Kapitel 4

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Als wir die Mauer erreichten die die 13. Stadt von dem Wald abgrenzte atmeten meine Freundinnen schwer. Sie waren so lange Wege nicht gewohnt und ich war die ganze Zeit über geflogen, was natürlich für mich eine Erleichterung war, aber die Beiden mussten die ganze Zeit über versuchen Schritt zu halten. "Lasst uns eine Rast einlegen.", sagte ich bestimmt und ein Funken Hoffnung blitzte in Liosas Augen auf. "Wir können bestimmt in meinem Elternhaus verbleiben!", vor Aufregung überschlug sich ihre Stimme förmlich. Das alte Steinhaus war tatsächlich nicht weit von unserem Aufenthaltsort gelegen und so stimmte ich zu. Die dunklen Wolken am Himmel zogen sich zu und von Minute zu Minute wurde es düsterer. Liosa führte uns durch die Gassen der alten Stadt und als wir endlich angekommen waren taten selbst mir die Füße weh. Sie klopfte energisch gegen die leicht vermoderte Holztür und ein junger Mann machte auf. "Wer seid ihr? Was wollt ihr?", seine violetten Augen verengten sich. Sein bubenhaftes Gesicht war zu einer finsteren Miene verzogen. "Ich bin es, Liosa, du musst Tom sein, mein kleiner Cousin, naja, so klein bist du ja gar nicht mehr. Wie alt bist du mittlerweile? Sechs oder doch schon Sieben?", wie immer sprach Liosa viel zu schnell und viel zu aufgeregt als dass jemand all ihre Fragen hätte verstehen, geschweige denn darauf antworten können. "Ich bin schon Neun!", sagte der Junge und zwinkerte Liosa stolz an. "Mama, Liosa ist hier und hat Freunde dabei!", er rief in die kleine Hütte und öffnete die Tür einen Spalt weiter. Eine Frau mit schütterem Haar trat hervor und beäugte uns misstrauisch. Nach einer gefühlten Ewigkeit schloss sie schließlich Liosa in eine feste Umarmung und ich sah wie ihre Augen von Tränen feucht wurden. Wir traten ein in das viel zu enge und viel zu kleine Haus und sahen uns um, zwei Betten. "Wir sollten gehen, sie haben kaum genug Platz für sich, da sollten wir uns nicht noch dazu quetschen.", flüsterte ich Liosa ins Ohr, sie bekam Gänsehaut am Hals und wurde unnormal steif. Sie nickte kurz und trat dann einen kleinen Schritt vor. "Tante Muriel, wir schauen nur kurz vorbei um auf Wiedersehen zu sagen, wir werden eine Weile weg sein.", sie umarmte ihre Tante und ihre Stimme zitterte. Ich winkte ihnen und wir gingen durch das Stadttor in den tiefen, dunklen Wald. Jemand griff nach meiner Hand, als ich aufsah, sah ich Liosa, sie zitterte und Angst blitzte in ihren Augen. Ich drückte ihre Hand und versuchte ihr etwas von meiner Stärke zu geben, doch selbst ich musste zugeben, dass ich Angst hatte. Ich hatte keine Angst vor der Dunkelheit oder vor den Tieren, nein, ich fürchtete mich vor den Spiegeln. Die Spiegel die mich in diese Welt gebracht hatten. Je tiefer wir in den Wald gingen, desto düsterer wurde es, man konnte den Mond nur noch schemenhaft hinter dem Blätterdach sehen. "Da vorne ist eine Lichtung!", Dearbhails Stimme riss mich aus meinen Gedanken. Ich sah nach vorne und erblickte die Lichtung, durch die ich vor über drei Jahren hierher gekommen war. Ein alter, etwas rostiger Spiegel stand auf der uns gegenüberliegenden Seite an einen Baumstamm gelehnt. Ich betrat die Lichtung und wie auf ein stummes Kommando hin, kamen Glühwürmchen aus dem Unterholz und erleuchteten die Dunkelheit. Da bemerkte ich, dass Liosa meine Hand losgelassen hatte und ich blickte mich um. Die beiden standen am Rand der Lichtung und sahen mich erwartungsvoll an. "Guckt nicht so, ich hab auch keine Ahnung wie wir durch den Spiegel in meine Welt kommen.", sie sahen mich verdutzt an. "Aber Chio, dass hier ist doch deine Welt.", sagte Dearbhail mit fester Stimme. "Dass meinte ich so nicht. Ich meine die Welt in der ich aufgewachsen bin, wo meine Familie ist.", ich drehte mich von ihnen weg damit sie nicht sahen wie traurig ich wurde. "Aber ich dachte wir wären jetzt so etwas wie deine Familie!", in Liosas Stimme schwang Wut mit und ich verstand sie. "Natürlich seid ihr dass, aber ihr könnt nicht meine Schwester und meine Mutter ersetzen, dass müsst ihr verstehen.". Ich legte eine Hand auf den mit Gold umrandeten Spiegel und blickte hinein. Für einen kurzen Augenblick glaubte ich, ich hätte das Gesicht meiner Schwester darin gesehen, doch wahrscheinlich hatte ich es mir nur eingebildet. "Dearbhail, du bist doch so schlau, na dann lass dir mal einen Weg einfallen, wie wir auf die Erde kommen.", ich drehte mich um und lächelte die beiden an. Eine einzelne Träne lief mir langsam über die Wange.

"Diese scheiß Köter!", die Stimme des kräftigen Mannes mit der Schrotflinte hallte durch die Nacht. "Was ist passiert?", ich sah mich zu den anderen um, doch durch die Nacht konnte ich nicht viel erkennen. "Dieser Scheißhund hat Dimitri das Bein zerfleischt!", schrie der kräftige Mann zurück und feuerte einen Schuss ab. Ein Jaulen erfüllte die Luft, gefolgt von einem dumpfen Geräusch. "Ihr sollt die Hunde in das Energienetz treiben und nicht erschießen!", eiskalt wehte meine Stimme zu den Männern rüber. "Was spielt das denn für eine verfi*** Rolle? Außerdem, du bist nicht unser Boss! Nur weil du die Oberhexe fi*** heißt dass nicht, dass du unser König bist oder so'ne Scheiße!", die Männer lachten, ich versuchte ruhig zu bleiben und atmete tief durch. Ohne Vorwarnung drangen grässliche Schreie aus der Richtung der Männer, ohne über seine letzten Worte noch einmal nachzudenken rannte ich in die Richtung der Jäger. Ein schwarzes etwas hing auf den leblosen Körpern der Männer und schien sie gerade zu fressen, als es mich bemerkte neigte es seinen fledermausähnlichen Kopf in meine Richtung und sah mich aus feuerroten Augen an. Es schien mich zu erkennen und wankte einen Schritt zur Seite, dass Blut spritzte aus der offenen Halswunde und der Mann gab ein schmerzverzerrtes Krächzen von sich. Als ich meine Aufmerksamkeit wieder dem Fledermaushybrieden zuwenden wollte, war er bereits in der Dunkelheit des Waldes verschwunden. Ich lief zu den Männer und drückte meine Hände fest auf die blutende Wunde des ersten Mannes. "Sana!", meine Stimme war klar und bestimmt. Ich zögerte nicht und sah mir auch nicht das Ergebniss an, ich ging weiter zum nächsten Mann und wiederholte das Ritual. "Sana!", meine Stimme füllte die Leere zwischen den Schmerzensschreien der Männer. 'Was war das bloß für ein Ding, was solch einen Haufen an bewaffneten Männern einfach niederstreckte? Ich muss Chio danach fragen, vielleicht weiß sie etwas darüber.'. Ich ging zum nächsten Verletzten doch er hatte aufgehört sich vor Schmerzen zu winden, ich fühlte nach seinem Puls, nichts. Er war tot, so wie die anderen Männer die ich nicht hatte retten können. Doch ich durfte mich nicht der Trauer über die Verluste hingeben, ich hatte eine Aufgabe zu erfüllen, für meine Königin. Ich horchte in die Nacht, doch hörte kein Treiben mehr, ich hörte auch keine Fußstapfen von den Hunden, es war ruhig geworden, zu ruhig. Doch fürs Erste sollte es mich zufrieden stellen. Wieso den Frieden in frage stellen? Ich wandte mich in Richtung der hohen Mauer, schnappte mir die zwei Verletzten, die ich hatte retten können und ging mit ihnen in Richtung der Stadt.

Hexen- Das ErwachenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt