Kapitel 6

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Lio stützte meine linke Seite und Dearbhail meine Rechte. Ich bekam nicht wirklich mit wie sie es aus dem Wald schafften, aber das plötzliche Sonnenlicht stach mir in die Augen,  wie Nadeln in ein Kissen. Ich roch den vertrauten Duft meiner Umgebung. Ich sog ihn in mich auf und als ich das tat ging es mir ein wenig besser, dachte ich zumindest. Meine Knie wurden weich und ich knickte weg. Mir wurde schwarz vor Augen. Ich hörte noch wie eine von meinen beiden Freunden panisch an eine Tür klopfte und dann war ich weg.

Ich ging mit dem Buch zurück in ihre Wohnung. Mir blieb der Atem weg als ich ihr Zimmer betrat, dieser Duft, es roch nach ihr. Am liebsten hätte ich mich in diesem Duft verloren, doch ich musste konzentriert bleiben. Ich blendete meine Gefühle aus und schlug das Buch auf. Die alten Seiten waren brüchig und rochen vermodert. Ich fand den Aufspürzauber schneller als zuvor. Eine Rune, man muss sie dort zeichnen wo der Zauber gesprochen wurde und bei der suchenden Person. Bei der suchenden Person? Heißt das, ich muss sie in mein Fleisch schneiden?
Ich dachte nur kurz darüber nach, Chio war wichtiger als das Leiden meinerseits. Auf dem Weg in die Küche sah ich, dass die Badtür einen Spalt breit aufstand. Es verwunderte mich nicht weiter, da ja die ganze Wohnung verwüstet war und doch ließ mich der Gedanke nicht mehr los. In der Küche holte ich ein Messer, es war klein und scharf. Ich steckte es ein und wollte zurück ins Schlafzimmer, doch die Tür zum Bad ließ mir keine Ruhe. Ich öffnete sie langsam, der Raum war in völlige Dunkelheit gehüllt. Ein Schauer lief mir den Rücken hinunter. Ich schaltete das Licht an und mein Herz setzte einen Schlag lang aus.

Als langsam wieder zu mir kam lag ich auf einem Bett. Es war warm und weich und trotzdem fühlte ich mich Fremd, ich fühlte mich falsch. Ich blinzelte und war überrascht, dass die Sonne mir nicht in den Augen brannte. Es war dunkel, ich sah eine Schatten im Türrahmen. "Chio, bist du wach?", Dearbhails leise Stimme drang zu mir durch. "Ja.", meine Stimme klang fremd, kalt, leblos. "Chio, was ist los?", sie klang besorgt und kam auf mein Bett zu. Ich zuckte mit den Schultern. Ihr Kater sprang aufs Bett und schmiegte sich auf ihren Schoß. Ich hatte einen Kloß im Hals. "Hey?", ich musste mich räuspern. "Dear.", fing ich noch einmal an. "Weißt du wo Liana ist?", sie sah mich mit fragenden Augen an. "Nein, ich dachte sie sei bei dir.", sie zögerte kurz, ich hatte das Gefühl sie wolle noch etwas sagen, doch sie blieb still. Ich legte meinen Kopf wieder auf das Kissen und dachte angestrengt nach, wo ich sie das letzte Mal gesehen hatte. Aus dem unteren Geschoss drangen laute Stimmen zu uns hoch. "Nein! DASS IST NICHT NUR FÜR DICH!", es schepperte und ich hörte gestampfe. "LEG SOFORT DEN SCHINKEN WIEDER HIN, DER IST FÜR DAS ABENDESSEN!", wieder hörte man Geschirr klappern und diesmal schien es zu Bruch zu gehen. "IN DREI TEUFELS NAMEN, DEARBHAIL, SO HILF MIR DOCH MIT DIESER VERRÜCKTEN!", drang die Stimme von unten zu uns hoch. Diese Stimme kam mir ungewohnt bekannt vor. Doch mir war egal woher ich sie kannte. Ich drehte mich zur Seite, nahm etwas Schwung und setzte mich auf. "Ist alles okay? Vielleicht solltest du liegen bleiben, bis wir wissen was dir fehlt.", sie streckte eine Hand nach mir aus doch ich schlug sie weg. Ich sah an mir herunter und bemerkte, dass ich nur meine Unterwäsche trug. Es störte mich jedoch nicht weiter und ich verließ das Zimmer ohne Dearbhail zu antworten. Ich hörte wie sie mir zu folgen schien, doch es war mir egal. Ich ging eine Treppe hinunter und stand in einer, mir nur all zu gut bekannten Küche. Auf der letzten Stufe machte ich halt und beobachtete das Schauspiel was sich mir dort bot. Liosa hockte mit einem großen Stück Schinken im Mund auf einem Schrank und versuchte sich mit Händen und Füßen gegen eine Frau zu wehren, die mit einem Besen versuchte sie aus der Ecke zu scheuchen. Ich ging an den Beiden vorbei zum Kühlschrank und nahm mir eine Flasche mit Saft heraus. Die Beiden folgten mir mit den Augen und schienen über irgendetwas überrascht zu sein. Dann ging ich zu einem der Regale und nahm mir ein Glas. Während ich mir den Saft einschüttete fragte ich mich kurz, woher ich wusste wo ich das Glas zu finden hatte. Ich sah mich kurz um und erkannte due Frau die Liana in die Ecke drängte, es war meine Mutter. Natürlich nicht meine Leibliche, jedoch die Menschenfrau die mich aufgezogen hatte. Ich sah von ihr weg zu Liana auf dem Schrank. Ihr war der Schinken aus dem Mund gefallen und sah mich voller entsetzen an. Sie krabbelte langsam vom Schrank und kam zu mir herüber. "Ist alles in Ordnung?", erst bei ihren Worten realisierte ich wo ich war. Ich hörte wie das Glas in meiner Hand brach und heißer Schmerz durch meine Finger lief.

Blut, überall Blut. Was war hier nur passiert? Ich machte das Licht im Badezimmer an um mich besser umsehen zu können. Erst dann realisierte ich was ich vor mir hatte, es war ein Schlachtfeld. Hier hatte jemand gekämpft. Ich nahm mir ein Stück Kreide und makte schnell eine Rune auf den Boden. Als ich den letzten Strich setzte, fing die Rune an zu leuchten. Ich setzte mich im Schneidersitz vor die Rune und fing an zu meditieren. Dies war mekne bevorzugte Art zu zaubern. Chio benutzte immer ihre Emotionen, die pure Kraft ihres Körpers und ihres Elements, doch ich bevorzugte kontrollierte, friedliche Magie. Magie die niemandem wehtut. Als ich die Worte des Trennungszaubers sprach, sah ich wie sich das Blut auf zwei Haufen aufteilte. Die Rune hörte auf zu leuchten und ich stand auf. Ich betrat erneut das Bad und sah mich um. Auf der linken Seite, sah man hauptsächlich Blut und etwas, dass wie ein kleines Stück Leder aussah, ich hob es auf und betrachtete es. Es musste dem Angreifer gehören. Dann sah ich mir die rechte Seite des Badezimmers an. Dort sah das ganze etwas anders aus. Dass erste was mir ins Auge sprang, war ihr Herz. Ihr kleines, unschuldiges Herz. Tot.

Hexen- Das ErwachenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt