Hirte, Schaf und Wolf

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Als Tom sich kurz vor dem Beginn des neuen Schuljahres in seinem Büro verbarrikadiert hatte, um mit Dolohow und Yaxley die Exekution eines endlich georteten Deserteurs zu besprechen, beschloss ich, das es an der Zeit war Draco jemanden vorzustellen, der ihm bei seinem Auftrag behilflich sein konnte. So stand ich Fackelschein neben dem verwaisten Thron auf dem Podest und wartete auf meine Gäste. Zuerst betrat der Junge der Saal, er blieb an den Stufen stehen und verbeugte sich. Seine Haut schien ungewöhnlich blass und er vermied den Augenkontakt. "Hallo Draco. Du fragst dich sicher warum ich dich hier herbestellt habe.", meiner Stimme verpasste ich einen freundlichen Klang, kurz schweifte sein irritierter Blick zu mir. Er beherrschte glücklicherweise etwas Okklumentik, über seine mangelde Fähigkeit seine Angst gänzlich verbergen zu können hätte ich jedoch aufstöhnen mögen. Jene Schwäche konnte einem im Dunstkreis von Menschen wie Tom oder mir den Kopf kosten. Schnell fasste ich den Entschluss Bellatrix zu beauftragen diese Gefahr auszumerzen. Leise antwortete er: "Ja Miss S'Anguine." "Du solltest mich ansehen wenn du mit mir sprichst, Draco. Hasenfüßigkeit wird dir nicht helfen, die dir auferlegte Aufgabe zu erfüllen. Und mir ist sehr daran gelgen, dass du es schaffst.", mein tadelnder Ton wich gegen Ende einem aufmunternden, damit es nicht zu sehr nach einer Drohung klang schob ich hinterher: "Immerhin habe ich deiner Großmutter versprochen, dass dir nichts geschieht. Weswegen ich dir jemanden vorstelle der dir helfen könnte. Er müsste gleich kommen."

Just in diesem Moment schwangen die Flügel der Türe auf und eine massige Gestalt schlich abwartend und geduckt auf uns zu. "Greyback", flüsterte Draco entsetzt und wich einen Schritt zurück. Das Monster blieb vor den Stufen stehen und ich trat ins Licht der Fackel, sah zu ihm herab. Als ich das Wort erhob, warf er sich winselnd zu Boden und kroch mit gesenkten Kopf zu meinen Füßen: "Fenrir. Schön dich wiederzusehen. Ich hörte du hast es weit gebracht." Angewiedert, doch zugleich verwirrt sah Malfoy auf die Szene, die wir boten. Der riesiger, blutrünstiger Werwolf, der sich unterwarf wie ein junger Crup, als ich ihn bloß ansprach. Gelassen schritt ich die Stufen herunter und legte despotisch meine zierliche Hand auf Greybacks verfilzte graue Haare, streichelte ihn wie einen Hund und befahl ihm aufzustehen. Er überragte mich um mindestens zwei Köpfe. "Ich bin stolz darauf, was aus dir geworden ist. Du kannst mir wirklich dankbar sein." Draco hatte begonnen zu zittern, als ich auf diese Weise mit dem Wolf, der für seine Grausamkeit berüchtigt war, redete. Fenrir hingegen zeigte eine Reihe seiner spitzen gelben Fangzähne und ich wusste, das er mir tatsächlich dankbar war. Er hatte sich mir vor einer Ewigkeit gebeugt und es war nicht zu seinem Nachteil gewesen. Heute galt er als gefährlichster und mächtigster Rudelführer Großbritanniens und nichts erinnerte an den todgeweihten Straßenjungen, der unter seiner Lykantropie gelitten hatte. Ich hatte ihn damals in meinen Sommerferien in der Nokturngasse aufgegabelt.

Seit dem letzten Vollmond waren wenige Tage vergangen. Die Kapuze meines schwarzen Umhangs hatte ich tief ins Gesicht gezogen, als ich durch die dreckige Gasse spazierte, in deren dunklen Winkeln sich allerlei zwielichtiges Gesindel herumtrieb. Niemand sollte eine Hogwartsschülerin bei einem solchen Ausflug erwischen, insbesondere wenn sie ohne Begleitung und minderjährig war. Die Nokturngasse war kein Ort, an dem sich eine junge Hexe aus gutem Hause alleine herumtreiben sollte. Die Weiber hier waren Giftmischerinnen, Sabberhexen und Dirnen. Ich liebte es. Dunkle Zauberer mit Auren schwarzer Magie gab es hier, verfluchte Artefakte, experimentelle Zaubertränke und seltene verbotene Zutaten für illegale Rituale. Und dann gab es sie, die Ausgestoßenen, die am Rande der Gesellschaft ihr Dasein fristeten, sie lagen in feuchten Ecken und kauerten an dreckigen Hauswänden, teilweise bewusstlos. Ehemalige Askabaninsassen, Enterbte und Halbmenschen wie Wewölfe. Letztere erkannte man an den grauen, ausgemerkelten Gesichtern. Ein Junge, vielleicht 14 Jahre alt, saß zusammengekauert, mit leeren Blick auf dem schmutzigem Kopfsteinpflaster. Sein Haar war bereits ergraut und er wirkte so erbärmlich abgemagert, dass ich mir sicher war, er würde den nächsten Vollmond sicher nicht mehr erleben. Entweder er würde elendig verhungern, oder er würde es nicht länger schaffen den Werwolfjägern des Ministeriums davon zu laufen. Es war armselig, das sollten Bestien sein? Darüber konnte man nur müde lachen. Werwölfe sollten starke und gefährliche Biester sein, tödlich. Doch die, die hier halbtot lagen waren sicherlich keine animalischen Killer. Der Tod wäre tatsächlich gnädiger für sie. Erst vor wenigen Jahren hatte man die Werwolfregistrierungskommission eingerichtet, die ihre Aktivitäten überwachen und die Halbmenschen im Ernstfall jagen sollte. Man hörte, das sich seitdem die Lage der Werwölfe verschlechtert hatte.

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