Chapter 26

677 27 3
                                    

„Nur was machen wir, wenn unsere Nachbarn hereingeplatzt kommen, bevor wir fertig sind?“, fragte Josh besorgt.

„Wir … könnten doch die Eingänge mit brennenden Holzscheiten verbarrikadieren“, schlug Aron vor.

„Rein hypothetisch ist das eine gute Idee, nur bei der Umsetzung bin ich mir noch nicht ganz sicher“, murmelte Dennis und stand auf. „Na dann los, worauf wartet ihr denn noch? Schnappt euch Hammer und Nägel und greift mit an!“

„Los, Dora, keine Müdigkeit vortäuschen“, lachte Aron und zog mich auf die Beine.

„Aber ich bin müde!“

„Ach, du Arme“, sagte Marvin, der plötzlich hinter mir stand. Überrascht wirbelte ich herum und hätte ihm treffsicher eins übergebraten, hätte Marvin meine Hand nicht gerade noch rechtzeitig abgefangen.

„Hopp, an die Arbeit“, grinste er, aber ich schenkte ihm nur einen bösen Blick und stapfte Richtung Dennis, der sich gerade an der ersten Tür zu schaffen machte.

„Sind alle mit Holz, Hammer und Nägel bereit?“, fragte Dennis.

„Bereit“, antworteten Sophie und Marvin.

„Hat jemand Messer, um im Notfall die Tür zu verteidigen?“, fragte Dennis.

„Ja“, antwortete meine Oma.

„Ich hab eine Pfanne“, sagte Aron und stellte sich grinsend neben die Tür.

„Dann kann es ja losgehen.“

Eigentlich hatte ich erwartet, dass diese Tür ebenso vernagelt sein würde wie die Haupttür, aber nachdem Josh die Riegel zurückgeschoben hatte, ging sie überraschend leicht auf. Mit einem Ruck hängte Dennis die Tür aus und gemeinsam trugen wir sie in die Mitte des Raums.

Das war leicht gewesen. Genüsslich grinsend schlenderte ich zurück und lugte Marvin über die Schulter, der gerade einen Holzscheit im Türrahmen festnagelte.

„Nicht zu viele. Drei links und drei rechts reichen. Nicht, dass wir zu wenige fürs Feuer haben“, meinte Dennis.

Und tatsächlich: Sechs lodernde Holzscheite, die den ansonsten schutzlosen Eingang versperrten, sahen abschreckend genug aus. Hier kam man jedenfalls nicht ohne einen brennenden Mantel durch.

Bei der zweiten Tür übernahm ich das Holzscheitannageln, und diesmal schaute Marvin mir über die Schulter und nicht umgekehrt.

„Nicht schlecht, für ein Mädchen, meine ich“, sagte er spöttisch. „Aber eigentlich wollten wir heute noch fertig werden.“

„Mach’s doch besser!“, fluchte ich.

„Kein Problem.“ Marvin lächelte überlegen, beugte sich über mich und nahm die Hand, in der ich den Hammer hielt, in seine. „Ich zeige dir, wie man das macht.“

„Elender Angeber“, murrte ich, aber Marvin ging darauf überhaupt nicht ein. Stattdessen hielt er den Holzscheit fest, die andere Hand hielt den Hammer und somit auch meine Hand. Mir gefiel seine Berührung, das konnte ich nicht leugnen, und ein glückliches Lächeln ließ sich auf meinen Lippen nieder, als ich Marvins Körper an meinem spürte.

Im nächsten Moment ließ Marvin den Hammer herabsausen und prompt steckte der Nagel ganz drinnen.

„So macht man das“, sagte Marvin und stieß mich scherzhaft an. „Jetzt versuch’s mal selber.“

Das Problem war, ich wollte es nicht selber versuchen. Ich wollte, dass Marvin mich wieder festhielt.

„Geht nicht“, sagte ich deshalb nach ein paar kläglichen Schlägen und bemühte mich, so hilflos wie möglich auszusehen.

„Das schaffst du“, versicherte Marvin mir und legte eine Hand auf meine Schulter.

Also ließ ich noch ein paar nutzlose Schläge folgen.

„OK, ich zeig’s dir noch mal“, sagte Marvin endlich und stellte sich wieder hinter mich. „Gib mir deine Hand.“

Vorsichtig legte ich meine Hand in seine und spürte, wie sich Marvins Finger um meine schlossen. Glück durchströmte meinen Körper und ich wusste: Ich war so verliebt, wie noch nie, ausgerechnet jetzt, wo ich besser einen kühlen Kopf bewahren sollte.

„Gut. Und jetzt gibst du mir deine Hand mit Hammer“, sagte Marvin leise lachend und ließ meine Finger wieder los. Soviel zum Thema „kühlen Kopf bewahren“.

„Stimmt. Natürlich.“ Auch ich musste lachen, kümmerte mich jedoch nicht darum, als Sophie und besonders meine Oma uns komische Blicke zuwarfen.

„Nächster Versuch“, sagte Marvin, als ich meine Hand samt Hammer in seine legte. Wieder genoss ich seine Nähe, und wieder reichte ein Schlag aus, um den Nagel vollends ins Holz zu treiben. Der zweite Holzscheit saß bombenfest, fehlte nur noch der Dritte.

„Den schaffst du aber alleine“, sagte Marvin.

„Klar.“ Ich nickte und machte mich an die Arbeit. Schließlich musste man es nicht übertreiben.

„Ich gehe dann Mal und hole Feuer, damit wir das Holz anzünden können.“

„Tu das.“

„Und noch was“, sagte Marvin mit belustigt funkelnden Augen. „Wenn du willst, dass ich dich umarme, musst du mich nur fragen.“

Mein Arm erstarrte mitten in der Luft, schwebte eine Sekunde dort, dann ließ ich den Hammer langsam sinken.

„Danke“, antwortete ich gelassen. „Ich werde dein Angebot sicher bald in Anspruch nehmen.“

Lächelnd nickte Marvin und wandte sich ab. Doch gerade, als er zwei Schritte Richtung Feuer gemacht hatte, räusperte ich mich.

„Wie wäre es mit jetzt?“

Extra langsam drehte Marvin sich um und kam zurück.

„Was macht ihr da eigentlich?“, unterbrach Dennis uns und pflückte uns auseinander. „Wenn ihr noch weiter so rumtrödelt, ist die erste Tür abgebrannt, bevor ihr die zweite fertig präpariert habt!“

Von da an nagelte ich alleine und zwar mit Höchstgeschwindigkeit. Die dritte Tür hatten wir in Nullkommanichts in die Raummitte gebracht und den Türrahmen fertig ausgeschmückt mit brennenden Holzscheiten. Das Problem war eher die vierte Tür. Sie war diejenige, die unsere Nachbarn von außen zugenagelt hatten, und so war es eine ziemliche Plackerei, sie aufzubekommen.

„Zwei reichen doch eigentlich!“, beschwerte Josh sich, als er schon zum zweiten Mal die brennenden Holzscheite in den anderen Türen austauschen musste. „Eine Tür vorne, eine hinten, und schon sind wir sicher genug!“

„Und was ist mit den Abzweigungen?“, fragte meine Oma. „Wenn da welche hocken, sind wir ihnen schutzlos ausgeliefert. Nein, wir müssen auch die Seiten absichern. Außerdem halten die Türen auch von alleine sehr gut, wenn wir sie aneinander nageln. Dann muss man selber nicht mehr so viel tragen.“

„Nur zwei Türen mehr.“

„Du weißt, was ich meine. Wenn sich jemand von außen dagegen wirft, sind und bleiben unsere Türen ein stabiler Kasten. Wenn sie jedoch nur von dir gehalten werden, bezweifle ich das.“

„Willst du damit behaupten, ich sei schwach?“, entrüstete Josh sich, aber es gelang ihm nicht wirklich, böse zu wirken. Stattdessen sah man schon wieder das Lächeln, das er nur mühevoll verdrängte.

„Helft doch beide mit! Die Tür ist so gut wie draußen!“, rief Sophie, der es offensichtlich nicht gefiel, dass Josh und ihre Amme sich stritten.

„Dass es nur drei funktionierende Türen in unserem Versteck gibt, ist ein Zeichen!“, murrte Josh, half jedoch trotzdem, die letzten Nägel und Schlösser zu beseitigen und hob schließlich die Tür mit Dennis Hilfe aus.

Das letzte Tor - Kein ZurückWo Geschichten leben. Entdecke jetzt