Ich lag zusammengekauert in einer Ecke des Kellerzimmers. Ich dachte zumindest dass es eines sei, denn es hatte keine Fenster und dann war da noch dieser feuchte, schimmelige Geruch. Der grünäugige Junge war vor einiger Zeit gegangen. Ich konnte und wollte kein Worte mit ihm wechseln, nachdem ich realisiert hatte, aus welchem Grund ich ihn wiedererkannt hatte. Wieso hab ich es bloß nicht früher bemerkt? Es war so offensichtlich, seine düsteren Blicke und sein ständiges Verschwinden sobald ich ihn gesehen hatte.
Es war wahrscheinlich schon spät, denn ich wurde langsam schläfrig und konnte meine Augen kaum noch offen halte. Doch an Schlaf war nicht zu denken, schließlich konnte ich nicht tatenlos hier rumsitzen. Ich musste endlich versuchen mich irgendwie zu befreien und zwar so schnell wie möglich. Wie wild versuchte ich die Seile um meine Gliedmaßen zu lockern, aber es hatte keinen Zweck. Das Resultat waren nur einige kleinere Schnittwunden in meiner Haut. Ich beschloss es zu lassen und mir lieber einen Plan zu überlegen, wie ich flüchten konnte, was ebenfalls so gut wie unmöglich war. In meiner Jackentasche befanden sich nur ein Päckchen Kaugummi, mein Haustürschlüssel und ein Feuerzeug, welches mir Liam heute Morgen vor der Schule gegeben hatte, da er gelegentlich rauchte.
Wenn ich an letzteres herankommen würde könnte ich meine Fesseln möglicherweise durchschmorren, leider waren meine Versuche abermals zwecklos. Sie machten die Wunden nur tiefer, weshalb etwas Blut aus den aufgerauten Stellen an meinen Handgelenken trat.
Das laute Knurren meines Magen lenkte mich schließlich ab. Mit letzter Kraft schaffte ich es noch mich aufzusetzen, jedoch half mir das nicht wirklich weiter, vorallem nicht bei meinem Hungerproblem. Vielleicht sollte ich besser doch ein Bisschen schlafen, dann würde ich wenigstens etwas Kraft sammeln können.
Wenige Sekunden nachdem ich meine Augen geschlossen hatte, hörte ich, wie sich die Tür öffnete. Sollte ich meine Augen wieder öffnen und nachsehen wer den Raum betreten hatte, oder sie lieber geschlossen halten, in der Hoffnung, dass die Person schnell wieder ging? Ich entschloss mich für Variante zwei, da ich wirklich müde war und Angst hatte, dass es der Drecksack ist, der mich vorhin geküsste hat. Aufmerksam versuchte ich hinzuhören was die Person tat. Ein leises Geräusch verriet mir, dass etwas auf den Boden gestellt wurde. Die Person kam näher, denn ich hörte ihre leisen Schritte. Dann war es für einen Moment still, bis ich bemerkte, wie jemand vorsichtig den Strick um meine Arme und Beine zu lösen begann. Ich öffnete meine Augen einen winzigen Spalt, denn es schmerzte ein wenig. Der Junge mit den Locken hatte seine Hände an den Fesseln und zog daran herum. Ich zuckte zusammen und seine Augen trafen meine. Geschockte riss ich meine Hände aus seinen und starrte ich ängstlich an. „Ich will dir noch nur helfen, reg dich ab" nuschelte er und fing wieder an, an dem Seil herumzuziehen. Ich ließ ihn machen und beobachtete jede seiner Bewegungen aufmerksam. Es dauerte nicht lange bis ich meine Handgelenkte genauer begutachten konnte, sie hatten aufgehört zu bluten, doch war stark gerötet. Der Junge kniete immer noch vor mir und sah ebenfalls auf meine Wunden. Als ich einen kurzen Blick auf ihn warf trafen sich unsere Augen erneut, doch er unterbrach den Kontakt sofort und stand auf. Mit seinem Fuß schob er eine Blechbüchse mit einem Plasiklöffel in meine Richtung. In ihr befand sich ein weißer, matschiger Brei. „Iss" befahl er mir knapp und verließ den Raum.
Ich folgte seinem Befehl, nachdem er die schwere Metalltüre ins Schloss fallen ließ, denn ich war kurz vorm Verhungern. Das breiige Zeug schmeckte scheußlich, aber ich war in diesem Moment für jeden Happen dankbar. Nachdem ich aufgegessen hatte stellte ich den Teller in eine Ecke und holte Liams Feuerzeug aus meiner Jackentasche und schob es in meinen Ärmel, um es im Notfall leichter herausholen zu können. Endlich war ich in der Lage mich einigermaßen gemütlich hinzulegen. Ich streifte meine dünne Jacke ab und bedeckte damit meinen Körper. Meine Augen fielen danach fast wie von selbst zu.
-Am nächsten Morgen-
Durch einen heftigen Tritt in den Magen wurde ich geweckt und ich sah auch sofort wer ihn mir verpasst hatte - der alte Sack der mir immer Spitznamen gab. „Steh auf! Wir drei machen einen kleinen Ausflug Prinzessin", brüllte er und packte mich grob an meinem verletzten Handgelenk als er mich hinter sich her zog. „Beweg dich, oder soll ich dich auch noch tragen du Miststück", rief er noch lauter. Ich war nicht in der Lage zu begreifen was gerade vor sich ging. Als ich mich umdrehte sah ich den anderen Typen mit den Locken hinter mir her laufen. Er hatte ich umgezogen und hielt den Kopf gesenkt. Plötzlich ließ mein Entführer von mir ab und schupste mich stattdessen direkt in die Arme seines Helferleins „Schaff die Kleine ins Auto und bring sie vorher zum Schweigen. Hast du mich verstanden?", forderte er, der Junge hob leicht seine Kopf und nickte stumm. Erst jetzt bemerkte ich, dass der Lockenkopf ein blaues Auge hatte, für das wohl sein Chef verantwortlich war. Er sah mich für den Bruchteil einer Sekunde an, packte mich am Arm und schleppte mich in einen kleinen Raum mit einer kaputten Deckenlampe, welche das Zimmer und die kläglichen Möbel schwach beleuchtete. Ein Tisch und ein Stuhl standen darin. Er schubste mich auf den morschen Holzstuhl, schloss die Tür ab und betrachtete mich ausdruckslos. „Was habt ihr mit mir vor und wo wollt ihr mich hinbringen? Was ist hier überhaupt los?" platzte es förmlich aus mir heraus. Sein Blick fiel starr zu Boden, wo einige Seile lagen, die er schließlich aufhob und damit auf mich zukam. Ich stand auf und bewegte mich zu der Wand hinter mir. Ohne Anstalten zu machen, meine Fragen zu beantworten meinte er kühl: „Schrei jetzt nicht wieder rum, du kannst dich eh nicht wehren" und begann eines der Seile um meine Hände zu binden. Doch ich dachte gar nicht daran ihn mich wieder fesseln zu lassen und zog meine Hände aus seinem Griff. Plötzlich veränderte sich sein gefühlloses Gesicht, sein Kiefer spannte sich an, seine Lippen waren dicht aufeinander gepresst und seine Augen verengten sich. Der Typen mit den Locken kam mir immer näher, doch als ich ihm entwischen wollte packte er mich an den Handgelenken und drückte mich gegen die dreckige Wand. Wir waren uns so nah, dass ich seinen Atem auf meiner Haut spüren konnte. „Halt still!" flüsterte er bedrohlich und sah mir dabei tief in die Augen. Ich war wie gelähmt vor Angst und starrte einfach nur gedankenverloren in seine smaradgrünen Augen.
Erst als ich bemerkte, wie er mir ein schmutziges Tuch aus dem Mund drückte erwachte ich aus dem Schockzustand. Er warf mir einen kurzen Blick zu, während er es an meinem Hinterkopf zusammenband. Ich quietschte auf, doch er ignorierte dies erneut und warf mich achtlos über seine Schulter. Der braunhaarige Typ drehte den Schlüssel im Schloss herum und öffnete die Türe. Er trug mich durch die Gänge und stieg eine alte Treppe hinauf. Damit bestätigte sich meine Vermutung, ich hatte die Nacht in einem Keller verbracht.
Schon bevor ich es richtig realisieren konnte warf er mich wie einen Sack Kartoffeln in den Kofferraum eines Autos und machte, ohne mich auch nur noch einmal anzusehen den Deckel zu.
Sofort fiel mir das Feuerzeug wieder ein, welches ich letzte Nacht in meinem Ärmel versteckt hatte. Vorsichtig ließ ich es herausgleiten. Doch ich beschloss noch etwas abzuwarten, falls der Fettsack überprüfen wollte, ob ich wirklich mundtot im Kofferraum liege. Dies tat er jedoch nicht, denn ich bemerkte wie sich das Gefährt langsam in Bewegung setzte. Nach ein paar Minuten Fahrt fing ich an, den Strick, der um meine Beine gebunden war durchzubrennen und ich hatte Erfolg. Nach einer Weile konnte ich mich wieder halbwegs gut bewegen und auch wieder atmen, da ich das Tuch von meinen Mund entfernt hatte. Ich überlegte, dass ich versuchen könnte die Kofferraumtür von innen zu öffnen, aber ich entschied mich schnell dagegen, denn aus einem fahrenden Auto zu springen hielt ich nicht für sehr sinnvoll. Das Fahrzeug abzufackeln wäre genau so sinnlos, da ich wohl als erste verbrennen würde. Während ich angestrengt weiter überlegte, wie ich mich aus dem Staub machen konnte, hörte ich wie die zwei Typen miteinander sprachen, aber ich konnte sie nicht deutlich verstehen, weshalb ich mich umdrehte um zwischen den Rücksitzen hindurch lauschen zu können. Was ich jedoch dann hörte änderte, die Sicht der Dinge schlagartig und der Gedanke aus dem Auto zu springen schien plötzlich gar nicht mehr so fremd.
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Hi :) wollte mal wieder was von mir hören lassen, hoffe euch gefällt die Story bis jetzt und ich würde mich mal wieder sehr über ein paar Votes und Kommentare freuen :) Dankeschön und frohe Ostern xx
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-Hunted- (H.S.)
FanfictionWenn dieser eine Moment dein ganzes Leben für immer verändert. Aus Sophia Hames wird Sophie Jackson, als sie nach dem Tod ihrer Eltern ins Zeugenschutzprogramm aufgenommen wird. Sie träumt ständig von der schrecklichen Nacht in der sie zum Waisenk...