Reue

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„Nils?"

Bens Stimme durchbrach die Stille des Waldes, die sich um uns gehüllt hatte und riss mich aus meinem Trancezustand. Ich spürte wie Nils sich langsam, aber bestimmend und schnell von mir löste und sich abwandte. Wieder stand ich vollkommen alleine und verlassen in dem tiefen Wald und betrachtete ihn von hinten. Da er kein Hemd mehr trug, konnte man jede Kontur seiner Muskeln sehen. Ich verspürte den Drang mit meinen Fingerspitzen sanft über seine Haut zu gleiten und seine Züge nachzuzeichnen. Seine Jeans saß perfekt und selbst mit seinen durchgenässten Schuhen sah er heiß aus.

Er war das genaue Gegenteil von mir.

Wir waren wie Feuer und Wasser.

Nicht Kombinierbar.

Meine Hände verkrampften sich und ich wischte mir rasch die restlichen Tränen von der Wange. Immer öfter drang das Geräusch von brechenden Ästen und trockenen Blättern, die raschelten an meine Ohren und kaum hatte ich meine letzte Träne weggewischt, stand Ben vor Nils.

„Was gibt's?"

Ich sah wie Ben mir einen Blick zuwarf, der Nils deutlich machen sollte, dass er die Sache nicht vor mir bereden könnte. Ich ließ meine Arme schlapp an meinem Körper herunter hängen und griff nach dem Stoff von Nils Hemd, damit ich wenigstens etwas halt hatte. Schüchtern blickte ich zu Boden und registrierte das leise Gemurmel, das ich nicht hören wollte. Mit aller Kraft verbannte ich die Stimmen meiner Entführer aus meinem Bewusstsein und konzentrierte mich auf den harten Boden unter meinen Füßen.

Er war staubtrocken, obwohl es so stark geregnet hatte.

Die dichten Baumkronen hatten das Wasser abgefangen und dem Boden so das Leben entsagt. Doch ich wusste, dass sobald auch nur ein Tropfen Wasser auf die trockene Erde treffen würde, dieser eine gewaltige Auswirkung haben würde. Irgendwo tief unter der harten Oberfläche steckte ein Samen der sich danach sehnte auszubrechen.

„Franzi?"

Ich zuckte zusammen und hob ruckartig meinen Kopf. Die beiden jungen Männer vor mir blickten mich an. Ben stand mir zugewandt und musterte mich kritisch, während Nils nur über seine Schulter blickte und mich nachdenklich musterte.

„Ja?"

Ich erschrak über die Schwäche in meiner Stimme und räusperte mich einmal.

„Ja?", wiederholte ich deutlich lauter und vernahm das kleine Lächeln auf Nils Gesicht.

„Macht's dir was aus, wenn ich dich mit Nils alleine lasse? Ich wollte was zu essen besorgen."

Verwundert über die Tatsache, dass Ben fragte ob es in Ordnung war mich mit Nils alleine zu lassen, nickte ich und sah wie Ben, Nils einen scharfen Blick zuwarf, bevor er sich davon machte. Schweigend lauschten mein Entführer und ich wie Ben sich durch den Wald kämpfte und leise vor sich hin fluchte.

Immer noch bahnten sich Sonnenstrahlen den Weg durch die Blätter und erreichten mein Gesicht. Ich wandte meinen Blick nach oben und beobachtete das Sonnenspiel. Die leichte Brise bewegte die Blätter. Es kam mir vor als würden diese mit der Sonne spielen. Ich vernahm ein lautes Räuspern und blickte zu Nils der sich keinen Zentimeter bewegt hatte.

„Wollen wir?", fragte er mich und steckte seine Hände dabei in seine nassen Jeanstaschen.

Die Präsenz des Kusses wurde mir wieder bewusst, als ich seine Lippen betrachtete und leicht rot wurde, weswegen ich nur kurz nickte und versuchte mich auf den Baumstamm hinter ihm zu konzentrieren.

Er öffnete ein paar Mal seinen Mund, schloss ihn jedoch wieder und drehte sich mit einem verwirrten Blick weg. Langsam schritt er voran und ich folgte ihm. Wir wanderten den Pfad zurück den wir her gerannt waren. Diesmal war Nils jedoch schweigsamer und wesentlich langsamer. Wenn ich einen kurzen Blick von der Seite auf ihn erhaschte, sah ich nur eine nachdenkliche Miene. Während ich hinter ihm hertrottete realisierte ich, was ich getan hatte.

Entführt - Gerettet aus der HölleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt