Kapitel 12

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Als es dunkel wurde hatten wir es geschafft das alte Backsteinhaus wieder aufzubauen. Cailean hatte alle Schutzzauber aufgebaut. Meine Schicht war gerade vorbei. Die Erschöpfung übermannte mich und doch war ich so ekstatisch, dass wir dies alles allein aufgebaut hatten, dass wir uns sofort das Gebäude von innen ansehen mussten. Liosa lief gerade an mir vorbei und warf mir ein Lächeln zu. Da blieb sie stehen und inspizierte mein Gesicht. "Wow. Dass sieht ja cool aus!" Rief sie und zeigte auf mich. Alle Anderen kamen zu ihr und inspizierten mich nun auch. Sie kicherten und sahen mich an. Dann kam Cailean ein paar Schritte auf mich zu und formte einen Spiegel aus Kristall. In meiner Reflektion könnte ich es eindeutig sehen. Die Linien der Seelentiere waren zu fast schwarzen Linien ähnlich eines Tattoos geworden. Sie hatten sich zu Schnecken und Schnörkeln verformt und sahen eigentlich gar nicht mal schlecht aus. "Na ja, daran kann ich ja wohl jetzt wenig ändern." Sagte ich belustigt und ging vor durch die schwere Eichentür.

Als ich die Augenöffnete war es dunkel. Es hatte aufgehört vor dem Höhleneingang zu schneien. Vor mir war alles dunkel, dass Feuer war wohl erloschen. Ganz langsam spürte uch es. Eine schwere auf meinem Kopf, die ich im ersten Moment fälschlicherweise für Kopfschmerzen gehalten hatte. Doch nun bewegte es sich. Jemand strich mir sehr langsam über den Kopf. Die Hand war kalt also kein Amudein. Ich rollte mich schnell über die Seite, weg von der Person die mir über den Kopf strich. Ein paar spitze Steine bohrten sich in meine Rippen. Der Stein unter mir war abgekühlt von der eisigen Umgebung.
Ich riss meine Augen auf in der Hoffnung um etwas in der Finsternis erkennen zu können. Vor mir in dem holzigen Nest, saß eine riesige, schwarze Gestalt. Ihre eine Klaue hing noch in der Luft und die Andere klammerte sich an den Rand des Nestes. Ihre widerlichen blutunterlaufenen Augen starrten mich verdutzt an. "Wer, nein, was bist du?" Ich konnte den Abscheu in meiner Stimme nicht verbergen. Es sah mich erschrocken an, ließ einen schrillen Schrei aus dem schwarzen Schnabel ertönen und breitete seine lederartigen Flügel aus. Ich stutzte kurz. Die Flügel des Wesens sahen fast aus wie meine. "WER BIST DU?" Wiederholte ich. Langsam wurde ich wütend. Ich konnte die Luft spüren, wie sie mir durch die Finger strich. Es war ein gutes Gefühl zu wissen, dass mein Element an meiner Seite war. Es zerriss mir fast das Trommelfell, als die Kreatur ein zweites mal brüllte. Mit einem kräftigen Stoß ihrer Flügel, stieß sie sich vom Nest ab und flog in den Nachthimmel. Alles in mir wiederstrebte sich dem Wesen nach zu fliegen. Scheinbar hatte ich in seiner Höhle geschlafen. Selbst dran Schuld. Das Nest war ja nicht Hinweis genug gewesen für mich. Dass hätte ich kommen sehen sollen. Ich sah aus der Höhle. Der Horizont verfärbte sich langsam zu einem tiefen Violett.
Beständig wurde es heller und die ersten Sonnenstrahlen erleuchteten die Höhle. Ich hatte mich die Nacht zuvor nicht umsehen können, weil ich zu erschöpft gewesen war. Nun schien mir die perfekte Gelegenheit dazu, bevor diese übergroße Fledermaus zurück kam. Das riesige Nest, ich hatte gedacht es bestünde aus Stroh, bestand tatsächlich aus Fellfetzen und Knochen. Es schüttelte mich am ganzen Körper bei dem Gedanken, dass ich daneben geschlafen hatte. Soweit ich es erkennen konnte handelte es sich um Ziegenkadaver. Doch als ich einen Blick in das Nest des Monsters warf, stockte mir der Atem.

Mir wurde warm als wir in das geoße Zimmer mit dem Kamin liefen. Die Flammen loderten und es fühlte sich an wie ein Zuhause. "So hab ich es mir vorgestellt." Meine Stimme war ruhig und die Anderen nickten still. "Wir sollten noch ein paar Vergrößerungszauber wirken." Dearbhails Stimme klang kritisch. "Dass stimmt!" Stimmte Liosa zu. "Gut dann kümmert ihr euch um die Zauber. Cailean und ich sehen uns weiter um und bereiten den Hof vor." Sie nickten zustimmend und wir gingen die alte Holztreppe hinauf.

Nachdem wir die restlichen Zimmer begutachtet hatten gingen wir durch die Hintertür in der Küche nach draußen. "Was denkst du brauchen wir noch?" Ich sah Cailean fragen an und sie runzelte die Stirn. "Was hältst du von ein paar Gewächshäusern, Chio?" Sagte sie nach einer kurzen Bedenkpause. Ich lächelte und nickte energisch. Wir gingen nach draußen. Die Sonne war dabei unterzugehen. Der Himmel leuchtete violett und ich spürte wie eine warme Brise mich umgab. Cailean ging vor mir her und hinter ihr, in den Wäldern, wachten die ersten Tiere auf. 

Vor mir auf dem Boden des Nestes lagen Federn und Vogelknochen. Ich konnte noch genau die Energie spüren die von Lianas totem Körper ausging. Dieses Ding hatte sie getötet. Aber wie war es in den Turm gekommen? 1000 Fragen kreisten in meinem Kopf und ich wusste zu keiner die Antwort. Ich wusste nur dass ich sie rächen wollte. Ich wusste das Rache nicht die Lösung war, aber trotzdem hatten Chio und Liana Gerechtigkeit verdient. Ich beschloss in der Höhle auf die Rückkehr des Wesens zu warten. Ich meditierte und viele Stunden vergingen, die Sonne schien schon wieder leuchtend rot über den Bergkamm. Es hatte wieder angefangen zu schneien. Plötzlich wurde ich aus meiner Trance gerissen. Vor mir griff eine menschliche Hand den Abhang über dem sich die Höhle befand. Erst zögernd ging ich auf die Hand zu. Dann sah ich wie jemand versucht sich den steilen Abhang hinaufzuziehen und wie der Boden unter seinen knochigen Fingern weg brach. Ich schloss die Augen und konzentrierte mich darauf, wie die Luft sie emporhob. Ich sah wie ein roter Haarschopf sich über die Klippe hob, die Haare waren verfilzt und zerzaust. Dann ihre Augen. Blaue Augen, blutunterlaufen. Eine, für eine Frau, relativ große Nase. Die Wangen eingefallen vom leben als Einsiedler. Ihre Lippen waren trocken und spröde und trotzdem konnte man noch erkennen, dass sie einst schön geschwungen und rosig gewesen waren. Ihr Gesicht erinnerte mich an etwas, doch mir wollte ums verrecken nicht einfallen woher ich sie kannte. Ihre Haut war ledrig und ihre Gestalt hager. Angestrengt versuchte ich mich zu erinnern woher ich sie kannte. Dann traf es mich wie einen Schlag in die Magengrube. 

"Ist schon in Ordnung, ich bin jetzt da." Sie streckte eine Hand nach mir aus, in ihren Augen sammelten sich Tränen. Diese Geste der Selbstgefälligkeit ließ sich mir den Magen umdrehen. "Du hast schon lange nicht mehr das Recht, mich in die Arme zu schließen." Ich trat einen Schritt zurück. Sie ließ die Hand sinken und kam einen Schritt auf mich zu, scheinheilig lief ihr eine Träne über die Wange. Mir schossen 100 Dinge durch den Kopf die ich ihr an den Kopf werfen möchte, doch ich versuchte mich zurück zu halten. Ich konnte die Abscheu auf meinem Gesicht nicht verbergen und ich wollte es auch nicht. "Bitte, Dorran." Der Kies knirschte unter ihren Füßen, als sie noch einen Schritt weiter auf mich zukam. Mein Rücken fühlte sich feucht an, als sich der kalte Stein der Höhlenwand gegen meine Schulterblätter drückte. Shit. "Ich habe so viel für dich aufgegeben. Ich wollte euch nicht verlassen, aber ich wusste, dass es das Beste sein würde, euch gehen zu lassen. Du hattest es besser bei deiner Großmutter. Ich hätte euch nie das geben sollen, was ihr gebraucht hättet. Ich habe alles aufgegeben nur damit es dir gut geht und du nicht dieselben Fehler begehst wie ich. Siehst du wie ich hier lebe. Dass ist alles nur für dich, nur wegen dir!" Sie stützte die knochigen Hände auf die Hüften. In mir brodelte es. "DU bist nur geflohen, weil du Angst um dein eigenes Leben hattest! Du hast mich und meine Großmutter zurück gelassen, verängstigt, hungrig ohne jegliche Perspektive! Es hat dich nicht interessiert, wie es uns dabei geht! DU bist diejenige die es zu verantworten hat, dass du nun so leben musst! Ich habe dich nie darum gebeten zu gehen um mich, was? Zu beschützen? Dass glaubst du doch selbst nicht! Du hattest Angst dass dein Verhalten für Konsequenzen haben könnte! Und jetzt? Sie dich doch an, stehst vor mir, willst dass ich mich entschuldige? Wie erbärmlich!"  Brach es aus mir heraus. Ich machte nun einen Schritt auf sie zu. Jedes meiner Worte schien ihr sichtlich Schmerzen zuzufügen. Gut, es sollte wehtun. 


Hexen- Das ErwachenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt