Chapter 31

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Kurze Zeit später plätscherte das Wasser der Kanalisation um meine Beine, und es hätte mir sicher weitaus weniger ausgemacht, würde ich nicht gerade mit meinen entsetzlichen Absatzschuhen und einem knöchellangen Kleid unterwegs sein.

„Was wollt ihr von mir?“, beschwerte ich mich, als ich zum zweiten Mal beinahe hingefallen wäre. Immerhin hielten die beiden Wächter mich gut fest, sonst hätte ich schon längst eine platte Nase und wäre von oben bis unten durchgeweicht.

„Was wir von dir wollen? Dreimal darfst du raten, kleine Doppelgängerin.“

„Ich bin kein Fan von Ratespielen“, sagte ich missgelaunt. „Und außerdem brauche ich eine kurze Rast. Ich bin müde.“

„Eine Pause kannst du dir für die nächsten Stunden schon mal abschminken“, informierte mich der große Wächter. „Und wenn du nicht raten willst, wirst du die Antwort wohl nie erfahren.“

„Schon gut. Ihr wollt meinen Schmuck verkaufen“, muffelte ich.

„Falsch. Auch wenn das auch eine gute Idee wäre.“

„Ihr wollt mich verkaufen“, muffelte ich. Ratespiele waren wirklich nichts für mich.

„Richtig. Was meinst du wohl, wie viel so mancher für die berühmte Leibwächterin geben würde? Das talentierteste und sagenumwobenste Mädchen im ganzen Land?“

„Naja, nicht ganz das talentierteste“, warf der Kleine ein.

„Zugegeben, du hast recht. Aber ich sehe das Gold jetzt schon glitzen. Dagegen ist das Häufchen, dass deine Freunde uns gegeben haben, gar nichts.“

„Das freut mich für euch. Und an wen wollt ihr mich verkaufen?“, fragte ich, wunderte mich jedoch gleichzeitig, ob ich diesen Moment noch miterleben würde. Schließlich sollte ich ziemlich bald auf einem Ball sein, oder?

Aber vielleicht übernimmt die richtige Leibwächterin jetzt meine Rolle, überlegte ich, und mir schauderte. War ich von jetzt an egal?

„Gib dir mal ein bisschen Mühe, schneller zu laufen, oder sollen wir dich hinterherschleifen?“, knurrte der kleine Wächter und riss mich wieder auf die Beine.

„Ich kann … aber nicht … keuch … mehr“, brachte ich hervor, aber keiner hörte auf mich.

Stattdessen liefen die beiden Verbrecher nur noch schneller.

Plötzlich drängte sich ein mieser Gedanke in mein Bewusstsein: Selbst wenn Dennis und die Anderen sich beeilen würden, sie würden mich nie rechtzeitig einholen und auf den Ball gelangen. Es war also absolut aussichtslos, auf Hilfe zu warten. Das war’s. Ich konnte aufgeben.

Ich könnte aufgeben. Aber noch war nichts verloren! Noch hatten diese Halunken mich nicht kennengelernt!

The Show Must Go On!, dachte ich, ohne mir sicher zu sein, wen ich da gerade zitierte und wie genau das zu meiner Situation passte. Dann kam mir ein sinnvollerer Gedanke. Die Nadel!

Ich hatte noch eine Waffe, und ich hatte noch mich selbst. Das waren doch schon mal gute Startbedingungen!

Wenn ich nur an die Nadel rankommen könnte … aber solange meine beiden Arme nicht nur zusammengeschnürt waren, sondern auch noch unbarmherzig fest von den beiden Wächtern umklammert wurden, war meine Lage aussichtslos. Dass ich mir alle Mühe geben musste, nicht zu stolpern, machte es nicht gerade besser.

„Ich brauche eine Pause“, ächzte ich, mal wieder ohne Erfolg. Mist! „Ich kann nicht mehr“, keuchte ich. „Ich breche gleich zusammen.“

„Das tust du besser nicht“, mahnte der Große in dem Moment, in dem ich mit so einer Wucht stolperte, dass die Wächter mich loslassen mussten und ich mit einem lauten Klatsch im Wasser landete. Mir blieben nur Sekunden, denn schon bückten sich die Zwei fluchend nach mir.

Das letzte Tor - Kein ZurückWo Geschichten leben. Entdecke jetzt