*vierzehntes*

896 38 6
                                    

Charlotte und James waren ein Paar.

Diese Nachricht war es, die sich wie ein Lauffeuer in der ganzen Schule verbreitete und mir bereits die ganze letzte Woche gehörig die Laune vermiest hatte. Ich meine, es war ja nicht meine Angelegenheit. Er konnte ja schließlich daten, wen er wollte, aber meiner Meinung nach könnte man das ganze auch weniger körperlich in der Öffentlichkeit austragen. Ich war es so leid, mein Schlafzimmer zu verlassen, nur um im nächsten Moment eine Charlotte ausschließlich mit James T-Shirt bekleidet zum Badezimmezimmer rennen zu sehen. Der Wunsch nach meinem alten Schlafsaal wurde von Tag zu Tag größer, aber seit ich ihn mit McGonagall und Dumbledore besprochen hatte, waren schon mehrere Wochen vergangen ohne, dass ich eine endgültige Rückmeldung erhalten hatte.
Ich hatte mir angewöhnt, erst vorsichtig hinter jede Tür zu linsen, bevor ich sie öffnete, um ungewollte Zusammenstöße zu verhindern. So auch diesen Morgen, als ich mein Schlafzimmer verließ und über den kurzen Flur zum Badezimmer taperte. Die Bahn war frei. "Merlin sei Dank!", flüsterte ich erleichtert, stieß die Tür zum Badezimmer auf und fand mich Auge in Auge mit dem Übel wieder. Leider Gottes hatte dieses Übel unglaublich schöne Augen, sodass ich etwas brauchte, um zu realisieren, dass ich dieses eine Mal NICHT geprüft hatte, ob das Bad tatsächlich frei war. Denn das war es definitiv nicht. Es war randvoll mit der Präsenz des Menschen, dem ich seit einigen Tagen gekonnt aus dem Weg ging. James Potter.

Als mein Körper mir wieder gehorchte, löste ich mich aus meiner Starre, murmelte ein "Tschuldigung" und schlug ihm die Tür wieder vor der Nase zu. Dann drehte ich mich um und rannte hinaus aus den Schülersprecher Räumlichkeiten. Mit einem Schlenker meines Zauberstabes tauschte ich schnell meinen Schlafanzug gegen die Schuluniform und die Haarbürste in meinen Händen gegen meine Schultasche. Als ich zur großen Halle rannte, beschloss ich, heute noch mit McGonagall zu besprechen, dass ich so schnell wie möglich in meinen alten Schlafsaal zurückkehren musste. Ich hielt es dort keine Sekunde länger aus.

Als ich gerade den Eingang der großen Halle erreicht hatte, holte Remus mich ein. Er sah mich besorgt an, sagte aber nichts, sonders griff nur nach meiner Hand und drückte sie freundschaftlich. Gemeinsam betraten wir den Raum, von wessen Decke die Reckentropfen in Bindfäden herunterflogen. Ich musste etwas grinsen. Das Wetter spiegelte meine Stimmung perfekt wieder.
Remus und ich setzten uns. Wir waren die ersten aus unserer Gruppe, aber das war mir ehrlich gesagt ganz recht. So sehr ich Marls und Mary auch liebte, heute war mir nicht nach fröhlichem Geplapper. Ach was sage ich eigentlich, danach war mir schon die ganze Woche nicht und Mary und Marls mussten es gemerkt haben, denn sie hatten sich im Laufe der Woche immer weiter zurückgezogen.
"Lily, so geht das nicht weiter!", riss mich Rem plötzlich aus meinen Gedanken. Ich blickte auf in seine sorgenvollen, aber entschlossenen Augen und grunzte fragend. "Das da", sagte er und schloss dabei meinen ganzen Körper mit einer Handbewegung ein "ist erbärmlich". Ich zog meine Augenbrauen nach oben. Wollte er mir ernsthaft mitteilen, dass ich scheiße aussah? So etwas passte gar nicht zu ihm. Fast hätte ich laut losgeprustet. Aber nur fast. "Komm mit", sagte er nur und zog mich wieder aus der Halle hinaus, während ich laut protestierte, denn ich hatte noch keinen Bissen gegessen und so sehr ich meinen Rem auch liebte, ich liebte Essen doch noch um einiges mehr.
Remus zog mich  nach draußen. Nach draußen. In den Regen. Hatte der 'ne komplette Meise? Aber er lief unerbittlich weiter und hätte einen erstaunlich festen Griff, sodass ich es nicht schaffte, mich zu lösen. Dass ich eine Hexe war und mich mit den einfachsten Zaubern hätte befreien können, war mir in diesem Moment irgendwie nicht bewusst. So viel zum Thema "klügste Hexe ihres Alters".
Erst an Hagrits Hütte angekommen, machte er halt. Er kramte einen Schlüssel aus der Tasche und schloss die Tür, meinen misstrauischen Blick ignorierend, auf. Woher hatte er bitte einen Schlüssel? Aber auf meine Nachfrage zuckte er nur mit den Schultern und meinte, es ginge heute um mich, nicht um ihn. Wir setzten uns also an den gigantischen Tisch und rückten etwas ans Feuer. Hagrit war nicht da. Ich sah Remus fragend an.
"Hagrid kommt erst so in zwei Stunden aus den verbotenen Wald zurück. Ich dachte, das nutzen wir mal um etwas ungestört zu plaudern.", grinste Remus. "Ernsthaft?  Du hast mich den ganzen Weg durch den Regen bis hierher geschwelgt, nur um zu reden? Ohne Essen wohl gemerkt...", murrte ich wenig begeistert. Remus Miene wurde wieder ernster. Wenn er so guckte sah er immer schon so viel älter aus. Als hätte er schon so viel Leid und Schmerz erlebt, wie es in seinen jungen Jahren gar nicht möglich sein sollte. 
"Was ist James für dich, Lily", fragte er dann und warf mich damit völlig aus der Bahn. "Wie, was ist er für mich?", antwortete ich verwirrt. "Er war mal ein Freund, denke ich", füge ich dann hinzu. Remus nickte andächtig. Jetzt war ich noch verwirrter. "Lily, das was ich jetzt sage, wird dir nicht gefallen, aber ich denke, du wirst mir dennoch zustimmen", fängt er wieder an. Ich schnaube. "Ich denke, James war dir sehr viel wichtiger als du denkst." Ich wollte schon protestieren, aber er brachte mich mit einem Todesblick, der sonst so gar nicht zu seiner lieben Art passte zum Schweigen. "Und ich denke, dass dich sein aktuelles Verhalten verletzt, wenn auch anders, als du es vielleicht glaubst." "Ich bin nur genervt von seinem Verhalten. Ich finde nicht, dass er sich so verhalten sollte, wie er es mit Charlotte in der Öffentlichkeit macht! Das gehört sich einfach nicht", Falle ich ihm ins Wort. Was sollte mich denn bitte sonst verletzen? "Lily, bitte hör mir zu und streiten nicht gleich alles ab, was ich dir jetzt sage", begann er nun etwas sanfter. Ich nickte nur stumm. In meiner Magengegend verkrampfte sich etwas. "Du bist verletzt, weil er dir etwas bedeutet hat, Lily. Er war dir wichtig. Vielleicht sogar mehr als ein Freund und es macht dich wahnsinnig, dass er seine ganze Aufmerksamkeit nun Charlotte schenkt und nicht dir."
Der Knoten in meinem Bauch zog sich enger zusammen. Ich brachte kein Wort heraus. Meine Gesmdanke wirbelten und rauschten in meinem Kopf umher. Ich konnte keinen fassen.
"Du musst jetzt nichts sagen. Ich lass dich mit deinen Gedanken alleine. Wenn du zu einem Schluss gekommen bist - egal in welcher Richtung - dann komm zu mir, wenn du möchtest und wir machen einen Plan, wie wir dir wieder ein Lächeln ins Gesicht zaubern können", flüsterte Remus und verließ die Hütte mit einem leichten Lächeln, aber einem ernsten Blick in den Augen.
Womit hatte ich ihn nur verdient? Und hatte er womöglich Recht? War mir James Potter doch deutlich wichtiger, als ich es mir selbst eingestehen wollte?

Hinter Den MauernWo Geschichten leben. Entdecke jetzt