Kapitel 9

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Mein Rücken tat höllisch weh und es fühlte sich an als läge ein Zementsack auf meiner Brust. Es war zu dunkel um zu erkennen, was da auf mir gelandet war. Doch dann stöhnte es und fing an sich zu bewegen. Als es sich aufrappelte sah ich was es war, oder besser wer. Dorran war auf mir gelandet. Ich wusste nicht wie oder warum er mir gefolgt war, aber nun war er hier. Ich starrte ihn an. Ich hätte glücklich sein müssen, oder zumindest erleichtert, oder sauer. Irgendwas, etwas das anders war als diese stumpfe Leere in mir. Er schloss mich in seine Arme. Seine Brust fühlte sich kalt an. "Was ist los mit dir?" meine Stimme klang hohl und leer. Er sah mich schräg an und sah dann an sich herab. Seine Brust wurde von schwarzen Linien überzogen, sie alle führten zu einem zentralen Punkt, seinem Herzen. Er griff sich an die Brust und fiel um. 

Das Licht schwand und es fiel mir schwer bei Bewusstsein zu bleiben. Doch als ich endlich wieder voll zu mir kam, sah ich sie. Es hatte so lange gedauert und nun war ich endlich wieder bei ihr. Doch sie sah mich nur seltsam an, zeigte auf meine Brust und frage was mit mir nicht stimme. Gerade als ich an mir herunter sah, kam der stechende Schmerz zurück, jetzt noch tausendmal heftiger als zuvor und mir wurde schwarz vor Augen. Ich hörte noch wie sie einen Heilzauber auf sich wirkte und dann einen Schwebezauber. Sanft glitt die Luft unter mir durch und hob mich hoch. Ich konnte mich nicht mehr halten und sackte ganz weg. Als ich wieder wach wurde, lag ich in einem dunklen Zimmer in einem weichen Bett. Meine Augen brauchten einen Moment um sich an das schwache Licht zu gewöhnen. Ich blinzelte ein paar mal und dann wurde meine Sicht klarer. Ich lag in einem Schlafzimmer von, vermutlich, einem Teenager Mädchen. An der Wand hing ein großer Spiegel und die Bettlaken waren hell rosa. Ich sah auf meine Brust, sie war bandagiert. Der Schmerz hatte aufgehört und neben mir auf dem Nachttisch stand ein großes Glas Wasser und ein paar Schmerztabletten. Ich nahm das Wasser und leerte es in einem Zug. Dann versuchte ich aufzustehen. Wie als hätte ich einen Bewegungsmelder ausgelöst stand jetzt jemand neben mir und griff mir vorsichtig unter die Arme. Als ich aufblickte sah ich sie. Noch schöner als zuvor, jedoch mit tiefem Schmerz in den Augen, den sie vor der Welt zu verbergen suchte. "Hallo.", sagte sich schwach und mit einem halb gezwungenen, halb ehrlichen grinsen. Sie lächelte kurz, besinnte sich jedoch gleich wieder und half mir mich aufzusetzen. "Ich habe nach dir gesucht." Ich sah sie an, ich versuchte hinter die Fassade zu blicken, direkt in ihre Seele um zu erkennen wie zerstört sie war. "Dass hättest du nicht tun sollen." Ihre Stimme war eiskalt. Ihre Augen schienen mich zu durchbohren und doch, egal wie sehr sie sich anstrengte ich konnte nichts böses in ihnen erkennen, ich sah immer noch meine Chio. "Ich muss dir helfen. Liana... sie... ich habe sie gefunden, zuhause." Ich versuchte Gefühlsregungen in ihr zu erkennen, irgendein Zeichen, dass ihre Seele nicht in tausend Stücke zersprungen war und dann sah ich es. Schmerz, echter aufrichtiger Schmerz. Sie war nicht verloren, sie fühlte es und ich fühlte es. 

Als er ihren Namen aussprach durchzuckte mich ein ekelhaftes Gefühlt. Eine tiefe Trauer, die ich, vor allem nach den letzten Tagen, nicht recht einzuordnen wusste. "Was ist mir ihr, hast du sie mitgebracht?" Meine hoffnungsvolle Stimme schwand, als ich seinen Blick sah. Es war Mitleid. Ich wollte kein Mitleid, Mitleid würde heißen, dass ihr etwas schlimmes zugestoßen war. Wenn sie überhaupt noch lebte. Wieso konnte er mir nicht irgendetwas anderes geben? Zorn, wie damals als sie seine Ansteckblume gegessen hatte oder Belustigung, wie als sie ihren Kopf in ein Einmachglas gesteckt hatte und ohne Hilfe nicht mehr heraus kam. Ich musste kurz lachen, als ich mich daran erinnerte. Er legte mir eine Hand auf die Schulter. "Ich muss dir leider etwas sagen Chio." Sein Blick war ernst. Ernst, konnte nichts gutes bedeuten. "Sie" Er zögerte kurz, schien mich zu prüfen, ob ich stark genug war, so dass er es aussprechen konnte. "Sie ist tot." Obwohl ich es erwartet hatte, traf mich diese Nachricht wie ein Fausthieb in die Magengrube. Tränen schossen mir in die Augen und ich atmete schnappend ein. Er nahm mich in den Arm, alles wurde unscharf und ich hörte nur noch mit halbem Ohr zu. "Alles wird gut, ich werde es nicht zulassen, dass dir etwas passiert." Von hinten umarmten mich weitere Leute. Pyre sprang mir auf den Schoss und Matt schmiegte sich gegen meine Beine. Die Anwesenheit der Seelentiere brachte mir etwas frieden. Sie schienen aktiv meinen Gemütszustand zu beeinflussen. Ich legte meine linke Hand auf den Kopf des Katers und meine Rechte auf den kleinen Fuchs. Eine woge von wärme durchzog mich und ich fühlte mich nicht mehr ganz so leer. 

Als Liosas kleiner Fuchs Pyre auf Chios Schoss sprang wollte ich ihn erst verscheuchen in der Sorge, er könne sie daran erinnern, was sie nicht mehr hatte. Doch auch Dearbhails Seelentier Matt ging zu ihr und schmiegte sich an sie. Als ich dann in Chios Gesicht sah, sah ich wie der Schmerz leichter wurde. Die Beiden Seelentiere fingen an zu glühen und als Chio ihre Hände auf ihre Köpfe legte fingen auch ihre Hände an zu glühen. "Was passiert da?", fragte Liosa als sie bemerkte, dass Chio anfing sich zu verhalten, wie an dem Tag als sie ein unzertrennliches Band mit Liana eingegangen ist. "Ich bin mir nicht sicher." Ich sah mich kurz um. Etwas klopfte gegen das Fenster. Ein riesiger Mantarochen, scheinbar aus purem Glas, schwebte davor und auf seinem Rücken saß die einzige Person die Chio in diesem Augenblick wirklich bei sich haben wollte, Cailean. Ich stand vorsichtig und noch etwas unbeholfen auf. Meine Brust tat immer noch höllisch weh. Als ich näher zum Fenster kam sah ich wie Luke anfing ebenfalls zu leuchten. Ich öffnete das Fenster und lies die beiden herein. Chio schien sich immer mehr zu entspannen. Cailean sprang von Lukes Rücken ab und flog zu ihr. "Was ist passiert?" Cailean sah mich sorgenvoll an. Ich erklärte ihr kurz was während ihrer Abwesenheit passiert war. Als ich in den Spiegel sah, sah ich jedoch ein Bild, dass ich zuvor noch nie gesehen hatte. Die Geisterhaften Seelentiere sendeten dünne Fäden aus mit denen sie ein zersplittertes Abbild von Chio wieder zusammen nähten. "Hey, seht mal." Ich zeigte auf den Spiegel und alle im Raum waren plötzlich still. "Sie heilen sie." Dearbhails Stimme war ruhig und bestimmt. "Es sieht fast so aus, als würden sie alle eine schwache Verbindung mit ihr eingehen um ihre Seele zu erhalten." Ich blickte vom Spiegel weg zum realen Schauspiel. Luke hatte sich mittlerweile wie eine Decke um Chios Schultern gelegt und alle leuchteten in einem sanften Blau. Als die Seelentiere ihre Arbeit vollendet hatten und alles zersprungenen Teile von Chio wieder an ihrem Platz waren, kamen sie auf mich zu. Pyre legte mir eine Pfote auf die Brust, genau an die Stelle wo mein Herz von der schwarzen Magie vereinnahmt wurde. Seine Pfote leuchtete immer noch und ein Schmerz wie ich ihn noch nie zuvor verspürt hatte durchzog mich durch und durch. 

Hexen- Das ErwachenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt