*zwölftes*

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Lily

Diesen Abend hatte ich nicht mehr mit James gesprochen, wollte das aber am nächsten Tag irgendwann im Laufe der Zeit noch machen. Jaja, ich weiß, Motivation und so. Aber wisst ihr was? Ich schiss heute auf Motivation und gute Laune. Meinem Körper schien es ja sowieso schon ohne Grund kacke zu gehen, dann durfte ich auch in meinem Bett eingekuschelt Netflix suchten und Schokolade in mich reinfressen. Zu allem Überfluss hatte ich diesen Abend auch noch meine Tage bekommen. Na, da schien es ja jemand richtig gut mit mir gemeint zu haben. Yay.

Als ich am nächsten Morgen aufwachte, stellte ich fest, dass es mir tatsächlich noch beschissener gehen konnte. Ich hatte eine Erkältung. Und nicht nur so eine nette mit ein bisschen Schnupfen. Ne, so eine mit höllischen Koofschmerzen, dichten Nebenhöhlen und einer nicht vorhandenen Stimme. Ich beschloss, mein Bett heute nichtmehr zu verlassen und schlief auch direkt wieder ein. Slughorn und McGonagall mussten wohl oder übel ohne mich zurechtkommen.

Das nächste Mal wachte ich auf, weil mir der Duft von frischer Hühnersuppe in die Nase stieg. Anscheinend hatte diese beschlossen, dass ich wieder atmen und riechen durfte. Ich streckte mich ausgiebig und bemerkte erfreut, dass es mir bereits etwas besser ging und mein Kopf aufgehört hatte, zu dröhnen. Auf meinem Nachttisch stand tatsächlich eine kleine Schüssel mit Suppe und eine Kanne Tee. Verwirrt, aber auch erfreut setzte ich mich auf und begann, die Suppe zu löffeln. Ich hatte doch eigentlich niemandem Bescheid gesagt, dass es mir schlecht ging... aber vielleicht hatte Marls die richtigen Schlüsse gezogen und hatte mir das Essen heraufgebracht.

Dieser Gedanke wurde jedoch zerschlagen, als kein anderer als James Potter den Raum betrat. "Hey, du bist wach. Geht's dir besser?", fragte er sanft und setzte sich auf mein Bett. Auch wenn ich ja eigentlich sauer auf ihn war, konnte ich nicht verhindern, dass sich ein angenehmes Gefühl in mir breitmachte. Ich nickte, denn meine Stimme schien immer noch nicht die beste zu sein. Trotzdem krächzte ich: "Hast du keinen Unterricht?" James lachte leise. "Sagen wir mal, ich habe mich selbst vom Unterricht befreit" Ich werfe ihm einen vorwurfsvollen Blick zu. "Es muss sich ja jemand um dich kümmern", fügte er verteidigend hinzu. Darauf folgte eine Stille, in der nur das Schlürfen meines Tees zu hören war. Ich würde ihn gerne auf alles ansprechen. Mit ihm über seine Pflichten als Schulsprecher reden, aber irgendwie schien es mir im Moment nicht so wichtig zu erscheinen und außerdem drohte meine Stimme schnell zu versagen. Das komische Gefühl von Gestern hatte sich in den hinteren Teil meines Kopfes verzogen und war von einer wohligen Wärme ersetzt worden. Ich war doch tatsächlich glücklich.  "Lily?", unterbrach er die Stille. Ich sah ihn fragend an. Er fuhr sich einmal durch die dunklen Haare und zupfte nervös an meiner Bettdecke. Moment mal, James Potter war nervös? "Ich weiß, ich habe die letzten Tage meine Pflichten als Schulsprecher nicht sehr ernstgenommen und dich allein damit gelassen... kann ich das zumindest wieder gut machen indem ich dir heute Gesellschaft leiste?", fragte er unsicher. Konnte er Gedanken lesen ider so? Ohne zu wissen, was zur Hölle ich tat, hatte ich auch schon genickt.

Die nächsten Stunden vergingen wie im Flug. Wir lachten viel und mir fiel auf, dass ich mich in James Gegenwart unglaublich gut fühlte. Irgendwie schaffte er es, dass ich an nichts negatives mehr dachte und brachte mich immer wieder zum Lachen, auch wenn dies höllisch in meiner Kehle schmerzte. Jedoch war ich mir nicht sicher, ob es mir gefiel oder nicht, dass James so eine starke Wirkung auf mich zu haben schien.

Als draußen bereits der Mond aufgegangen war, sprang James plötzlich panisch auf. Gerade hatten wir noch über Sluggies merkwürdige Angewohnheit, am Wochenende pinke Bademäntel zu tragen, geredet und so erschrak ich dezent, da es aussah, als hätte er sich auf einen Kaktus fesetzt oder so. "Ich hab total die Zeit vergessen... tut mir leid... muss noch zu Charlotte", sagte er knapp und stürzte dann aus dem Raum, ohne mich noch einmal anzusehen.

Zack bumm, das komische Gefühl von gestern war wieder da. Es war stärker und ich hatte fast das Gefühl, unter ihm zu ersticken. Ich ließ mich in die Kissen fallen und Blickte an die Decke. Es dauerte nicht lange, dann fingen die Tränen an, zu fließen. Was war nur mit mir los?

James

Es tat mir leid, dass ich sie einfach so sitzen gelassen habe. Der Tag mit ihr war wunderschön und ich konnte nicht verhindern, dass dieser kleine Funken Hoffnung, den ich eisern versuchte zu ersticken, wie eine Stichflamme aufgeflammt war. Ich hätte mich richtig verabschieden sollen, aber ich war schon eine halbe Stunde zu spät und konnte nicht noch lange diskutieren.

Charlotte und ich würden heute unsere Präsentation beenden. Als ich die Bibliothek betrat, saß sie bereits über einen Tisch gebeugt und las aufmerksam in einem dicken Buch. Wie sie so da saß erinnerte sie mich so stark ein ein bestimmtes rothaariges Mädchen, dass es fast schmerzte.
Ich trat grinsend hinter sie und flüsterte: "Hey, Schönheit." Sie zuckte zusammen und drehte sich dann mit einem Lächeln zu mir um.

"Hi James", raunte sie verführerisch. Zumindest sollte es vermutlich so klingen, ich empfand es als nicht wirklich anziehend.

Ich setzte mich neben sie und blickte ebenfalls in das Buch. "Liebestränke?", fragte ich dann stirnrunzelnd. Sie sah mit ihren großen braunen Augen zu mir auf und lächelte unsicher. Gegen jedes Gefühl, das in mir schrie, ich solle gefälligst die Beine in die Hand nehmen und von hier verschwinden, nahm ich ihre Hand und zog sie hoch, bis wir beide standen. "Wozu denn einen Liebestrank, Baby? Ich gehöre ganz dir", raunte ich in ihr Ohr und bemerkte zufrieden, wie sie erschauderte. Dann beugte ich mich zu ihr herunter und schloss den Abstand zwischen unseren Lippen. Sie erwiderte sofort und schlang ihre Arme um meinen Hals.

Der Kuss war... naja halt ein Kuss. Irgendwie ganz angenehm warm, aber ich zählte innerlich schon die Sekunden bis er endete. "Prongs?", rief jemand erschrocken. Ich löste sich aus Charlottes Umklammerung und sah direkt in die enttäuschten Augen von Moony. Dieser schüttelte nur angewidert den Kopf und drehte auf der Stelle um, um die Bibliothek zu verlassen.

Kurze Zeit später hatte ich gerafft, was passiert war und lief ebenfalls mit großen Schritten aus dem Raum. Charlotte beachtete ich nicht weiter, ich ließ sie einfach stehen.

Verwirrt zog ich ein paar Runden mit meinem Besen über das Quidditchfeld. Warum hatte ich etwas zu ihr gesagt, was ich am liebsten Lily ins Gesicht gebrüllt hätte, warum habe ich sie wieder einmal geküsst, obwohl ich wusste, dass sie sich in mich verliebte, sie mir aber in der Beziehung egal war und am wichtigsten, warum hatte Moony so merkwürdig reagiert?

Ich dachte, er würde sich freuen, da er Lily nun für sich hatte. Die beiden hatten in letzter Zeit viel gemeinsam gemacht, meiner Meinung nach zu viel... und dann noch das Date in Hogsmeade gestern.

Aber warum dachte ich schon wieder über Lily nach? Sie sollte mir egal sein, so wie ich ihr all die Jahre egal gewesen bin.
Vor ein paar Wochen, hatte ich echt Hoffnung, dass sie mich wirklich mögen könnte, doch dann hatte sie immer mehr mit Moony gemacht und mich weitgehen ignoriert.
Und Charlotte... sie war heiß, und echt süß. Ich musste zugeben, dass es mir gefallen hatte, das Projekt mit ihr zu machen und vielleicht konnte sie mich ja etwas von Lily ablenken, mit der ich leider immer noch in den selben Räumlichkeiten lebte und mit der ich mich demnächst intensiver um die KVH kümmern musste...

Andererseits ging es heute doch auch ganz gut, zumindest hatte ich das Gefühl, dass wir es vielleicht wenigstens schaffen würden, Freunde zu werden, denn auf anderer Ebene hatte sie definitiv kein Interesse an mir... das hatte sie mir die letzten Jahre oft genug gesagt und gezeigt.
Warum der James Potter aufgehört hatte, um Lily Evans zu kämpfen? Die Zeiten waren dunkler geworden und ich fürchtete jeden Tag, die Todesanzeigen meiner Eltern im Tagespropheten zu lesen. Als erfolgreiche Auroren standen sie weit oben auf der Liste von Ihr-wisst-schon-wem. Ich wollte die Gefahr nicht eingehen, dass Lily zu den geliebten Personen gehören konnte, die ich verlieren würde. Wenn ich mich von ihr fernhielt und sie mir niemals gehörte, konnte ich sie auch nicht verlieren. So einfach war es. Trotzdem hatten mir die heutigen Stunden mit ihr gezeigt, dass ich alles andere als über sie hinweg war und das meine Gefühle für sie in den letzten Wochen sogar noch stärker geworden waren. Ich musste mich unbedingt von ihr fernhalten, denn sonst würde ich sie vermutlich doch noch verlieren.

Hinter Den MauernWo Geschichten leben. Entdecke jetzt