"Dorran." Sie sah mich mit großen Rehaugen an. "Ihr wisst nicht wo sie ist!" Ich schlussfolgerte, doch an ihrer Reaktion sah ich, dass ich recht hatte. Eine unbändige Wut baute sich in mir auf. "Wie hast du es eigentlich geschafft uns zu kontaktieren?" Nun sah sie mich besorgt an. Doch ich wurde nur noch wütender, auf eine Standpauke von ihr hatte ich nun wirklich keine Lust, ich musste zu Chio! Ich schlug gegen den Kesseln und die Flüssigkeit ergoss sich über den Fußboden. Ich nahm mir erneut die Bücher und blätterte hektisch darin herum um einen Zauber zu finden, der es mir ermöglichen würde zu ihr zu kommen. Nichts war mehr wichtig, außer dieser Gedanke.
Ich beobachtete sie einen Augenblick bevor ich verstand was ich sah. Ich hatte ihr das angetan. Doch ich fühlte weder Reue noch Mitleid, ich fühlte gar nichts. Es war eine tiefe leere in mir, die nichts zu stillen vermochte, so schien mir. Mit einem Wink meiner Hand kam ein Lufthauch zu mir und umspielte meine Finger. Ich richtete ihn auf das Fenster, was sich daraufhin mit einem klicken öffnete. Amelia drehte den Kopf und sah mich. Ihr Gesicht war halb vernarbt und in ihren Augen war pure Angst. Ich stieg ein und ging auf sie zu, ohne auch nur ein Wort zu sagen. Ich legte ihr eine Hand auf die Schulter und ihr lief eine Träne über die Wange. Vermutlich hätte sie angefangen zu schreien, doch kein Ton kam aus ihrem Mund, keine Silbe, kein Garnichts.
Hektisch blätterte ich in den Zauberbüchern um einen Weg zu finden, ein Portal oder irgendwas, Hauptsache zu ihr. Ich hatte sie im Stich gelassen, ich, ihr Beschützer! Ich wusste welchen Preis die dunkle Magie forderte, doch dass war mir egal. Ich spürte wie sich ihr dunkler Spross in meinem Herzen einpflanzte und es mit Dunkelheit erfüllte. Es stach wie ein Dorn. Ich wurde mit jeder Seite, die nicht die Antwort enthielt, immer frustrierter. Ich riss die Seiten aus ihren Büchern, als könnten sie etwas für meine Misere. Dann fand ich es. Ein großes schwarzes Buch. Gebunden in eine Art Leder die ich noch nie zuvor gesehen hatte. Verschlossen mit einer dicken Eisenkette, verschlossen mit einem Blutzauber. Ich nahm ein Messer und stach mir in die Hand. Ein Tropfen Blut landete auf dem Einband und die Kette fingen an sich wie Schlangen vom Buch zu bewegen. Sie krochen auf den Boden und verschwanden in den Ecken des Raumes. Ich öffnete das Register und suchte nach einem Portalzauber. Es dauerte nicht lange biss ich die richtige Seite gefunden hatte. Ich hatte alles was es benötigen würde bei mir. Teils Überreste vom ersten Zauber, Teils aus eigener Sammlung. Ich suchte schnell alles zusammen und las die Anleitung durch. "Man nehme: Blut des Reisenden und einen Gegenstand von dem Ort an den man Reisen möchte." Ich ging in Chios Zimmer und holte die Kleidung, die sie anhatte, als sie das erste Mal in unsere Welt kam. Mir war bis heute nicht klar wieso sie sie behalten hatte. Vermutlich aus einem Sentimentalen Moment heraus. Ich warf alles in das Chaos von Büchern. "Weiter benötigt man die Asche einer Jungfrau." Ich sah auf den Boden und sprach kurz einen Zauber, der die Asche vom Dreck auf dem Boden trennte. Sie flog an mir vorbei, zurück in das Glas aus der ich sie geholt hatte. "Man vermische die Asche mit 200 ml des Blutes des Reisenden und gebe es dann auf den Gegenstand aus der Welt in die man Reisen möchte." Ich nahm das Messer erneut und schnitt mir in das Handgelenke. Das Blut floss in dicken Strömen aus meinen Adern und vermischte sich sofort mit der Asche. Ich räumte einen kleinen Platz zwischen den Büchern frei und legte die Kleidung dort ordentlich aus. Das Blut mit der Asche glitzerte fast als es das Licht des Mondes reflektierte. "Der Reisende muss sich nun in einen tiefen Zustand der Trance versetzen und seinen Geist für die übermenschliche Erfahrung öffnen." Ich setzte mich im Schneidersitz auf die mit Blut getränkten Klamotten und begann zu meditieren. Als sich mein Geist öffnete, spürte ich einen Stich in der Brust. Das Gefühl riss mich aus der Trance und ich fiel auf den Boden. Anscheinend hatte ich geschwebt. Ich hob mein Hemd und sah wie der Fleck unter dem sich mein Herz befinden musste, tief schwarz verfärbt war. Ich sammelte mich und atmete tief durch. Dann startete ich erneut die Trance, das stechende Gefühl kam erneut, doch diesmal war ich darauf vorbereitet. Ich sank immer tiefer in Trance und plötzlich sah ich ein grelles Licht. Ich ging darauf zu und wurde geblendet. ich konnte nichts sehen, nichts hören, nichts riechen. Dort war nur leere. Eine endlose, tiefe Leere.
Ich hatte gar nicht bemerkt, dass ich ihr den Mund verboten hatte. Unfähig zu sprechen, unfähig zu schreien. Ein Strick aus Luft machte es ihr unmöglich auch nur einen Piep von sich zu geben. Das war das erste mal, dass ich meine Macht gegen eine unschuldige Person eingesetzt hatte. Und doch, ich fühlte keine Reue. "Sieh was aus dir geworden ist." Meine Stimme war leise, ruhig, bestimmt. Sie fing an zu weinen. Ihre Finger krümmten sich und sie schloss die Augen. "So hilflos. So..." Ich stockte kurz. "zerbrochen." Meine Finger glitten über ihre Schultern als ich an ihrem Rücken vorbei lief. Sie zuckte zur Seite, doch ich hatte sie fest in meinem Griff. Was tat ich gerade? Dass war nicht ich. Ich schüttelte mich, versuchte das Gefühl los zu werden, doch ich wurde immer tiefer in die Dunkelheit hineingezogen. Ich schloss die Augen atmete tief durch und sah sie an. Ihre Augen hatte sie immer noch geschlossen und ich roch den beißenden Gestank von Urin. Sie hatte sich wohl vor Angst in die Hose gemacht. "Dein Glück, dass ich heute gut gelaunt bin. Ansonsten hätte ich nämlich schon längst dass hier getan." Ich schloss meine Hand zur Faust und verdrängte jeglichen Sauerstoff in ihrer Nähe. Sie fing an nach Luft zu schnappen und griff sich an den Hals. Ihre Lippen formten ein einziges Wort. Wieso. Ja, wieso eigentlich? Was war los mit mir? erneut versuchte ich das Gefühl los zu werden, diesmal gelang es mir etwas besser. Ich riss mich zusammen und lockerte meinen Griff. Sie atmete tief ein und beruhigte sich etwas. "Es tut mir leid." Ich ging zum Fenster, sah zu ihr zurück und sprang in die kalte der Nacht. Was war nur los mit mir? Sie hatte mir nie etwas getan. Ein tiefer Schmerz machte sich in meiner Brust breit, war dass nun doch die Reue? Doch er wurde immer schlimmer. Das war nicht normal. Ich bekam keine Luft mehr. Ich konnte nicht atmen. Ich sah an mir herab und merkte, dass mein Körper von innen heraus zu Kristall, oder Glas oder so etwas wurde. Ich drehte mich um und sah zurück zu dem Fenster, dort saß sie in ihrem Rollstuhl am Fenster, die Augen in ihren Höhlen verdreht und die Hand zu einer Faust geballt. Doch unberührt von diesem Anblick, ließ ich nur den Kristall mit einem Windstoß zerbersten und flog in die Nacht davon.
Nach einer kurzen Weile flog ich über einen Friedhof. Ein grelles weißes Licht blendete mich und ich blieb kurz auf einer Stelle, dann fiel mir ein großes, schweres etwas in die Arme und ich fiel. Meine Flügel konnten das Gewicht nicht tragen, dafür kam es zu überraschend. Ich hörte nur noch ein lautes knirschen, als ich mit dem Rücken auf einem der Grabsteine landete.
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Hexen- Das Erwachen
FantasiZweiter Teil der "Hexen"-Reihe Nach dem Kampf mit Murga ist nun Chioraidh die Anführerin des Zirkels. Sie versucht Gerechtigkeit walten zu lassen und die 13 Städte nach Murgas fall wieder zu stabilisieren. Der Zirkel verlangt von ihr schnellstmöglic...