„Wir müssen die Nacht abwarten“
Elyas steht mit der Schwester im Gang und guckt sie entgeistert an. „Was ist los?“ will er wissen. „Es gibt eine kleine Komplikation. Keine Sorge, sie ist in den besten Händen. Geben Sie mir ihre Tochter, ich werde sie baden und die Kinderärztin wird sie untersuchen.“ beruhigt die Schwester ihn. Wie aus dem Nichts erscheint die Ärztin vor ihm und nimmt ihm sein Baby ab. Wie ferngesteuert läuft er der Ärztin hinterher und zieht im Laufen diese unbequeme Ärztekleidung aus.
Wie Elyas da im Untersuchungszimmer steht und sieht, wie seine Tochter gebadet und untersucht wird, dreht sich alles um ihn. Er kann nur an Aicha denken. Er will wissen, was das Problem war. Warum wurde er nach draussen geschickt? Ist sie in lebensgefahr? Nach einer ganzen Weile kommt die Ärztin mit seiner bereits angezogenem Tochter im Arm, gibt sie ihm und sagt: „Herzlichen Glückwunsch, sie ist kerngesund. Vielleicht ein bisschen kleiner als die anderen. Aber sie ist eine Kämpferin!“ Als ob es ein Reflex ist, nimmt er sie vorsichtig in den Arm und wiegt sie hin und her. „Und was ist mit meiner Frau?“ fragt er mit zitternder Stimme. „Wir gehen erst mal in Ihr Zimmer und dann werde ich gleich nachfragen.“ Wieder einmal wird Elyas in irgendeine Richtung geschoben und er folgt wie in Trance.
Im Zimmer gibt es eine Art Sessel und Elyas setzt sich dorthin und guckt sich seine Tochter genau an. Sie hat grosse dunkle Augen, dunkle, sogar lockige Haare, eine kleine Stubsnase und volle Lippen. Er muss lächeln: Das ist ganz eindeutig SEINE Tochter! Eine Weile sitzt er mi ihr im Arm da, bis die Ärztin kommt und fragt, wie sie heissen würde. „Ähm... also, ich glaube, ...also, ähm... meine Frau wollte Kayla und ich... also, ... naja, vielleicht Kayla Sofia?“ Die Ärztin lacht und fragt: „Sicher?“ Auch Elyas muss jetzt lachen und sagt: „Ja, Kayla Sofia.“ Nie wieder hatten Aicha und er über den Namen diskutiert, denn sie hatten abgemacht, dass sie erst entscheiden würden, wenn sie geboren ist. Nun musste er die Entscheidung alleine treffen und hofft, dass Aicha damit einverstanden ist.
Elyas weiss nicht, wie viel Zeit vergangen ist, aber endlich kommt der Arzt aus dem OP zu ihm und sagt: „Herr M., ihre Frau hat sehr viel Blut verloren. Wir wissen nicht genau, wie das passiert ist, aber plötzlich gab es eine starke Blutung. Sie liegt auf der Intensivstation und hat bereits mehrere Bluttransfusionenen bekommen. Wir müssen die Nacht abwarten. Im Moment ist sie sehr schwach.“ Elyas guckt den Arzt geschockt an und sagt: „Das heisst, sie...sie stirbt vielleicht?“ Der Arzt setzt seinen Es tut mir Leid-Blick auf und spricht: „Ich kann im Moment nichts weiter sagen. Wir haben alles für sie getan, was wir konnten. Wir müssen sie weiter beobachten.“ Tränen steigen in Elyas Augen auf und sagt bestimmend: „Ich möchte zu ihr!“ Der Arzt guckt leicht nach unten und sagt: „Natürlich.“ und macht ein Zeichen ihm zu folgen.
Elyas nimmt seine Tochter aus dem Babybett und folgt dem Arzt. Es sind endlose Türen, dann der Aufzug, wieder endlose Türen und endlich steht er vor ihrem Zimmer. Auf der Intensivstation gibt es keine Wände, sondern Fenster und die Jalosien sind geöffnet. Er kann sehen, dass sie künstlich beatmet wird und überall Schläuche aus ihr rausragen. Er bleibt vor dem Fenster stehen und Tränen rinnen über sein Gesicht. „Kommen Sie!“ sagt der Arzt und schiebt ihn vorsichtig ins Zimmmer und setzt ihn auf einen Stuhl. Elyas kann kaum atmen. Aber letzendlich kann er sich wieder fassen und legt Kayla auf Aichas Seite und sagt: „Hey Prinzessin, Kayla geht es gut, sie ist gesund. Wir warten hier auf dich und brauchen dich! Du musst kämpfen! Ohne dich geht es nicht, ohne dich sind wir nicht komplett!“