Ich war so in Gedanken versunken, dass ich zusammenschrak als die Tür mit einem lauten Quietschen plötzlich schwungvoll aufschwang und Hagrid herinpolterte. "Lily!", begrüßte er mich enthusiastisch. "Remus sagte, dass du mir eventuell noch etwas Gesellschaft leisten würdest. Schön, dass du mal wieder vorbeischaust." Er schloss die Tür, welche geräuschvoll ins Schloss viel, und ging zum Ofen, um ein paar Holzscheite nachzulegen. Ich hatte gar nicht bemerkt wie stark das Feuer bereits heruntergebrannt war. Wie lange saß ich hier schon? Hagrid pustete einmal kräftig in die Glut und auf Anhieb begannen wieder kleine Flämmchen an den Holzscheiten zu lecken. Manchmal fragte ich mich, ob Hagrid nicht doch talentierter in der Anwendung von Magie war, als viele es annahmen. Er Schritt zum Herd, nahm sich einen enorm großen Teekessel, befüllte ihn mit Wasser und stellte in auf die Platte. Dann drehte er sich wieder um und setzte sich mit einem tiefen Brummen zu mir an den Tisch. Kurz saßen wir einfach schweigend da. Ich bemühte mich, irgendwelche fröhlichen Worte zu finden, aber ich war noch zu verwirrt von dem Gespräch mit Remus. Dann brach Hagrid das Schweigen. "Möchtest du einen Felsenkeks?", fragte er fast schon etwas unsicher. Er schien den Sturm der Emotionen, der in meinem Inneren tobte zu bemerken. "Ja gerne", antwortete ich und es schlich sich tatsächlich ein kleines Lächeln auf mein Gesicht. Wie hätte ich auch nicht lächeln können. Hagrid war einfach zu gutmütig. Er schob mir die Kekse hin und während ich an einem knabberte und ich im Kopf die Zutaten für einen Zahnheilungstrank durchging, beschloss ich, Hagrid alles zu erzählen. Was sollte schon passieren und ich vertraute ihm.
Also berichtete ich ihm von James und mir. Wie ich ihn früher immer gehasst hatte als er und die anderen Rumtreiber einen Schüler nach dem anderen verarscht hatten, wie er dann angefangen hatte, mir bei jeder Gelegenheit Liebeserklärungen zu machen und ich es einfach nur als nervig empfunden hatte, wie wir uns dann auf einmal gut verstanden hatten und ich begonnen hatte, ihn zu mögen und schließlich wie er mit Charlotte zusammengekommen war und unsere Freundschaft irgendwie daran zerbrochen war. Hagrid hörte aufmerksam zu. Als ich geendet hatte, sah er mich nachdenklich an. "Lily... Ich bin nicht der Experte, was so was wie Liebe oder Beziehungen angeht... aber wenn er dir als Freund wichtig war...", begann er. Ich sah ihn fragend an. "Wenn dir eure Freundschaft wichtig war, warum versuchst du nicht, sie wieder aufzubauen?" Ich seufzte. "Ich habe nicht das Gefühl, dass James noch mit mir befreundet sein möchte" Hagrid sah mich mit seinen schwarzen Augen traurig an. "Wie ist es mit dir? Wärst du im Moment gerne mit dir befreundet?"Hagrids Worte hallten noch lange nach unserem Gespräch in meinen Gedanken wieder. Ich hatte mich in die Bibliothek zurückgezogen um meine Hausaufgaben zu erledigen. Ich konnte mich jedoch kaum konzentrieren. Meine Gedanken schweiften dauernd zu den Gesprächen des heutigen Vormittags. Im Gegensatz zu heute morgen nahm jedoch langsam ein Plan Gestalt an. Ich hatte Hagrids Frage für mich beantwortet. Ich war im Moment keine gute Freundin. Ich hatte Marls und Mary stark vernachlässigt und war eher ruppig als freundlich mit ihnen umgegangen. Und das hatten die beiden nicht verdient. Ich würde mich ab jetzt wieder auf mich selbst konzentrieren. Ich würde mich nicht mehr wie ein Zombie im Bett verkriechen und wie paranoid hinter jede Tür sehen und ich würde mich bei Mary und Marlene entschuldigen. Wenn ich dann wieder ich selbst war, dann konnte ich immer noch versuchen die Freundschaft zwischen James und mir, oder was auch immer das war, wieder herzustellen. Remus wäre stolz auf meinen Beschluss. Ich beschloss, ihm gleich morgen früh davon zu berichten.
Ich fing Remus vor dem Frühstück ab und wir machten uns gemeinsam auf zum See. Unter einer großen Eiche machten wir es uns gemütlich und ich staunte nicht schlecht als Remus Dosen gefüllt mit Pancakes, Rührei und Speck aus den Taschen zauberte. "Ich habe ein paar Freunde in der Küche", grinste er nur und ich begann sofort gierig zu essen, was er mit einem amüsierten Blick quittierte. Pff sollte er doch gucken, aber Essen ging bei mir über alles! Remus lehnte sich zurück ins Gras und blickte in das sich bereits verfärbende Blätterdach. "Und Lils, wie lautet dein Plan?", fragte er und richtete den Blick wieder auf mich. "Ich will wieder Lily Evans werden.", war meine einzige Aussage, aber Remus schien sie zu verstehen, denn er lächelte wissend und ich glaubte, so etwas wie Stolz in seinen Augen aufblitzen zu sehen.
Ich legte mich neben ihn und genoss ebenfalls das feuerrote Blätterdach. Ich war lange nicht mehr so entspannt und sorgenfrei gewesen wie in diesem Moment. Für einen kurzen Augenblick hätte ich das Gefühl als würde alles wieder gut werden und Zuversicht machte sich in mir breit. Ich dachte an Remus. Daran, was für ein guter Freund er geworden war und wie er mich immer wieder aufbauen zu können schien. "Remus", sagte ich leise. "Lily?", kam von ihm zurück. "Wie geht es dir?", fragte ich und versuchte, meine Stimme nicht zu zögerlich klingen zu lassen. Ich machte mir schon länger Sorgen um ihn. Die letzten Wochen waren die dunklen Schatten um seine Augen immer tiefer geworden und wenn er dachte, dass ihn niemand beobachtete, blickte er gehetzt in alle Richtungen, als würde ihn etwas oder jemand verfolgen. Ich spürte wie er sich neben mir anspannte. "Gut.", antwortete er knapp. "Das meine ich nicht, Rem. Wie geht es dir wirklich? Ich mache mir Sorgen um dich", versuchte ich es erneut. Plötzlich setzte er sich ruckartig auf ."Tut mir leid Lily, ich muss jetzt los. Ich habe vergessen, dass ich bis heute mein Projekt für Kräuterkunde abgeben muss. Wir sehen uns."
Und schon war er weg. Er ließ mich einfach unter dem Baum ohne eine Antwort sitzen. Täuschen konnte er mich aber nicht. Ich wusste, dass er besagtes Projekt bereits vor zwei Wochen beendet und abgegeben hatte. Was verheimlichte er und warum schien er so darunter zu leiden? Ich wusste, dass er mich aus der Sache, was auch immer es war, raushalten wollte, doch jetzt hatte er meine Neugier geweckt. Ich würde es herausfinden und dann würde ich ihm helfen, so wie er mir geholfen hatte.
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Hinter Den Mauern
CasualeEine Jily Fan Fiction aus der, wer hätte das gedacht, Rumtreiberzeit.