Nein, das ist nicht wahr!

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„Nein, das ist nicht wahr!“

Die Wochen vergehen und Elyas kann es nicht erwarten, bis sein Baby geboren wird. Jeden Tag streichelt er Aichas Bauch und checkt, ob man schon etwas fühlen oder sehen kann. Aber auch in der 10. Woche ist Aicha so schlank wie immer und auch die Ultraschallbilder sehen noch immer nicht vielversprechender aus. Irgendwie wird er ungeduldig, er kann sich nicht vorstellen, dass er noch so lange warten muss. Regelmässig fährt er am Einkaufszentrum vorbei um etwas für das Baby zu kaufen, meistens Strampler. Er möchte wissen, ob es ein Junge oder Mädchen wird und er sehnt sich danach, sein Kind auf den Armen zu halten.

Momentan dreht er im Hinterland von Kalifornien, in dem Gebirge. Jeden Tag wird er schon 6 Uhr von zu Hause abgeholt und die Fahrt zum Set dauert über zwei Stunden. Meistens schläft er. Sie fahren in einem Kleinbus und er hat die ganze Rückbank für sich. Mit einer Kuscheldecke und einen Kopfkissen, welches ihm Aicha geschenkt hat, macht ihm die Fahrt nichts aus. Leider kommt er am Abend immer sehr spät nach Hause und hat nur wenig Zeit für Aicha.

Wieder einmal beenden sie den Drehtag als die Sonne schon untergeht und als sie ins Auto steigen, weiss er, dass er erst 9.00 Uhr abends oder später zu Hause sein wird. Er kann gerade mal etwas essen, ein paar Sätze mit Aicha wechseln und dann muss er auch schon ins Bett, um für den nächsten Tag fit zu sein. Die Fahrt geht los, er nimmt sein Kissen und die Decke, macht schnell ein Selfie, das er an Aicha schickt und schreibt: „I love u both: princess + baby!!!“ Sofort checkt sie ihr Handy, als sie den Piepton hört und lächelt dem Foto entgegen. Heute ist sie bei ihren Eltern, denn sie machen eine grosse Grillparty. Leider verpasst Elyas das Meiste, aber sie haben ihn ein grosses Steak aufgehoben.

Es ist bereits 21.45 Uhr und eigentlich müsste Elyas bereits in L.A. sein. Sie schreibt ihm eine SMS, aber es kommt keine Antwort. Er schläft wohl wieder im Auto. „Gibt es so spät abends noch Staus?“ fragt sie sich. Die Stimmung ist aber gut. Die ganze Familie ist versammelt, alle reden und lachen. Sie darf leider nichts trinken, aber ist troztdem guter Launer. Endlich klingelt es an der Tür. Sie springt sofort auf und möchte Elyas öffnen. Aber als sie die Tür aufzieht, sieht sie zwei Polizeibeamte. „Sind sie Aicha M.? Ihre Nachbarn haben uns gesagt, dass sie hier sein würden.“ möchte der Ältere von den beiden wissen. „Ja, bin ich. Was ist passiert?“ fragt Aicha schockiert. Genau in dem Moment kommt ihr Vater aus der Küche und hält mehrere Flaschen kühles Bier in der Hand. Er stellt sie ab und geht zur Tür. „Guten Abend, Agent Hanes und das ist mein Kollege Agent Smith. Können wir mit ihnen reden?“ fragt nun der Jüngere. „Ja, natürlich.“ antwortet Aicha und ihr Herz schlägt wie wild. Ihr Vater legt seine Hand auf ihre Schulter und führt sie zum Sofa. „Wir haben schlechte Nachrichten. Der Kleinbus, in dem ihr Mann sass, ist verunglückt. Er ist eine Klippe hinunter gestürzt und in Flammen aufgegangen. Wir warten noch auf die genauen genetischen Untersuchungsergebnisse. Aber es tut mir Leid, es scheint so, als ob ihr Mann verstorben ist.“ Aicha sitzt wie versteinert auf dem Sofa. Sie hat das Gefühl, sie hat einen Alptraum. Sie möchte jetzt sofort wieder aufwachen! Was haben die gesagt? Elyas tot? Das kann nicht sein! Das ist nicht möglich! Er kommt sicher gleich nach Hause und schliesst sie in die Arme und fragt, wie es ihr und dem Baby geht. Er hat doch gerade noch ein Foto geschickt! Das muss ein Missverständnis sein! Er kann nicht einfach so sterben, er wird doch bald Vater! Aicha atmet ganz schnell. Tränen schiessen in ihre Augen und alles um sie herum wird dunkel. Sie spürt, wie ihr Vater sie in den Arm nimmt, aber sie kann nichts mehr sehen. Ein stechender Schmerz verbreitet sich in ihrem Herzen und sie schreit: „Nein, das ist nicht wahr!“ Ihr Vater drückt sie an sich und hält sie fest in seinen Armen. Sie weint, bricht zusammen und verschwindet in ein tiefes schwarzes Loch. Sie will noch oben schwimmen, aber schafft es nicht. Die Dunkelheit verschlingt sie und sie schlägt vor Angst um sich. „Nein, bitte nicht, bitte nicht.“ hört ihr Vater sie wimmern. Er hat ihre Hände gepackt und versucht, sie still zu halten. Er drückt so fest zu, dass sie morgen blaue Flecken haben wird.

Inzwischen ist Aichas Mutter ins Wohnzimmer gekommen. Sie arbeitet als Ärztin in der Notaufnahme und obwohl sie es schon 10,000 mal gemacht hat, zittert sie, als sie Aicha die Kanüle setzt um ihr ein Beruhigungsmittel zu geben. Aicha wird ruhiger, ihre Kräfte versagen und es bleibt nur ein leichtes Schluchzen. Ihre Eltern und ihre Schwester, Celina, stehen um sie herum, weinen und können kein Wort sagen. Obwohl sie Elyas am Anfang nicht unbedingt als den besten Partner für Aicha gesehen haben, haben sie schnell gemerkt, dass er sie abgöttisch liebt und wirklich alles für sie tun würde. Er hatte sich so sehr über die Schwangerschaft gefreut und sie wussten, dass er ein guter Vater sein würde. Die beiden waren füreinander geschaffen und nun war alles vorbei. Aichas Vater nahm ihre Hand, strich über den Ehering und sprach leise und weinend: „Es tut mir so Leid!“ Aichas Augen waren weit geöffnet, aber sie nahm fast nichts mehr wahr. Das Beruhigungsmittel vernebelte ihre Sinne und sie drehte sich im Kreis. Sie spürte, wie ihr Vater sie in seine Arme nahm und sie in ihr altes Apartment im Haus der Eltern trug. Er legte sie in ihr weiches Bett, deckte sie zu und legte sich an ihre Seite. Er hielt ihre Hand und liess sie die ganze Nacht nicht los.

Liebesfeuer: 4. Bis der Tod uns scheidetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt