Rot wie Blut

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Es war einmal..

Ich spürte etwas außer Schmerz, ich spürte den Dreck auf mir und den Morast unter mir, den kalten Atem der in meine Lungen strömte, sogar mein totes Herz, das träge in meiner Brust schlug und gegen den Fluch ankämpfte, der durch meine Adern rannt, mich zerfraß. Er sollte mich zerfressen, das Leben in mir auslöschen, er vermochte es nicht. Was tot ist, kann niemals sterben.

1996

Eine Ewigkeit lag ich in den Wäldern dieses vermaledeiten Landes, bewegungsunfähig und mehr als einmal wünschte ich, es könnte mich dahin raffen, doch dies war nicht mein Schicksal. Eine Ewigkeit brauchte ich, um den Fluch zu lösen. Eine Ewigkeit in der ich bloß durch die Augen einer anderen die Welt erblickte und sah was auf ihr geschah.
Ich sah wie sie ihr Leben für das meine aufgab, ich erblickte ihre drei Kinder, die sie für ihren unwürdigen Ehemann gebar und ich erlebte das kolossale Scheitern all meiner Pläne und Hoffnungen, unfähig irgendetwas dagegen zu unternehmen.

Meine Kleider waren schon lange verottet, nackt erhob ich mich, die Haare verfilzt, unter dem Schmutz war meine weiße Haut nicht erkennbar. Nur mein Zauberstab hatte in meiner Hand die Jahrzehnte sicher überdauert.

Eisiges Wasser umspülte meine konservierte Gestalt. Ich genoss das kalte Prickel, welches mir zeigte, das ich noch immer am Leben war.
Nach meinem Bad im Fluss schwang ich meinen Stab, ein blutroter Umhang materialisierte sich, dazu eine silberne Halbmaske. Das war die Uniform, die mich augenblicklich als diejenige ausweisen würde, die ich war; Nathaira S'Anguine. Ohne Umwege würde ich zu ihm gehen, er hatte eine herbe Enttäuschung verkraften müssen und brauchte mich. Er hatte mich immer gebraucht, doch ich wurde von seiner Seite gerissen und nun war alles außer Kontrolle geraten. Fast wäre mir ein Seufzen entkommen, da ich jetzt alles würde gerade biegen müssen. Ich hatte mich vor so vielen Jahren für diesen Weg entschieden, nun würde ich ihn bis zum Ende gehen.

Der 1. September, Tag meines Hoffens und Sehnens. Hier stand ich endlich unter der verzauberten Decke der großen Halle von Hogwarts und spielte glücklich mit dem warmen Holz in meiner Hand. Mein Zauberstab. Das Gefühl ihn in der Hand zu halten, ihn zu schwingen und die wunderbarsten Dinge damit anzustellen, es war mir nicht neu. Ich schaute mich um, die anderen Erstklässler schnatterten aufgeregt. Für sie war es sehr wohl Neuland.

Doch ich war nicht wie sie. Ich besaß meinen Stab seitdem ich 7 Jahre alt war und seitdem hatte meine Mutter mich Zauberei gelehrt. Nicht das es jemals geplant gewesen war, meine Erlaubnis zur Ausübung von Magie wurde aus der Not geboren. Ich hatte die magische Kraft nicht kontrollieren können. Gewaltsam war sie immer wieder aus mir herausgebrochen und hatte nichts als Chaos und Zerstörung hinterlassen. Als ich meinen Zypressenstab von Mr Ollivander bekommen hatte kanalisierte sich die magische flammendheiße Feuersbrunst in meiner Seele durch den Stab in eine angenehme Wärme und gab mir die Kontrolle über meine Zauberkraft, die ich brauchte und die meine Mutter verlangte.

Ich war mir sicher durch meinen bisherigen Heimunterricht den anderen Schülern weit voraus zu sein und nicht die Aussicht endlich Magie zu erlernen hatte mich diesen Tag unruhig herbeiwünschen lassen, eher die Möglichkeit meine Lehrmeisterin, oder Kerkermeisterin, hinter mir lassen zu können und auf Hogwarts endlich frei meinen Weg gehen zu können.

Ich hatte beschlossen mein Schicksal entscheiden zu lassen und dieses Schicksal würde der sprechende Hut mir auferlegen, doch das wusste ich damals noch nicht. Gerade saß ein hübscher, blasser Junge auf dem dreibeinigen Hocker, Riddle Tom Marvolo, hatte ihn der Mann aufgerufen, der uns hereingeführt hatte. "Slytherin", auch die nächste, Rosier Druella, ein zartes goldblondes Mädchen kam nach Slytherin, dann kam ich an die Reihe: "S'Anguine Nathaira" Wie meine beiden Vorgänger setzte ich eine unleserliche Miene auf und nahm Platz. "Soso, S'Anguine he? Hab ich alle nach Ravenclaw gesteckt." "Du wirst tun was du für richtig hälst.", antwortete ich der Stimme in meinen Kopf. "Werde ich das? Hast du keinen Wunsch, Kind?" "Nein, du wirst wissen was für mich richtig ist, du bist weiser als ich und hast in viel mehr Köpfe geschaut und dich nie geirrt." "Du siehst mehr als gut für dich ist Nathaira S'Anguine, Wissen ist Macht, du vereinst beides in dir, den Drang nach Wissen und den Drang nach Macht." Und dann traf der Hut seine Entscheidung so plötzlich, ohne ein weiteres Wort: " SLYTHERIN" Mir stockte der Atem, so wurde ich an diesem schicksalhaften Tag die dritte Slytherin in Folge und lief mechanisch, ohne Recht zu begreifen, dass ich gerade die stolzeste Tradition meiner Familie gebroche hatte, all ihr Hoffen der letzten Jahre, welches sie noch in mich, das Bastardkind, gesetzt hatten zu zerschlagen, an meinem Haustisch.

Nachts, als ich begriff, hatte ich meiner Mutter geschrieben und nicht erwartet, eine Antwort zuerhalten , immerhin hatte ich eine weitere Familientradition, die vielleicht wichtigste überhaupt, mit Füßen getreten. Meine Familie war unglaublich Stolz darauf von Rowena Ravenclaw abzustammen. Wie konnte ich, der unerwünschte Bastard der S'Anguines, der Schandfleck in der Erbfolge, es wagen nicht zu diesem Haus zugeordnet zu werden? Umso überraschter war ich über den Briefumschlag, den mir eine Eule am nächsten Morgen vor den Teller warf. Sofort erkannt ich die spitze, elegante Schrift meiner Mutter. Zu meiner Rechten saß die Rosier und versuchte einen Blick auf den Papierbogen in meiner Hand zu erhaschen. Ich drehte mich weg, links von mir unterhielt der Riddlejunge sich mit einem anderen Kerl, also entfaltete ich den Brief, darauf stand bloß ein einziger Satz:

Du warst schon immer die Schande meines Lebens.

Nichts weiter, ich zog meinen Stab und ließ das Papier über meinem Teller in Flammen aufgehen, ohne mir das Geringste anmerken zu lassen. Ich bekam die überraschten Blicke meiner Mitschüler nicht mit, als ich im Stillen endgültig mit meiner Mutter und ihrer Familie brach. Ich vergoss keine Träne, denn ich hatte mich noch nie zuvor so frei gefühlt. Das war der erste Schritt auf meinem zukünftigen Lebensweg und der Moment indem ich über mein Schicksal endgültig entschieden hatte.

Auf dem Platz zwischen Tom Riddle und Druella Rosier hatte meine Zukunft begonnen, eine Position, die ich niemals aufgegeben hatte. Der Strudel der Apparation riss mich mit sich.

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