19. Kapitel

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19. Kapitel

Einen Monat nach Semesterbeginn und Estelles BMI-Überfall bin ich natürlich immer noch nicht bei einem Arzt gewesen. Ich bin gesund und habe kein Problem!

Auf dem Campus sehe ich manchmal die Leute tuscheln. Sie drehen sich ständig nach mir um, doch ich glaube nun nicht mehr, dass sie neidisch sind. Anscheinend teilen viele Estelles Ansicht - oder vielleicht hat sie auch nur ein Gerücht über mich in die Welt gesetzt - Fakt ist aber, dass mir schon die eine oder andere Broschüre für eine Magersucht-Selbsthilfegruppe in die Tasche geschmuggelt wurde und ab und zu bekomme ich diese Zettel auch gleich direkt in die Hand gedrückt. Immer begleitet von einem mitleidigen Blick.

Mir geht's gut, okay?!

In den Vorlesungen habe ich jetzt jeweils ein kleines Sitzpolster auf meinem Stuhl. Eines Tages habe ich nämlich festgestellt, dass mein Hintern voller blauer Flecken war. Gruselig. Dafür schwebe ich jetzt auch auf meinem Platz in der Uni.

Als Tagesportion habe ich nun einen halben Liter Gemüsesaft in einer Flasche dabei. Estelle will nicht mehr mit mir zu Mittag essen, da ich "Nichts, aber auch rein gar nicht!" essen würde. Quatsch mit Sauce! Moment. Saucen sind ein absolutes Tabu für mich geworden. Sie enthalten Öl, Zucker und Emulgatoren, welche ruckzuck meinen Fortschritt zunichte machen. Auch die Joghurt-Dips gehören der Vergangenheit, dem molligen Ich an. Aber wenn sich Estelle nicht mehr mit mir abgeben will, gut! Esse ich halt alleine im Schatten eines Baumes und schlürfe meinen Sellerie-Zitrone-Kiwi-Karotten-wasauchimmer-Saft ganz in Ruhe.

Die ganze Flüssigernährung hat ja schon ziemlich seine Vorteile: Auf der Toilette sitze ich nicht mehr so lange, da ich sowieso nur noch pinkeln muss. Dafür sticht es manchmal in der Lebergegend. Leberversagen mit 23? Papperlapapp. Ich bin kerngesund!

Wie eine SeifenblaseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt