Idylle

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Ein Grinsen wanderte über die perfekten Züge von Nils.

„Na da bin ich mal gespannt."

„Ich auch", gab ich zu und setzte mich auf.

Einen Plan hatte ich nicht. Das würde mal wieder vollkommen spontan entstehen. Ich hoffte nur, dass dieser nicht so nach hinten losgehen würde wie mein Selbstmordversuch. Eine Packung Taschentücher wurde mir von meinem blonden Entführer unter die Nase gehalten, der mich verständnisvoll anlächelte.

„Danke", flüsterte ich und nahm mir eins. Während ich mir die Nase putze öffnete jemand leise die Tür zum Schlafzimmer und als ich mich umdrehte um zu schauen wer es war, erblickte ich Ben, der zaghaft am lächeln war.

„Alles okay?", fragte er genauso sanft wie Nils. Ich nickte und betrachtete die beiden, durchtrainierten Schwerverbrecher vor mir. Aber ich fand, dass man sie nicht so bezeichnen konnte. Ich konnte das nicht. Denn mal ehrlich, konnte jemand, der mich von meinen Selbstmordgedanken abbrachte und sich so lieb um mich kümmerte, ein brutaler Schwerverbrecher sein?

Irgendwie verstand ich langsam wieso Brwonie die beiden so mochte.

Sie waren das beste Beispiel für das Klischee 'Harte Schale, weicher Kern'.

„Oh Verdammt."

Geschockt blickte ich auf und sah Nils an, der wie angewurzelt nach draußen starrte. Völlig verständnislos, stand Ben in der Tür und warf mir fragende Blicke zu, die ich nur mit einer verwunderten Geste abtun konnte.

„Komm schon Franzi, beeil dich!"

Nils sprang vom Bett und griff nach meiner Hand. Überrumpelt von der plötzlichen Nähe und dem kribbeln in meinem Bauch ließ ich mich mitziehen.

„Was ist?", fragten Ben und ich im Chor.

„Komm einfach. Ben wir sind in einer Stunde zurück!"

Nils rannte mit mir an der Hand die Treppen herunter in den kühlen Wald, der von dem Regenschauer wie tausend Diamanten glitzerte. Ich wusste nicht wohin ich zuerste blicken sollte, denn die Schönheit der Natur brach urplötzlich über mich herein. Der Geruch von nassem Moos und Laub stieg mir in die Nase und ich hörte die schnellen Schritte von Nils und mir auf dem Waldboden, der noch feucht war. Nils führte mich durch einen kleinen Pfad, der tief im Wald zu verschwinden schien. Um mich herum, nahm ich das zwitschern der Vögel wahr, die nach dem Regen wieder aus ihren Unterschlüpfen kam. Große Tropfen fielen von den Blättern und trafen mich mitten ins Gesicht. Ich betrachtete den Jungen, der vor mir lief und mich nicht losließ.

Sei T-Shirt war an den Ärmeln, nass, da er damit das Gebüsch zur Seite schob. Sein Blondes Haar wehte leicht und wurde ebenfalls etwas feucht.

„Komm schon. Wir müssen uns beeilen, sonst schaffen wir das nicht", sagte er und wandte sich leicht zur mir. Ein Lächeln umspielte seinen Mund und seine Augen strahlten vor Freunde. Diese Freunde schien sofort auf mich überzugehen und ich begann ebenfalls zu lächeln. Ich beschleunigte meine Schritte und fragte mich wohin wir rannten. Um mich herum wurde der Wald immer dichter und der Pfad schmaler. Weniger Sonnenstrahlen drangen durch die Baumkronen und erreichten mein Gesicht.

„Wo gehen wir hin?"

„Du wirst schon sehen."

In seiner Stimme schwang ein Hauch von Glück und Vorfreunde mit, die mich an einen kleinen Jungen erinnerte. Also respektierte ich diese ungenaue Aussage und versuchte stattdessen einen Blick von dem, was vor uns lag zu erhaschen.

Und dann sah ich es.

Am Ende des Pfades, oder wo auch immer, war grelles Sonnenlicht zu erkennen, dass mich blendete. Ich wendete meinen Blick ab und schaute auf den Pfad. Ich wollte nicht stolpern und außerdem taten meine Augen von der plötzlichen Helligkeit, in die ich geblickt hatte weh. Und dann trat ich in das grelle Licht. Ich kniff meine Augen zusammen und blieb neben Nils stehen. schützend hob ich meine Hand und versuchte das Licht zu verringern, denn nach dem dunklen Wald kam mir das vor, als würde ich direkt in die Sonne blicken. Ich spürte die Hitze der Sonne, die sich auf meiner Haut ausbreitete und durch mein Shirt drang. Langsam öffnete ich meine Augen und erstarrte. Ein Lichtspiel tat sich vor mir auf. Die Sonne die sich auf dem klaren, dunkelblauen See vor mir spiegelte erinnerte mich an ein Gemälde bei der die Schönheit der Natur hervorgebracht werden sollte. Die grünen Bäume um den See wogen sich leicht in der kühlen Brise und ein stolzer Storch stand am anderen Ufer und beobachtete uns neugierig. „Da oben." Ich schaute zur Seite und folgte Nils Fingern, die auf den Regenbogen über dem See deuteten. Ich hielt den Atem an und genoss das Spiel von Sonne und Wasser. Die Natur um mich herum war am leben und das merkte ich in diesem Moment zum ersten Mal in meinem Leben.

„Es ist wunderschön", flüsterte ich, weil ich Angst hatte die Schönheit durch meine Stimme zu zerstören.

„Ich weiß.", antwortete Nils genauso leise, der gebannt auf den Regenbogen starrte und beobachtete wie dieser langsam verschwand. Schweigend standen wir da. Nebeneinander, während er meine Hand hielt. Die Sonne wärmte mich von innen und seine Hand ließ meine Haut prickeln. Ich warf einen Blick zu meinem Entführer und betrachtete seine sanften Züge. Ich verstand es. Ich verstand wieso Brownie diesen Menschen so liebte und ich verstand wieso so viele Mädchen ihn mochten. Doch das Aussehen war in diesem Moment zweitrangig. Der Moment war etwas zwischen uns, was wir beide genossen und was wir beide nie vergessen würden. Dessen war ich mir sicher. Die letzten Züge des Regenbogens verschwanden doch mein Blick blieb an dem blauen Himmel, der sich über mich auftat.

„Siehst du. Es gibt so wundervolle Sachen auf dieser Welt und ich finde nicht, dass du nur wegen einer schlechten das alles hier nicht erleben solltest. Das ist es einfach nicht wert. Und du schaffst es da raus zukommen. So schätze ich dich zumindest ein."

Verständnisvoll lächelte er mich an.

„Danke."

Ich erwiderte sein Lächeln und mein Blick wanderte über den wundervollen See. Das hier glich einer Idylle. Komisch das ich so was dachte, wenn ein Schwerverbrecher neben mir stand.

„Lust schwimmen zu gehen?"

Ich wandte mich zu Nils und schaute fragend in sein breit grinsendes Gesicht.

Er würde doch nicht...



Entführt - Gerettet aus der HölleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt