Chapter 32

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Eine Gestalt rannte durch die Straßen. Ihre nassen, wild zerzausten Haare fielen ihr immer wieder in die Stirn und das klitschnasse lange Kleid, das wie ein nasser Sack um ihre Beine schlug, hinterließ eine deutlich sichtbare Spur aus Wasser. Faszinierend war, wie die Gestalt überhaupt noch rennen konnte, angesichts der Last, die das nasse Kleid darstellen musste. Nicht, dass die Absatzschuhe da irgendeine Hilfe gewesen wären.

Das war aber auch alles, was faszinierend an dieser Gestalt war, denn alles in allem wirkte sie eher abschreckend, verrückt, vielleicht gefährlich und sicher reif für die Klapse.

Diese Gestalt war natürlich ich.

Wohin ich rannte, wusste ich selbst nicht so genau. Sicher war nur, dass ich in die Stadt hinein und nicht aus ihr hinauslief. Ich war bereits rausgerannt und hatte wieder umgedreht.

Die Hoffnung, irgendwo ein hell erleuchtetes Haus mit vielen tanzenden Menschen darin zu finden, war eher sinnlos, da ich dafür mehr Glück brauchen würde, als ich für wahrscheinlich hielt. Aber was sollte ich tun? Es war inzwischen so dunkel, dass ich mir sicher sein konnte: Der Ball hatte bereits begonnen.

So war ich auch mehr als überrascht, als ich um eine Straßenecke stolperte und beinahe mit Marvin zusammenstieß.

„Marvin! Was machst du denn hier?“, rief ich und fiel ihm um den Hals.

„Argh!“ Schnell stieß Marvin mich von sich. „Du bist ja total nass! Was ist passiert?“

„Ich bin ein paar Mal im Wasser gelandet, bevor ich entkommen konnte“, seufzte ich.

„Du musst doch halb erfroren sein“, sagte Marvin besorgt und strich mir die wilden Haare aus dem Gesicht. „Mein Gott, wie du aussiehst.“

„Ich weiß“, seufzte ich. „Ich habe unseren Plan versaut, oder?“

„Papperlapapp“, sagte Dennis und tauchte aus einem der Schatten auf. „Du kommst genau richtig. Wir haben gerade eine Einladung ergattert.“

„Was? Nur eine?“, fragte ich irritiert.

„Leider. Aber wir können Josh und Sophie sicher durch die Hintertür reinschmuggeln.“

„Und mit wem gehst du dann?“, wollte ich wissen.

„Na, mit dir.“

„Sieh mich an und überlege dir das noch einmal.“

„Wir wurden von Räubern überfallen. Deshalb sind wir auch zu spät, das ist doch klar“, antwortete Dennis und grinste verschlagen. „Apropos … du hast das Beste verpasst.“

„Was denn?“

„Du hast verpasst, wie unsere Nachbarn geguckt haben, als wir ihnen die geklaute Einladung abgenommen, den netten Herren und seine kleine Tanzpartnerin gefesselt und in eine Besenkammer gesperrt haben.“

„Ihr habt unsere Nachbarn überfallen?“

„Das war ein Spaß“, grinste Marvin. „Amüsant ist gar kein Ausdruck dafür.“

„Aber was ist mit dem zweiten Paar? Die werden stinksauer sein!“, rief ich besorgt.

„Psst, nicht so laut. Um die anderen beiden kümmern wir uns später.“

„Los, lass uns gehen“, sagte Dennis und nahm meine Hand. „Marvin, du behältst mit Aron zusammen die Umgebung im Auge.“

„Geht klar.“ Gerade wollte er gehen, als ich Marvin noch mal an seinem feinen Hemd festhielt.

„Pass auf dich auf, ja?“, bat ich ihn.

„Du auch.“ Marvin hauchte mir einen Kuss auf die Wange, dann war er verschwunden.

Das letzte Tor - Kein ZurückWo Geschichten leben. Entdecke jetzt