen in ihrem Gesicht mit meinem Blick zu fixieren. Meine ganze Kraft ruht in dem Willen, ihr Gesicht zu beruhigen. Entgegen aller Erwartungen stelle ich fest: es funktioniert.

Dieses unsichere Gefühl entschwindet, und allmählich erkenne ich ihr zartes Gesicht wieder. Ich versuche sie nun anzusprechen. "Du bist nicht real", sage ich entschlossen. Sie rührt sich nicht, und aus ihrem Blick kann ich wenig entnehmen. Doch mir wird bewusst, dass ich die Kontrolle über meinen Traum besitze. Ich schließe also meine Augen und stelle mir vor, in meinem Kinderzimmer zu sein.

Ich öffne meine Augen, stehe aufrecht inmitten meines Zimmers. Immernoch ist die Welt diesig, doch das Frischegefühl fühlt sich unglaublich an. Zumindest, bis sich erneute Zuckungen der Welt und dieses Unwohlsein bemerkbar machen. Schnell renne ich zu meiner alten Kommode, fixiere meinen Blick auf meine alte Spardose und konzentriere mich. Diesen Traum beisammen zu halten, das ist mein Ziel.

Die Welt hört auf zu Wackeln, und endlich kann ich es genießen, in meinem Zimmer zu stehen. Ich bin fasziniert von der Detailtreue. Ich betrachte meinen alten Röhrenfernseher, mein altes Bett, und dann mein Fenster. Dabei kommt mir die Idee, ich könnte theoretisch im Traum fliegen. Ich öffne also geräuschlos das Fenster und springe in den Nebel.

Ich falle, statt zu fliegen. Ich falle immer tiefer, mein Kopf brummt, der Wind fühlt sich kalt an. Plötzlich falle ich nicht mehr, sondern schwebe im nebeligen, weißen Nichts. Ich bin verwirrt, schaue mich hastig um. Tatsächlich, hinter mir befindet sich etwas. Es ist ein Gesicht, ein zartes Gesicht. Blonde Strähnen fallen ihr vor die Augen, ihr Blick dringt in meinen Kopf ein. Ich kann mich nicht bewegen. Es versucht etwas zu sagen, aber ich kann es nicht verstehen. Als hätte ich Watte in den Ohren.

Ich erkenne es nicht, dieses schöne Gesicht, und je mehr ich darüber nachdenke, desto schmerzhafter wird mein Kopfweh. Erst, als ich mich von ihrem Blick lösen kann, lässt es nach. Ich blicke zur Seite, rühren kann ich mich noch immer nicht. Ein Gefühl, ähnlich wie ein kleiner Stromschlag, durchzuckt mich. Ich kenne dieses Gefühl zu gut, weiß aber nicht, woher.

Da ist dieses Gerät neben mir, in diesem weißen, hellen Raum. Als ich die ständig Zacken schlagende Linie erkenne, wie sie sich ihren Weg bahnt, höre ich neben den dumpfen Lauten dieser Frau ein gleichmäßiges, durchdringendes Piepen. Es ist zunächst ganz leise, aber es wird immer eindeutiger.

Außerdem verstehe ich ihre Stimme besser. "..nor? Connor! Hörst du mich? Oh Gott, du bist tatsächlich wach!" Ich versuche zu antworten mit 'Ja, ja ich bin wach' oder 'wo bin ich?', aber aus meinem Mund kommt bloß ein lauwarmer Sabberfaden. Was ist bloß los? Das Denken wird schlagartig schwieriger, und alles wird unscharf. "Connor? Nein, bleib bei mir! Ich lieb.." Auch die Geräusche werden leiser, als würde ich in Watte gehüllt. Ich falle in einen tiefen Schacht.

Meine Schulter schmerzt, und bevor ich meine dicken Augenlider voneinander trenne, kann ich schon ermitteln, dass ich wohl auf den harten Fußboden neben meinem Bett aufgewacht sein muss. Ich öffne sie, und betrachte einen staubigen, dunklen Fußboden. Benommen robbe ich mich ins Bett, versuche, meine Verspannungen zu lösen.

Ich erinnere mich genau an den Traum, es war ein Klartraum. Diese Frische, die mich erfüllte, und dieses Piepen.. ich kann kaum einen klaren Gedanken fassen. Halt, nein, da ist ein klarer Gedanke:

'Was war das bloß', geht mir durch den Kopf.

Connor BlackWo Geschichten leben. Entdecke jetzt